Nach den brisanten Enthüllungen rund um eine Tonaufnahme des verstorbenen Sektionschefs im Justizministerium Christian Pilnacek hat Ressortchefin Alma Zadić die Bildung einer Untersuchungskommission angekündigt. Wir müssen „dringend für Transparenz und Aufklärung sorgen. Deshalb habe ich mein Ministerium beauftragt, eine Untersuchungskommission vorzubereiten“, heißt es aus dem Ministerium. Zuvor hatte ÖVP-Chef Karl Nehammer den in die Kritik geratenen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) verteidigt.
Sobotka namentlich genannt
Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist auf der heimlichen Aufnahme bei einer abendlichen Runde mit Bekannten im Wirtshaus Ende Juli zu hören, wie er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets alles abgewehrt habe. Namentlich nannte er unter anderem Sobotka.
„In den medial verbreiteten Tonbandaufnahmen werden schwere Vorwürfe erhoben“, meinte Zadić. „Diese zeigen klar, dass es eine von der Politik unabhängige Generalstaatsanwaltschaft braucht, an deren Spitze drei unabhängige Expert:innen gemeinsam entscheiden. Denn mehrere Köpfe – auf die sich die Macht verteilt – sind der beste Schutz gegen eine erfolgreiche politische Einflussnahme auf die Justiz.“ Im konkreten Fall soll nun eine Kommission für Transparenz und Aufklärung sorgen. Ähnliche Gremien sind bereits nach dem Terroranschlag in Wien und zur Hypo Alpe Adria eingerichtet worden.
Davor hatte sich ÖVP-Chef Karl Nehammer vor Sobotka (ÖVP) gestellt. Dieser „hat mein Vertrauen“, betonte der Kanzler am Mittwoch vor Journalisten. Nehammer ortete „einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“. „Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert“, sagte der Parteichef im Pressefoyer nach dem Ministerrat auf Journalistenfragen. „Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört.“ Dies warf der Kanzler auch Journalisten vor: „Sie würden mir die Frage nicht stellen, würden Sie die Totenruhe nicht stören.“ Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern. „Wir erleben hier gerade einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“, befand Nehammer, dies sei „moralisch nicht vertretbar“. Er werde sich daher nicht an dieser Diskussion beteiligen.
Rücktrittaufforderungen von der Opposition
Vonseiten der Opposition hagelte es dagegen Rücktrittsaufforderungen an die Adresse Sobotkas. Ein von der Grünen Generalsekretärin Olga Voglauer ins Spiel gebrachter Untersuchungsausschuss ist dagegen nicht realistisch – sowohl Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger als auch SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer sprachen sich dagegen aus.
Die ÖVP machte sich unterdessen auf die Suche nach den Urhebern bzw. Hintermännern der Aufnahme. Generalsekretär Christian Stocker brachte dabei in einer Pressekonferenz den früheren BZÖ-Politiker Stefan Petzner ins Spiel, der auch Verbindungen zur FPÖ habe. Dieser hatte in einem Interview auf Oe24.TV am 6. November 2022 (also vor der Tonbandaufnahme) gesagt: „Auf den Wolfgang Sobotka kommt noch einiges zu, er weiß es nur noch nicht.“ Laut Stocker würden sich angesichts dieser Aussagen einige Fragen erheben, „die beantwortet werden müssen“. Petzner selbst war für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht erreichbar. Die ÖVP überlegt auch rechtliche Schritte gegen die noch nicht bekannten Hintermänner der Aufnahme.
Nicht ganz nachvollziehen kann Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Verteidigungslinie der ÖVP, wonach Pilnacek im U-Ausschuss Interventionen in Abrede gestellt habe. Der ehemalige Sektionschef habe dabei lediglich eigene Interventionen verneint, so Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz. Bezüglich solcher Versuche ihm gegenüber habe er sich dagegen der Aussage entschlagen. Krainer wiederum sieht auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Pflicht. Es sei „an der Zeit, dass der erste Mann im Staat hier Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal ist, wer der Mann hinter ihm ist“.