Die größten Gewinner der EU-Wahl sind EU-Kritiker. Die erst vor kurzem aus dem Boden gestampfte britische Brexit Party stellt nach aktuellem Stand künftig 28 Sitze, wie aus der Sitzprognose der BBC am Montag hervorgeht. Genauso viele Abgeordnete schickt laut Prognose des Europaparlaments die EU-skeptische italienische Lega nach Straßburg.
Brexit Party und Lega sind somit die stärksten Einzelparteien im künftigen EU-Parlament. Auf ein Mandat mehr als Brexit Party und Lega, nämlich 29, kommt laut Schätzungen nur die konservative deutsche Union aus CDU und CSU.
Die Ikone der EU-Gegner, Nigel Farage, konnte mit einem einzigen Programmpunkt, einen Hard Brexit durchzusetzen, punkten. Seine Brexit Party gewann im Vergleich zu seiner früheren Unabhängigkeitspartei UKIP mindestens fünf Mandate dazu (23 derzeit). "Am 31. Oktober, wenn die Brexit-Frist ausläuft, ist Schluss", sagte Farage bei Bekanntgabe seines Wahlgewinns im Bezirk Südost.
Ähnlich stark wie Farage schnitt auch die italienische Lega ab. Die Partei des lautstarken rechtspopulistischen Innenministers Matteo Salvini wird laut Schätzungen 28 Sitze im EU-Parlament besetzen. Der medial allgegenwärtige Salvini konnte vor allem wegen seinem harten Kurs in der Migrationspolitik, rückgängigen Verbrechenszahlen und Erfolgen im Kampf gegen die Mafia stark an Popularität zulegen.Ob der unter anderem von der italienischen Lega und der FPÖ betriebene Plan eines Zusammenschlusses der EU-kritischen Parteien aufgeht, ist aber offen. Farage und Salvini kooperieren derzeit nicht im EU-Parlament. Die Brexit Party gehört der Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD) an. Die Lega ist Teil der "Fraktion der Nationen und der Freiheit" (ENF), zu deren Mitgliedern auch die FPÖ und die EU-feindliche Partei der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen zählt.
Die Gewinnerin in Frankreich, Le Pens Rassemblement National (RN/Nationale Sammlungsbewegung), wird laut Prognose 22 Mandate in Straßburg einnehmen. Auch in Polen sind Rechtspopulisten die stärkste Kraft. Die rechtsnationale Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird ebenfalls 22 Sitze im EU-Parlament haben. Sie gehört der dritten EU-kritischen Fraktion im EU-Parlament an, der Konservativen und Reformer (EKR).
Die französische Regierungspartei La République en Marche (LREM) von Staatschef Emmanuel Macron ergatterte 21 Sitze. Sie ist stärkste Partei in der liberalen Fraktion ALDE, die als eine der möglichen Königsmacher des künftigen Kommissionspräsidenten gilt. Die Liberalen konnten laut Schätzungen 38 Mandate dazugewinnen und sind nun nach der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (S&D) drittstärkste Fraktion.
Starke Sozialisten in Spanien
Die stärkste sozialdemokratische Partei kommt aus Spanien. Die sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez wird 20 Abgeordnete ins EU-Parlament schicken. Deutschland trägt am meisten zur Fraktionen der Grünen bei, die europaweit zulegen konnten. 22 Mandate haben die deutschen Wähler der Partei der EU-Spitzenkandidatin Ska Keller eingebracht. Als ein "Signal für mehr Klimaschutz", beurteilte Keller ihren Erfolg.Die Anzahl der Abgeordneten eines EU-Mitgliedslands richtet sich nach der Demografie. Deutschland als bevölkerungsreichster Mitgliedsstaat hat mit 96 Mandaten die Höchstgrenze erreicht. Die Zahl der Abgeordneten ist aber gleichzeitig nicht direkt proportional zu seiner Bevölkerungsgröße. "Degressive Stimmverteilung" heißt die Verteilungsformel, bei der kleinere Länder im Verhältnis überrepräsentiert sind. Abgeordnete eines bevölkerungsreicheren Mitgliedsstaates vertreten mehr Bürger als jene von kleineren Ländern. Ein deutscher Parlamentarier etwa repräsentiert rund 850.000 Bürger und damit mehr als 13 Mal so viele Wahlberechtigte wie sein maltesischer Kollege (ca. 65.000).
Im Vertrag von Lissabon wurde die Höchstzahl der Sitze im EU-Parlament mit 751 festgelegt, um das Haus noch arbeitsfähig zu halten. Mit dem EU-Austritt Großbritanniens haben die 73 britischen Abgeordneten ein Ablaufdatum. Nach dem Brexit wird die Zahl der Volksvertreter der 27 EU-Mitglieder auf 705 sinken. Österreich erhält dann ein Mandat dazu. Österreich stellt derzeit 18 Mandate, nach dem Brexit sollen es 19 Mandate sein.