Der 46. ordentliche Parteitag der SPÖ hatte ein offizielles und ein inoffizielles Motto. „Zurück zur Gerechtigkeit“ stand in großen Lettern auf der Videoleinwand der Grazer Messehalle und auf Pappschildern, die von den Delegierten immer wieder in die Höhe gehalten wurden. Es beschreibt in aller Kürze auch die inhaltliche Ausrichtung der SPÖ unter Andreas Babler und dessen Deutung von Österreichs gesellschaftlicher Realität.
Doch dieser Parteitag hatte einen Subtext, den man unter das Motto „Zurück zur Geschlossenheit“ stellen könnte. Dass es der SPÖ nach wie vor schwerfällt, Einigkeit nach außen zu demonstrieren, war in den vergangenen Tagen wieder zu beobachten. Eine gewisse Verunsicherung war auch in Graz greifbar, selbst bei Doris Bures, der Zweiten Nationalratspräsidentin, mit der Erfahrung „sehr, sehr vieler Parteitage“. Was sie erwarte? „Ich kann es nicht sagen“.
Kommentar
Diesen Umständen entsprechend waren die 88,8 Prozent für Babler ein gutes Ergebnis, die dem Frischgewählten die Freudentränen in die Augen trieb. Viele davon. „Was für ein geiles Ergebnis.“ Es war der emotionale Höhepunkt eines Parteitages einer sichtbar irritierten SPÖ, bei der sogar die Sitzordnung gewisse Spannungen auslöste.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig entfuhr ein enttäuschtes „Najo“, als er seinen Platz auf der rechten Seite der ersten Reihe neben Tirols Landeschef Georg Dornauer fand. Er durfte dann doch in der Mitte sitzen, ein paar Namensschilder wurden getauscht, dafür landete Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, ganz außen. Das wollte wiederum diese nicht, weshalb sie sich gleich weiter nach hinten setzte.
Diese verunsicherte Stimmungslage griff Babler am Ende seiner Rede auch auf. Da wurde er kurz zum Fußballtrainer. „Wir müssen zulegen, es reicht noch nicht.“ Liege man hinten und komme zur Pause in die Kabine zurück, müsse man nachdenken, was die gemeinsame Taktik sei und welche Qualitäten jeder Einzelne habe. „Dann gehen wir raus und gewinnen das Match.“
Bei Kabinenansprachen kennt sich Manfred Mertel aus. Er spielte für den GAK und Voest Linz in der Fußball-Bundesliga, war danach Trainer und Funktionär. Seit April sitzt er für Kärnten im Bundesrat. „Es bin sofort zu ihm und habe ihm gratuliert“, sagte Mertel. Genauso müsse man eine Pausenansprache halten. Positiv sein, auf Sträken verweisen!
Sowohl Ziel als auch Taktik hatte Babler als SPÖ-Trainer und Vorsitzender zuvor eine Stunde lang skizziert. Die FPÖ unter Herbert Kickl müsse aufgehalten werden und nur der SPÖ könne dies gelingen. Allerdings richtete sich Babler in seiner Rede mehrheitlich an die ÖVP, sie dürfte in der ohnehin längst angelaufenen Wahlauseinandersetzung argumentativer Hauptgegner der Sozialdemokraten werden.
Die Volkspartei sieht Babler, unter Komplizenschaft der FPÖ, als hauptverantwortlich für die „soziale Abrissbirne“. Er versprach: „Die Periode der Abrissbirne ist vorbei“ sowie „Wir werden alles aufbauen, was sie (ÖVP und FPÖ, Anm.) planiert haben. Noch besser und schöner“. Babler zeichnete ein Bild einer ungerechnet gewordenen Gesellschaft, in der Postzusteller unter der Armutsgrenze leben müssen und dafür Post-Manager absurd hohe Gagen beziehen. „Die Politik lässt das zu“, sagte Babler mehrfach. Er versinnbildlichte diese Politik mit dem Körperteil des Ellbogens. Die SPÖ dagegen, wenig überraschend: das Herz. Es wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Babler dieses Sprachbild verwendet.
Burgenland schert teilweise aus
Thematisch ließ der SPÖ-Chef nichts aus: Arbeitszeitverkürzung, Vermögenssteuer, Pensionsantritt nach 45 Jahren, Lohntransparenz, eine Beschäftigungsgarantie für Langzeitarbeitslose, verbesserte Gesundheitsversorgung. All dies und mehr war auch in die insgesamt 15 Leitanträge der Bundes-SPÖ verpackt. Sie wurden allesamt angenommen, auch das Staatsziel „leistbares Leben“ in der Verfassung. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung war etwas abgeschwächt worden und nur mehr als Pilotprojekt enthalten – ohne Erwähnung einer konkreten Stundenanzahl. Dennoch gab es aus dem Burgenland, wenn auch keine Ablehnung, so doch kollektive Enthaltung. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte sich stets dagegen ausgesprochen.
Video-Reportage vom Parteitag
Die mediale Berichterstattung über insgesamt teure Forderungen kritisierte Babler scharf. Die Frage, wer das alles bezahlen soll, sei unmoralisch, tönte Babler. Diese Aussage war der Höhepunkt der Rede, sorgte für großen Applaus und stehende Ovationen. Davor war die Euphorie in der Grazer Messehalle doch etwas gebrochen. Horchte man der Rede auf der linken Seite der Bühne, wo die Steirer, Wiener und Gewerkschafter saßen, war die Zustimmung offensichtlich stärker ausgeprägt als rechts, wo die Delegierten aus Oberösterreich, Salzburg und aus dem Burgenland platziert worden waren.
Direktwahl beschlossen
Dass Babler mit einer einzigen Rede nicht das gesamte Elektorat auf dem Parteitag emotional gewinnen wird, war keine Überraschung. Inhaltliche Vorbehalte und Skepsis, ob dieser Weg erfolgreich sein kann, werden die SPÖ so lange begleiten, bis die Umfragen eine klar positive Sprache sprechen. Dass die Organisationsreform mit der künftigen Direktwahl des Vorsitzenden durchging, nur von rund der Hälfte der Wiener Delegierten nicht unterstützt wurde, war durchaus ein zweiter Erfolg Bablers an diesem Tag.
Eines hat Manfred Mertel dann doch bei Bablers Kabinenansprache gefehlt. Als Trainer müsse man schon auch ansprechen, dass sich alle Spieler mannschaftsdienlich verhalten müssen. Nur dann könne man erfolgreich sein. Es hat sich wohl nicht nur auf den Fußball bezogen. Das ließ Babler aber wohl bewusst aus, zumal in Abwesenheit von Doskozil, der im Burgenland blieb. Nach seiner Wahl kehrte Babler auf die Bühne zurück zum letzten Teil seiner Kabinenansprache: „Anpfiff!“.