Im Prozess gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli begann am heutigen Freitag die Zeugenbefragungen. Zur Erinnerung: Beiden werden falsche Aussagen vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vor gut drei Jahren vorgeworfen. Die Angeklagten bekennen sich nicht schuldig, es gilt die Unschuldsvermutung. Als erster Zeuge wurde Arnold Schiefer ins Wiener Straflandesgericht zitiert. Der einstige Heta- und spätere ÖBB-Finanz-Vorstand wurde zu einem Sideletter befragt, in dem er (für die FPÖ) mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid (für die ÖVP), die Postenbesetzung der Öbag vereinbart hatte.

Dazu befragt, hatte Kurz im U-Ausschuss nach Vorlage entsprechender Chats zwischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) angegeben, von einer solchen Vereinbarung nichts gewusst zu haben. Schiefer beklagte zwar, dass der Sideletter am Ende anders ausgesehen habe als das, was er mit Schmid ausgemacht hatte. Von Interventionen durch Bundeskanzler Kurz konnte er jedoch nichts berichten, dieser habe sich nie bei ihm gemeldet. Am 11. Dezember geht es mit der Befragung von Thomas Schmid weiter.

Der 4. Prozesstag zum Nachlesen

Die Verhandlung wird eröffnet und Schiefer in den Saal gerufen. Dieser nimmt vor dem Richter Platz. Ohne Umschweife geht es um den Sideletter, den Schiefer 2017 im Zuge der Regierungsverhandlungen für die FPÖ mit der ÖVP vereinbart habe. Diesen habe er im Anschluss nie physisch gesehen, es sei jedenfalls „nicht abgebildet worden, was wir vorher vereinbart haben“. Strache habe damals das Gefühl gehabt, die ÖVP halte sich nicht an Vereinbartes. „Aber die Kuh war schon aus dem Stall“, sagt Schiefer.

Er habe das ohnehin mehrfach erlebt: „Man macht einen Aufriss“ als Experte, aber was die Politik daraus mache und welchen „Abtausch“ es im Hintergrund gebe, sei etwas anderes. Er habe sich bei der Öbag aber immer gegen einen alleinigen Vorstand ausgesprochen, in der späteren Satzung sei das dann aber so gekommen. Während Schiefers Ausführungen berät sich Kurz mehrfach mit seinen Anwälten und Mitangeklagten Bonelli.

Der einstige ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer. | Der einstige ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer
Der einstige ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer.
| Der einstige ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer © KLZ / Helmut Fohringer

Mit Schmid nur „beruflich“ Kaffee getrunken

Mit Schmid habe er ab und zu Kaffee getrunken, „in 99 Prozent der Fälle war der Kaffee beruflich“. In vorgehaltenen Nachrichten zwischen ihm und Schmid schrieb dieser: „Dann machen wir eine richtige Party.“ „Ja, das haben wir dann nie gemacht“, sagt Schiefer, Gelächter im Saal. Dass Schmid in anderen Chats über ihn hergezogen ist – er nennt ihn darin unter anderem „widerlicher Kerl“ –, sehe Schiefer als Kompliment.

Er hatte damals ja nicht vor, Liebling der ÖVP zu werden. Schmid war damals jedenfalls seine „Schnittstelle zur ÖVP“ gewesen. Schmid sei jedenfalls „immer hin- und hergerissen gewesen“, was seine Ambitionen für die Öbag betraf. Kurz sei damals jedenfalls irritiert gewesen, dass die FPÖ Personalwünsche angebracht hatte.

„Kurz hat bei mir nie interveniert“

Es habe sich damals nur um eine Liste von Aufsichtsräten gehandelt. „Ist das Postenschacher? Ich weiß es nicht.“ Es habe jedenfalls kein Papier unterschrieben, es sei nur beratend tätig gewesen. Richter Michael Radasztics ist mit seinen Fragen fertig, nun ist die Staatsanwaltschaft an der Reihe. Er hätte, angesprochen auf den Sideletter, „nie so einen Text geschrieben“. Auf Nachfragen zu konkreten Besprechungen reagiert Schiefer zwischendurch patzig. Kurz habe sich jedenfalls „nie bei mir gemeldet“, er habe „nie bei mir interveniert“.

Es folgt erneut ein Scharmützel zwischen Anklage und Zeuge, dieser solle die Fragen erst nehmen. Der Richter mahnt zu einem Ende der „Metaebene“, Schiefer fächert sich mit einem Blatt Papier Luft zu. Es geht weiter mit Detailfragen zu Öbib-Absprachen. Und dann wird wieder gestritten. Schiefer klagt über „Chancenungleichheit“, die WKStA frage immer und lege dann erst „irgendwelche Zettel“ vor.

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)  | Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
| Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) © APA / Robert Jaeger

Kurz: „Kein einziges Herzerl- oder Bussi-SMS“ von Schmid

In Bezug auf die Öbag sei damals alles im Fluss gewesen, „so ist das in der Politik“, sagt Schiefer. Kurz klatscht daraufhin in die Hände und nickt eifrig. Nach einigen weiteren Fragen ist die Anklage fertig, die Verteidiger von Kurz und Bonelli sind es nach zwei Einzelfragen ebenso. Schiefer verlässt den Saal. Nach einer kurzen Pause meldet sich Kurz’ Anwalt zu Wort, man wolle noch eine Stellungnahme zu den Chats abgeben.

Kurz nimmt dazu vor dem Richter Platz. Er sei froh, dass jetzt „mehr und mehr Chats zum Akt kommen“, denn das Gesamtbild zeige nun „eindeutig“, dass Schmid ab 2017 „sehr stark meine Nähe sucht“. Er habe sich dabei „ungefragterweise“ selbst gelobt, bedanke sich teils „für absurde Dinge“. Es gebe aber „kein einziges Herzlern- oder Bussi-SMS“, wo er sich für seinen Öbag-Posten bedankt. Das sei dann doch „interessant“, sagt Kurz. Er will eine SMS-Konversation mit seinem ehemaligen Sprecher Johannes Frischmann besprechen. Schmid habe gegen diesen gearbeitet, obwohl Kurz ihn damals als Sprecher wollte. Das zeige, dass Schmid nicht immer getan habe, was er wollte, sagt Kurz.

Damit endet der 4. Prozesstag, am 11. Dezember geht es weiter – dann aber wirklich mit der Befragung von Zeuge Thomas Schmid. Wir werden wieder live berichten.

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Schmid im Ausland

Eigentlich hätte der frühere Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, als erster Zeuge vor dem Richter Platz nehmen müssen. Seine Mitteilungsfreudigkeit bei den Fragen wird vor allem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) besonders genau verfolgt werden, bemüht sich Schmid doch um den Kronzeugenstatus in einem anderen Ermittlungsverfahren gegen Ex-Kanzler Kurz. Doch Schmid sagte zwei Wochen vorher ab, er befinde sich an diesem Prozesstag im Ausland und sei „nicht verfügbar“.