Die Logik der Zusammenarbeit von Arbeitgebern, Arbeitnehmern sowie Landwirtschaftskammern beruht auf der Einsicht, dass eine konsensorientierte Lösung für alle Seiten mehr Nutzen und Gewinn im wortwörtlichen Sinne verspricht, als wenn es in den Betrieben und auf den Straßen kracht. Dass auch Investoren ein hohes Maß an sozialem Frieden schätzen, kommt da noch hinzu.
Die ureigenste Aufgabe der Sozialpartner ist das Aushandeln von Kollektivverträgen, darüber hinaus sind sie zentrale Akteure bei der Regelung der Arbeitsbeziehungen, der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, bei Arbeitsmarkt und Konsumentenschutz sowie Kartellrecht und Wettbewerbspolitik. Allerdings unterliegt die Macht der Sozialpartnerschaft diversen Schwankungen: Wie viel Mitgestaltung die Interessenverbände tatsächlich besitzen, hängt wesentlich von der Bereitschaft der jeweiligen Regierung ab.
Die Achse Katzian-Mahrer funktioniert
Wie im echten Leben kommt es ebenso in der Politik auf die persönlichen Beziehungen an. Wolfgang Katzian (67), den Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), und Harald Mahrer (50), den Präsidenten der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO), trennt schon auf den ersten Blick mehr als nur ihre Position. Der eine ist gebürtige Stockerauer, absolvierte eine Lehre zum Bankkaufmann und ist ein in der Wolle gefärbter Gewerkschafter; der andere ist Wiener, studierte an der WU Wien und arbeitete als Unternehmensberater.
Trotzdem - oder deswegen? - funktioniert die Achse Mahrer-Katzian. „Die Zusammenarbeit passt, weil es immer ein Dialog auf Augenhöhe ist“, heißt es aus dem Umfeld des ÖGB-Präsidenten. Und auch die Vertrauensleute Mahrers betonen die Handschlagqualität der beiden Spitzenrepräsentanten und den vertraulichen Austausch. Dass die inhaltlichen Positionen oft meilenweit auseinanderliegen, ist dabei den unterschiedlichen Interessen geschuldet, „aber wenn man eine Lösung finden will, findet man diese auch“, heißt es fast unisono. Beide Seiten schwärmen bis heute von der funktionierenden Zusammenarbeit während der Pandemie, wo in kürzester Zeit ein Kompromiss bei der Kurzarbeit gefunden wurde, den dann auch die Regierung mitgetragen hatte.
Für den Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien haben die Sozialpartner ihren einstigen Status als selbstverständliche Politikgestalter allerdings eingebüßt. Heute hänge deren Einfluss von den regierenden Parteien, deren prägenden Persönlichkeiten und den sonstigen politischen wie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Gerade in Krisenzeiten zählen die Sozialpartner, jedenfalls einflusstechnisch, zu den Gewinnern.
Krisen stärken Sozialpartner
Wesentlich für deren Durchsetzungskraft ist ihre Integration in die beiden Traditionsparteien SPÖ (Gewerkschafter und Arbeiterkammer) und ÖVP (Wirtschafts- und Bauernkammern). Seit den 1960ern ging die Verflechtung von Nationalratsabgeordneten und Verbänden kontinuierlich zurück: von durchschnittlich nahe bei 60 Prozent auf deutlich unter 20 Prozent im Jahr 2000. Seitdem zeigt die Kurve wieder, wenngleich schwach, nach oben; 2022 lagt der Wert bei knapp 20 Prozent. Zu verdanken ist das fast allein der ÖVP, deren Abgeordnete zu rund 35 Prozent einem Verband der Sozialpartner angehören, während dieser Anteil bei der SPÖ nur bei 20 Prozent liegt.
Wie sich der Einfluss der Sozialpartner in Zukunft entwickelt, lässt sich schwer vorhersagen. Schwache Regierungen neigen, so Ennser-Jedenastik, dazu, die Arbeit an Problemlösungen zu delegieren. Für den Fall von künftigen Dreier-Koalitionen, die für sich genommen schon mehr Instabilität aufweisen, komme es auf die Konstellation an: Rote Gewerkschafter sowie schwarze Wirtschafts- und Bauernbündler seien wohl stark genug, sich in ihren Klubs durchzusetzen, um ihre Interessen auch in solchen für Österreich neuen Koalitionen durchzusetzen.
Es kommt darauf an, was man mit seiner Macht macht
Aber im Kern wird der Einfluss der Sozialpartner auch deshalb schon gefragt und gefordert sein, weil die Gestaltungskraft von zunehmend bunteren Koalitionen kaum wachsen und auch die Zahl der Krisen nicht schrumpfen wird. Wenn dann noch die Spitzen von Wirtschaft und Gewerkschaft an einem Strang ziehen, kann Österreichs Unikum halbwegs entspannt in die Zukunft blicken. Am Ende kommt es aber ohnehin vor allem darauf an, was man mit seiner Macht macht.