Das Thema Wohnen brennt vielen Menschen unter den Nägeln – und seit dem steilen Anstieg der Teuerung noch mehr. In den jüngsten Wahlkämpfen in Wien, Salzburg und Tirol stand der Kampf um leistbare Mieten weit oben auf der Sorgenliste der Wählerinnen und Wähler, und nichts spricht dafür, dass sich dies bei den kommenden Urnengängen in der Steiermark, Vorarlberg und schließlich bei den Nationalratswahlen ändert.
Im Wettstreit der Parteien um Mietpreisbremsen oder -deckeln droht jedoch unterzugehen, dass die Alpenrepublik über ein in der westlich-kapitalistischen Welt erfolgreiches Modell des sozialen Wohnbaus verfügt, das auch international als „Best Practice“-Modell gesehen wird; erst kürzlich etwa von der New York Times. Dabei unterstützt die öffentliche Hand mit Steuermitteln private Investoren, kommunale Unternehmen oder Genossenschaften dabei, leistbare Mietwohnungen zusätzlich zum allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen, und das längst nicht nur für besonders finanzschwache Haushalte.
Günstige Darlehen, steuerliche Vorteile
Die entscheidenden Hebel dabei sind die Wohnbauförderung und die Idee der Gemeinnützigkeit. „Während der private Wohnbau starken konjunkturellen Schwankungen unterworfen ist, sorgt der kommunale über günstige Darlehen, steuerliche Vorteile für Gemeinnützige und bevorzuge Zuteilung von öffentlichen Grundstücken für ein konstantes Angebot. In Summe wenden vor allem die Länder hierfür mehrere hundert Millionen Euro jährlich auf“, so der Ökonom Michael Klien, Wohnbau-Experte des Wifo.
Um die Dimensionen deutlich zu machen: In Wien leben rund 60 Prozent der insgesamt zwei Millionen Menschen im geförderten Wohnbau, dessen Anteil am gesamten Wohnmarkt beträgt 43 Prozent, während der Eigentumsanteil bei nicht einmal 20 Prozent liegt, in der Steiermark sind es rund 16 Prozent, wobei hier – typisch für die großen Flächenbundesländer – 57 Prozent im Eigentum leben; in Kärnten liegt das Verhältnis bei 23 zu 55 Prozent. Österreichweit lebt fast jeder Vierte im sozialen Wohnbau.
Schlecht für die Vermögensbildung, gut für die Mietkosten
Der im Vergleich hohe Anteil an Mietern in Österreich wirkt sich zwar im europäischen Vergleich negativ auf die durchschnittliche Vermögenssituation aus, dafür dämpft der hohe Anteil beim geförderten Wohnbau spürbar die Preise auch für den privaten Wohnungsmarkt, wie eine erst kürzlich präsentierte Studie des Wifo zeigt. Allerdings gibt auch Klien zu bedenken, dass Wohnungseigentum eigentlich der wichtigste Hebel sei, um Haushalten einen Vermögensaufbau zu ermöglichen. In Österreich tobt dagegen eine Art politischer Glaubenskrieg, ob Mieter im sozialen Wohnbau ihre Wohnungen nach einer gewissen Zeit auch erwerben können sollen.
Trotzdem profitieren nicht alle im gleichen Ausmaß. Die Kluft bei den Kosten zwischen langjährigen Bestandsmieten und neuen Vertragsverhältnissen, so Wifo-Ökonom Klien, sind in Österreich teilweise enorm. Zudem zielen die Förderregeln auf hohe Bauqualität ab, was das Angebot für günstigen Wohnraum für jüngere Zielgruppen, etwa Studenten und junge Familien, deutlich verschlechtert. Bis in die 1990er Jahre lebten viele Studenten vorübergehend im Substandard, der entsprechend günstig und jedenfalls für die Studienjahre akzeptabel war. Diese Kategorie ist heute weitgehend verschwunden, Studierende müssen in teurere Objekte ausweichen, die erst durch Bildung von Wohngemeinschaften wieder leistbar werden.
Dass der Wohnbau in Österreich in den vergangenen Jahren trotz anhaltend hoher Nachfrage deutlich zurückgegangen ist, liegt daran, dass die Baukosten seit Jahren weit stärker steigen als der Verbraucherpreisindex. Seit 2002 stiegen die Baukosten im Durchschnitt um ein Drittel höher als die Inflation. Die Folgen: Die Zahl der Neubauten, auch im gemeinnützigen Wohnbau, fällt rapide ab, und dies bei einer – vorwiegend durch Zuzug - ungebrochen steigender Bevölkerung. Das Thema leistbares Wohnen wird die Menschen wie die Politik also noch länger umtreiben.