Viel Zeit bleibt der Ärztekammer nicht mehr. Schon kommende Woche könnte die Bundesregierung die Gesundheitsreform im Ministerrat auf den Weg bringen. Die Ärzte fürchtet nicht nur die Entmachtung bei Kassenstellen und Gesamtvertrag, auch die kommende Pflicht zur Wirkstoff- statt Arzneimittelverschreibung stört die Kammer. Mittwochnachmittag gab sie weitere Mittel für eine Kampagne frei, auch die Kündigung der Gesamtverträge rückt näher.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wollte sich zwar nach dem Ministerrat nicht einmischen, er höre aber, man sei bei den Verhandlungen auf einem „sehr guten Weg“, sagte er. ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky hatte sich tags zuvor aber hinter die Bemühungen von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gestellt. Auch die Bundesländer, die in die Verhandlungen eingebunden waren, stehen hinter der Reform.
Ärztekammer-Chef Johannes Steinhart ist am Mittwoch auf den Aspekt eingegangen, dass die Ärzte ihren Patienten künftig standardmäßig nur noch Wirkstoffe und nicht bestimmte Präparate verschreiben sollen. Zwar können die Mediziner auf ein bestimmtes Medikament beharren, müssen das dann aber maschinenlesbar vermerken. Man warne davor schon lange, denn es entstünden gerade bei älteren Patienten Probleme, wenn sie plötzlich ein anders gefärbtes oder anders zu portionierendes Produkt bekämen. Die Kammer sieht dadurch die Patientensicherheit gefährdet.
Vizepräsident Edgar Wutscher bekräftigte dies. „Patienten kennen sich nicht mehr aus, und da nützt eine Aufklärung nichts.“ Auch gebe es Fälle, in denen jemand Schluckbeschwerden habe, statt des verschriebenen Penicillinsafts in der Apotheke dann aber große Tabletten bekomme. „Da muss ich wirklich warnen, weil das zulasten der Patienten geht“, so Wutscher. Für einzelne könne es gar „fatale Folgen“ haben.
Als Unterstützer zog die Ärztekammer auch Ernst Agneter, Pharmakologie-Professor an der Sigmund-Freud-Privatuniversität, heran. Das Thema sei alt, in der Vergangenheit sei die Debatte unter dem Titel „Aut idem“ (lateinisch für: oder das Gleiche) geführt worden. Früher sei wirtschaftlich argumentiert worden, nun mit der Versorgungssicherheit. Doch dafür sei die Wirkstoffverschreibung keine Lösung.
Kündigung des Gesamtvertrages steht im Raum
Die Ärztekammer feilt nun jedenfalls an Kampfmaßnahmen gegen die Reform, ein Aufkündigen des Gesamtvertrags mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und damit ein vertragsloser Zustand gerade im kommenden Wahljahr steht im Raum. Mittwochvormittag tagte die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Aus den Bundesländern seien „wüste Bestärkungen“ für die Proteste eingelangt, zeigte sich der zuletzt kammerintern schwer kritisierte Steinhart zufrieden.
Nach der Kuriensitzung sprach die Kammer in einer Aussendung am Mittwochnachmittag von einem finanziellen Rahmen von rund zehn Millionen Euro für eine „Informationskampagne“, gespeist aus Mitteln der Landesärztekammer und der ÖÄK. Von Letzterer wurde dafür eine Million Euro beigetragen. Wutscher kündigte ein „Vorgehen entsprechend der Bedrohungslage“ an. Zudem wurde im Rahmen der Sitzung ein Memorandum verabschiedet, in dem es wörtlich hieß: „Die Anwesenden kommen einvernehmlich überein, für den Fall der Gesetzeswerdung dieser Bestimmungen die Beendigung der bestehenden Gesamtverträge mit der ÖGK in die Wege zu leiten.“