Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Donnerstag gleich zu Beginn der Nationalratssitzung eine kurze persönliche Erklärung abgegeben. Darin betonte er, dass die im Zusammenhang mit der heimlich aufgenommen Tonaufnahme des kürzlich verstorbenen ehemaligen Justizsektionschefs Christian Pilnacek erhobenen Vorwürfe gegen ihn „in keinster Weise“ zutreffen. Sobotka will nie mit diesem über laufende Ermittlungen oder Verfahren gesprochen haben.

In der öffentlich gewordenen, wohl heimlich aufgenommenen Tonaufnahme wirft Pilnacek dem heutigen Nationalratspräsidenten vor, ihn zur Einstellung von Ermittlungen gedrängt zu haben. Allein die ÖVP hält „ihrem“ Nationalratspräsidenten ungebrochen die Stange. Alle anderen Fraktionen, also SPÖ, FPÖ, Neos und auch der Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, verlangen einen Rücktritt Sobotkas vom zweithöchsten Amt im Staat.

Am Mittwochabend hatte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nach einer eilig einberufenen Präsidiale die schon zuvor geäußerte Linie der Volkspartei bekräftigt. Zu einer von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) angekündigten Untersuchungskommission äußerte er sich zurückhaltend: Auf die Koalition werde die Sache keine Auswirkungen haben, sagt er.

Nationalratssitzung mit u. a. der Erklärung von NR-Präsident Sobotka:

Bei den Vorwürfen geht es darum, dass der vor Kurzem aus dem Leben geschiedene Ex-Sektionschef Christian Pilnacek in privater Runde in einem Lokal darüber sprach, dass Sobotka ihm vorgeworfen habe, Ermittlungen nie abgedreht zu haben. Das Gespräch vom vergangenen Sommer wurde heimlich aufgenommen und in den vergangenen Tagen mehreren Medien zur Verfügung gestellt. Der Sprecher des Präsidenten hatte schon am Dienstag die Darstellung Pilnaceks zurückgewiesen.

Die Oppositionsfraktionen forderten dann Sobotka Mittwochfrüh in der Nationalratssitzung zum Rücktritt auf: Der Präsident müsste wissen, was zu tun sei, um Schaden von der Republik abzuwenden, sagte etwa der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Philip Kucher in der von ihm gestarteten Geschäftsordnungsdebatte am Vormittag. Während die ÖVP von einem „unwürdigen Schauspiel“ sprach, meldeten sich die Grünen nicht zu Wort. Zuvor hatte ÖVP-Chef Karl Nehammer Sobotka verteidigt: Dieser habe sein „Vertrauen“.

„Wenn Sie mich fragen, ich würde zurücktreten“

Am Abend legte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) dann dem Präsidenten den Rücktritt zumindest indirekt nahe: „Wäre ich in der Situation von Sobotka, ich hätte meinen Hut genommen. Ich habe einen klaren moralischen Kompass“, wurde Rauch in der Online-Ausgabe der Kleinen Zeitung zitiert.

Ähnlich äußerte sich vor und nach der abendlichen Sonderpräsidiale die Grüne Generalsekretärin Olga Voglauer: „Wenn Sie mich fragen, ich würde zurücktreten.“ Voglauer hatte schon zuvor erklärt, sie hätte an Stelle Sobotkas auch angesichts früherer Vorwürfe „schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen“.

Sobotka selbst verwies nach der Präsidialsitzung lediglich auf seinen Sprecher, der „alles gesagt“ habe. Dieser ließ bereits am Dienstag ausrichten, man werde sich „an einem solch pietätlosen Akt nicht beteiligen“, „wenn ein erst kürzlich, unter tragischen Umständen, verstorbener Mensch nun in die Öffentlichkeit gezerrt werden soll, um politisches Kleingeld zu schlagen“. Er hielt fest, „dass der Nationalratspräsident niemals mit Christian Pilnacek zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen hat“, sagte der Sprecher. Sobotka bleibe dementsprechend „natürlich bei dem, was er im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht gesagt hat“. Pilnacek selbst habe das ja im Untersuchungsausschuss „und unter Wahrheitspflicht“ bestätigt.

„Persönliche Erklärung“ am Donnerstag

Die Oppositionsfraktionen blieben nach der Sitzung bei ihrer Rücktrittsaufforderung. Kucher erklärte danach, Sobotka werde am Donnerstag eine „persönliche Erklärung“ abgeben. Aus Sobotkas Büro hieß es dazu, der Präsident werde lediglich im Plenum seine Sicht der Dinge noch einmal unterstreichen. Auch der stellvertretende Neos-Klubchef Nikolaus Scherak gab neuerlich zu verstehen, dass die Opposition das Amt des Nationalratspräsidenten durch die Causa beschädigt sieht.