Streit mit der Bundespartei soll es nicht geben. Doch fehle es dieser momentan an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit, beklagte die SPÖ Burgenland, als sie vor wenigen Tagen ankündigte, keine Kandidaten für die EU-Wahl zu entsenden. Grund waren Querelen um die Reihenfolge der zu füllenden Listenplätze: Dem Burgenland sprach die Partei den siebenten – quasi aussichtslosen – Platz zu, in der Landespartei von Hans Peter Doskozil beharrte man entsprechend dem komplexen parteiinternen Berechnungsmodell auf den fünften Platz. Nun wird niemand aus dem Burgenland für Brüssel kandidieren, „um ein klares Zeichen zu setzen“, erklärte der Landeshauptmann. Wahlwerben werde man trotzdem.
Für Bundesparteichef Andreas Babler sind das zwei Wochen vor dem Parteitag am 11. und 12. November in Graz dennoch keine guten Nachrichten. Immerhin hatte er die Sozialdemokratie mit dem Versprechen übernommen hat, die tief gespaltenen Genossen wieder zu einen. Streitereien zwischen dem Bund und dem Burgenland hatten dagegen bereits die Amtszeit von Bablers Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner geprägt. Man bedauere die Entscheidung des Burgenlandes, nun arbeite man daran, die freigewordenen Listenplätze zu besetzen, äußerte sich die Bundespartei zurückhaltend.
Ludwig zieht sich aus Bundesgremien zurück
Auffassungsunterschiede gibt es auch mit der Wiener SPÖ, die Babler nach dem Ausscheiden Rendi-Wagners bei der Vorsitz-Wahl den Rücken gestärkt hatte. Doch nun sollen die rund 600 Delegierten aus den diversen Parteiorganisationen auf dem Parteitag in Graz über eine Statutenreform abstimmen, die für mehr Basisdemokratie in der Sozialdemokratie sorgen soll. Ein Vorhaben, dem die Wiener Genossen bereits seit Bablers Amtsantritt skeptisch gegenüberstehen. Denn Babler trat mit dem Versprechen an, den Parteimitgliedern mehr Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Sowohl über den Parteivorsitz als auch künftige Koalitionsabkommen sollten die rund 150.000 Parteimitglieder abstimmen dürfen. Kommen dürfte die Reform nun in abgeschwächter Version: Der Parteivorstand einigte sich darauf, dass ein Mitgliederentscheid über die Parteispitze stattfinden soll, von der Zustimmung zu künftigen Koalitionsabkommen ist keine Rede mehr. Gefallen ist der Beschluss im Vorstand einstimmig – allerdings mit mehreren Enthaltungen aus Wien.
Die Ankündigung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, er werde am kommenden Parteitag nicht mehr für die Bundesgremien kandidieren, passt in dieses Bild. Meinungsverschiedenheiten mit Babler seien allerdings kein Grund für den Rückzug, beteuerte Ludwig. Auch eine Sprecherin Bablers betonte am Freitag gegenüber der Kleinen Zeitung erneut, dass Ludwigs Schritt nicht als Angriff zu verstehen sei. Wien habe Babler „ungebrochene Unterstützung“ zugesichert und werde weiterhin stark im Vorstand vertreten sein. Nur eben ohne Ludwig. Und doch erinnert der Schritt des Wiener Bürgermeisters an das Vorgehen Doskozils 2021, der stets als besonders scharfer Kritiker Rendi-Wagners von sich reden machte.
Für Statutenreform braucht es Zweidrittelmehrheit
Die politische Konkurrenz interpretierte Ludwigs Rückzug jedenfalls als Scheitern des Bundesvorsitzenden. „Eine deutlichere Absage an Bablers Politik gibt es nicht“, kommentierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Babler sei beim Versuch, die SPÖ zu einen „kläglich gescheitert“. Wie es tatsächlich um den parteiinternen Rückhalt für Babler bestellt ist, wird sich auf dem Parteitag weisen. Um die im Vorstand abgenickte Statutenreform zu besiegeln, braucht es nämlich eine Zweidrittelmehrheit auf dem Parteitag. Die Wiener SPÖ hat ihren Delegierten jedenfalls freigestellt, ob sie für oder gegen die Änderung stimmen wollen.
Abgesehen von strategischen Fragestellungen rund um den Parteitag und die EU-Wahl ist der Umgang mit dem Nahost-Konflikt eine weitere rote Baustelle, mit der sich die Genossen befassen müssen. Nachdem die Sozialistische Jugend Vorarlberg ein israelfeindliches Posting des marxistischen Vereins „Der Funke“ geteilt hatte, droht der Spitze der Vorarlberger Jugendorganisation nun der Parteiausschluss. Ebenso Funktionären der SJ Alsergrund, die an einer Pro-Palästina-Demonstration teilgenommen hatten. Für Babler - die SPÖ-Spitze solidarisierte sich nach dem Hamas-Angriff mit Isreal - ist die Angelegenheit unangenehm: Immerhin unterstützte die SJ ihn während der Mitgliederbefragung, auch „Der Funke“ rief damals zur Wahl Bablers auf.
Doch scheint es auch eine Versöhnung innerhalb der roten Reihen zu geben: Max Lercher, Vorsitzender der SPÖ Obersteiermark West und einer der prominentesten Unterstützer Hans Peter Doskozils, umarmte Babler am Mittwoch bei einer Funktionärsversanstaltung in Spielberg und sicherte dem früheren Kontrahenten die volle Unterstützung seiner Regionalorganisation zu.