Bei der insgesamt viertägigen Europawahl haben die beiden großen Parteienfamilien am Sonntag ihre gemeinsame Parlamentsmehrheit verloren. Die Europäische Volkspartei (EVP) blieb stärkste Kraft, als EU-Kommissionspräsidentin brachte sich aber die Liberale Margrethe Vestager in Stellung. Nach einer aktualisierten Sitzprognose des Europaparlaments kam die EVP auf 179 der 751 Mandate im Europaparlament, die Sozialdemokraten erreichten 152 Mandate. Gemeinsam fehlen den beiden großen Fraktionen damit 45 Sitze auf die absolute Mehrheit.

Es war ein nicht nur für Europa spannender Tag. Für Österreich war es innenpolitisch wohl einer der spannendsten Tage der Zweiten Republik. Mehr zum heutigen Misstrauensantrag im Nationalrat finden Sie hier.

Das Wichtigste zur EU-Wahl in Kürze:

Polit-Beben nach der EU-Wahl: Die Ereignisse des Tages im Live-Ticker zum Nachlesen

21.40 Uhr: EU-Gipfel am morgigen Dienstag in Brüssel - worum es dabei geht

Zwei Tage nach der EU-Wahl kommen in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Dienstag zu ersten Beratungen über EU-Top-Posten zusammen.

Zu dem informellen Abendessen hat EU-Ratspräsident Donald Tusk eingeladen. Nach Angaben von Diplomaten ist bei dem informellen Gipfel noch keine Entscheidung zu erwarten. Die Ernennungen stehen beim nächsten regulären EU-Gipfel Mitte Juni wieder auf der Tagesordnung. Die Staats- und Regierungschefs müssen ein umfangreiches Personalpaket schnüren: Sie entscheiden bei der Ernennung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten (derzeit Jean-Claude Juncker) mit. Ebenso müssen die Posten des nächsten EU-Ratspräsidenten (derzeit Tusk), des EZB-Chefs (derzeit Mario Draghi), des EU-Außenbeauftragten (derzeit Federica Mogherini) entschieden werden. Das EU-Parlament wählt im Juli außerdem einen neuen Parlamentspräsidenten (derzeit Antonio Tajani).

Von etlichen Seiten hieß es in Brüssel bereits, die Posten seien eigentlich nur im Paket zu klären. Dabei müsste eine feine Balance zwischen Nord, Süd, West und Ost, zwischen den Parteienfamilien sowie Geschlechterparität gefunden werden.

21.25 Uhr: Schnelle Entscheidungen gefragt

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht sich für eine schnelle Entscheidung für einen neuen EU-Kommissionspräsidenten aus. "Die Union und die Sozialdemokraten stehen zu dem Konzept des Spitzenkandidaten", sagte Merkel in Berlin.

Diese Position werde die Koalition auch in den Europäischen Rat einbringen, der dem EU-Parlament einen Kandidaten für den Posten vorschlagen muss, fügte Merkel hinzu. Zuvor hatten die Koalitionsspitzen in Berlin über den Ausgang der EU-Wahl am Sonntag beraten.

Die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD gehören im EU-Parlament unterschiedlichen Parteifamilien an. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) war mit ihrem deutschen Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) in die Wahl gegangen, die Sozialdemokraten mit dem Niederländer Frans Timmermans. Beide Parteiengruppen beanspruchten auch nach der Wahl trotz Verlusten den Posten des Kommissionspräsidenten für sich.

Konservative und Sozialdemokraten wurden bei der Wahl wieder stärkste und zweitstärkste Fraktion im Europaparlament. Beide büßten nach den vorläufigen Ergebnissen aber rund ein Fünftel ihrer bisherigen Mandate ein. Es wäre "wünschenswert", wenn bis zur Konstituierung des neuen EU-Parlaments Anfang Juli ein Vorschlag des Europäischen Rates vorliegen würde, sagte Merkel. "Denn eins ist auch klar, wir müssen handlungsfähig sein in der Europäischen Union", sagte sie.

20.20 Uhr: Nahles stellt sich vorzeitig der Neuwahl

Nach dem Desaster für die deutschen Sozialdemokraten (SPD) bei der Europawahl will sich Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles in der Fraktion vorzeitig zur Neuwahl stellen. Sie schlage den Gremien ihrer Fraktion eine vorgezogene Abstimmung schon in der kommenden Woche vor, sagte Nahles am Montagabend im ZDF. "Wenn ich da herausgefordert werde, dann gehe ich mit offenem Visier vor", sagte Nahles. Die Wahlen zum Fraktionsvorsitz standen eigentlich erst im Herbst an. Die Partei- und Fraktionsvorsitzende sucht damit die Machtprobe mit möglichen Widersachern.

19.45 Uhr: Juso-Chef warnt vor Personaldebatte

Nach dem Wahldebakel der deutschen Sozialdemokraten hat Juso-Chef Kevin Kühnert vor Personaldebatten gewarnt. "Wer aus diesem Ergebnis wieder nur Personaldiskussionen zieht, hat nicht verstanden, was gestern passiert ist", sagte Kühnert "Spiegel Online". Die SPD drohe "den Anschluss an riesige Wählermilieus zu verlieren, politisch und kulturell - nicht nur bei Jugendlichen!"

Dies sei mit einer Personalentscheidung nicht zu beheben. Die dominierenden Themen der vergangenen Wochen seien Digitalpolitik und Klimaschutz gewesen, sagte Kühnert. "Zu beidem hat die SPD in der Wahrnehmung vieler Menschen ein völlig ungeklärtes Verhältnis." Er warf seiner Partei vor, Konflikten aus dem Weg zu gehen, "weil sie quer durch Partei und Wählerschaft" gingen. "In der Konsequenz heißt das aber: Wir finden schlicht nicht statt."

Die SPD tue so, "als sei die Klimapolitik Verhandlungsmasse, die man mit anderen Regierungsvorhaben vermixen kann", kritisierte der Juso-Chef. Zugleich warnte Kühnert seine Partei: "Einen Sympathiewettbewerb mit den Grünen beim Klimaschutz werden wir nicht gewinnen."

17.50 Uhr: Die Warnung des Papstes

Angesichts der Zugewinne rechtspopulistischer Parteien bei der Europawahl hat Papst Franziskus vor einem Anstieg von Intoleranz und Rassismus gewarnt. Der Umgang mit Flüchtlingen und Migranten sage viel über "die Gegenwart und Zukunft der menschlichen Familie" aus, führte der Papst aus. Er beklagte, dass die Welt Ausgeschlossenen zunehmend mit "Gleichgültigkeit" begegne.

16.01 Debatte um SPD-Führung

Das Desaster der SPD - man landete bei der Wahl hinter den Grünen - hat nun auch eine Personal-Debatte zur Folge. Mandatare fordern eine Klärung über die Zukunft von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. "Ich beantrage eine Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion zur Nachbereitung der Europawahl", heißt es in einem Schreiben des Abgeordneten Michael Groß an Fraktionsvize Achim Post. Es gehe ihm nicht darum, jemanden zu stürzen, erläuterte Groß in seinem Schreiben, er wolle aber, "dass man nicht über uns redet, sondern mit der Fraktion". Als mögliche Kandidaten für ihre Nachfolge gelten der NRW-Landesgruppenchef Post, Ex-SPD-Chef Martin Schulz und der Parteilinke Matthias Miersch.

15.12 Zweiter Sitz für Satire-Projekt "Die Partei"

Die Europawahl ist auch die Wahl der Kleinparteien. In Deutschland schaffte es "Die Partei" des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Martin Sonneborn einen zweiten Sitz im EU-Parlament zu erringen. Das Wahlprogramm der Partei: „Ossi-Quote in Führungspositionen“ oder „Artenschutz für die SPD". Die Listenerstellung erfolgte einigermaßen kurios, werden in erster Linie Kandidaten geführt, die die Namen ehemaliger NS-Größen tragen, wie Speer, Göbbels, Eichmann oder Keitel.

14.58 Silvio Berlusconi geht nach Brüssel

Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi zieht als meistgewählter italienischer Kandidat ins EU-Parlament ein.

Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi © APA/AFP/MIGUEL MEDINA

Mit 527.000 Vorzugsstimmen ist der 82-jährige Chef der rechtskonservativen Forza Italia der Kandidat mit den meisten Vorzugsstimmen in Italien hinter Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini. Dieser bekam 2,2 Millionen Stimmen, verzichtet aber auf das Mandat. Der 82-jährige Berlusconi hat in den vergangenen Monaten bereits eine Wohnung in Brüssel gekauft, um längere Zeit dort zu verbringen. 

14.15 Rechtskonservativer Sieg in Slowenien

Die acht slowenischen EU-Mandate sind nun jeweils zur Hälfte zwischen Parteien rechts und links der Mitte aufgeteilt, bisher fiel das Verhältnis mit fünf zu drei zugunsten der Rechtsparteien aus. Stärkste Partei ist de SDS von Ex-Ministerpräsident Janez Jansa. Für die Liste Marjan Sarec (LMS) des gleichnamigen Ministerpräsidenten, gab es 15,6 Prozent. Hier gab es einen positiven Sarec-Effekt. Die Kärntner Slowenin Angelika Mlinar, bisher Mandatarin für die NEOS, kandidierte ebenfalls im Nachbarland. Ihr gelang immerhin ein Achtungserfolg.

13.50 Spanien: Parlamentssitz oder Festnahme

Der seit gut eineinhalb Jahren in Belgien im Exil lebende katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont hat einen Sitz im Europaparlament errungen. Nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 in der Konfliktregion im Nordosten Spaniens floh der damalige Regionalpräsident nach Belgien.

Ob und wie Puigdemont sein Mandat antreten kann, war zunächst unklar. Nach spanischem Wahlrecht müssen alle gewählten Europaabgeordneten vor Mandatsantritt in Madrid auf die Verfassung schwören. Bei einer Einreise in Spanien würden dem Ex-Journalisten aber eine Festnahme, ein Prozess wegen Rebellion und bis zu 30 Jahre Haft drohen. Puigdemont kündigte an, er werde die Auflage des spanischen Wahlrechts beim Europäischen Gerichtshof anfechten.

13:15 Salvini will EU-Regeln ändern

Italiens rechte Regierungspartei Lega feiert bei der EU-Wahl einen historischen Wahlsieg. Die Partei von Innenminister Matteo Salvini erreichte laut Endergebnissen vom Montag 34,3 Prozent der Stimmen. Wahlsieger Salvini kündigte nach dem klarer Sieg seiner Partei Lega am Montag an, sich in Brüssel für eine Neuverhandlung der EU-Regeln einsetzen zu wollen. "Wir haben das Mandat von neun Millionen Wähler erhalten, alte und überholte EU-Parameter neu zu verhandeln", sagte er bei einer Pressekonferenz in Mailand. Zur Förderung des Wachstums müsse Italien mehr ausgeben können. Er erhoffe sich dabei die Unterstützung anderer rechtspopulistischen Parteien Europas. Die Lega will einen EU-Kommissar aus den eigenen Reihen nach Brüssel entsenden

12.30 Die Grünen gewannen 18 Sitze

Für die Grünen waren diese Wahl ein Comeback - nicht nur in Österreich. In Summe erreichen die Grünen ein Plus von 18 Sitzen im EU-Parlament. In Deutschland erreichten sie ein Plus von rund zehn Prozent im Vergleich zu den EU-Wahlen 2014 und katapultierten sich damit auf den zweiten Rang - mit einem guten Vorsprung auf die mitregierenden Sozialdemokraten, denen sie auch die meisten Stimmen abknöpften. Bemerkenswert ist auch der zweite Platz der Grünen in Finnland: Dort fuhren sie ein Rekordergebnis ein und werden mit 16 Prozent Stimmenanteil als zweitstärkste Kraft hinter den Konservativen. In Frankreich liegen sie mit 13,4 Prozent auf Platz drei - hinter den Parteien von Marine Le Pen und Emmanuel Macron. In Irland schafften die Grünen mit 15 Prozent erstmals seit 20 Jahren den Einzug ins EU-Parlament, aus den EU-Ländern Südosteuropas schicken die Grünen - sofern dort überhaupt vorhanden - keine Abgeordneten nach Brüssel und Straßburg.

11.24 Geert Wilders' Partei fliegt aus dem EU-Parlament

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hat bei der Europa-Wahl eine herbe Schlappe erlitten. Seine "Partei für die Freiheit" (PVV) wird nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten sein, wie aus dem vorläufigen Endergebnis hervorgeht. Die Partei war bisher mit vier Sitzen vertreten, erzielte nun aber diesmal nur rund 3,5 Prozent der Stimmen - zu wenig für ein Mandat. Kurioserweise wird die Wilders-Partei, die den Austritt der Niederlande aus der EU will, vom Brexit profitieren. Wenn Großbritannien die EU tatsächlich verlässt, werden die Niederlande drei zusätzliche Mandate bekommen - eines davon kommt der PVV zu. Von den Verlusten der Wilders-Partei profitierte der neue Shooting-Star des rechten Szene der Niederlande, Thierry Baudet. Sein "Forum für Demokratie" erzielte drei Mandate, vor fünf Jahren existierte die Partei noch nicht.

11.09 Weber stellt ebenfalls Führungsanspruch

Manfred Weber
Manfred Weber © APA/GEORG HOCHMUTH

Der Spitzenkandidat der Konservativen bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), hat nach der Wahl die anderen bürgerlichen Fraktionen zur Kompromissfähigkeit aufgerufen. Was jetzt wichtig sei, "ist der Wille zum Kompromiss". Der deutsche Politiker will deshalb noch am Montagabend in Brüssel zusammen mit der EVP mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen Gespräche starten. Weber schloss aus, im europäischen Parlament mit Links- oder Rechtsextremen zusammenzuarbeiten. Es werde da weder Gespräche noch eine Zusammenarbeit geben. Trotz der Verluste der EVP pochte Weber darauf, dass seine Fraktion den kommenden Präsidenten der Europäischen Kommission stellen wird. Eine Mehrheit für einen Kommissionspräsidenten, der nicht Spitzenkandidat war, schloss Weber aus.

11.00 Aufregung um Parteifarbe der FPÖ

Für Irritationen unter Freiheitlichen sorgt ein Beitrag der ARD-Tagesschau. Darin wird der Stimmbalken der FPÖ braun dargestellt. Der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Leo Kohlbauer nannte das Video auf Twitter einen "Angriff aus Deutschland auf unsere Demokratie".Die AfD erhielt von der ARD-Tagesschau übrigens einen blauen Balken, die ÖVP wurde traditionell mit einem schwarzen Balken dargestellt. 

10:40 Die Liberalen werden zum Königsmacher

Margrethe Vestager will Kommissionspräsidentin werden
Margrethe Vestager will Kommissionspräsidentin werden © AP

Bisher gab es bei EU-Wahlen eine Konstante: Die Fraktionen der Volksparteien und der Sozialdemokraten erreichten gemeinsam eine absolute Mehrheit und konnten somit über den Kommissionspräsidenten entscheiden. Nach dem guten Abschneiden der EU-Kritiker quer über den Kontinent - die Brexit Party und die Lega dürften die größten Einzelfraktionen werden - schlägt nun die Stunde der Liberalen. Denn erst mit deren Sitzen erlangen die EVP und die Sozialdemokraten eine Mehrheit. Die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat klare Ansprüche auf den Kommissionschefposten bekräftigt. „Das Machtmonopol ist aufgebrochen“, sagte Vestager in der Nacht auf Montag in Brüssel. Die Wahl sei „ein Signal für den Wandel“.

10:05 Uhr: Kräfteverhältnis in der Koalition in Rom umgekehrt

Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte die EU-Wahl zum "Referendum" über die Regierungspolitik ausgerufen. Tatsächlich wurde die Wahl zu einem Plebiszit für Salvini. Seine rechtspopulistische Partei, die vor einem Jahr als Juniorpartner in eine Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung eingestiegen war, verdoppelte ihre Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen im März 2018 und rückt zur stärksten Einzelpartei Italiens auf.

Für Salvini, der in den vergangenen Wochen eine zermürbende Wahlkampftour von den Alpen bis Sizilien geführt hatte, könnte der Triumph nicht größer sein. Der 46-jährige Mailänder, der Ende 2013 die Führung einer nach zahlreichen Skandalen zerrüttenden Partei übernommen hatte, konnte das Ergebnis gegenüber den EU-Wahl 2014 fast versechsfachen. Innerhalb eines Jahres kehrte er das Kräfteverhältnis in der Koalition in Rom um. War die Lega bisher mit 17 Prozent die zweitstärkste Regierungspartei, so kann der bereits bisher dominierende Salvini mit jetzt fast 35 Prozent der Stimmen beinahe in Alleinregie die Agenda in Rom diktieren.

09:27 Uhr: Hofer: FPÖ wird Misstrauensantrag "wohl zustimmen"

Die FPÖ hat ihre Entscheidung für den Misstrauensantrag am Montagvormittag getroffen. Mehr dazu hier.

09:58 Uhr: Internationale Pressestimmen zur EU-Wahl

"La Repubblica" (Rom):

"Von den Souveränisten zum Referendum gegen die EU aufgerufen, haben die Europäer - außer in Italien und in Frankreich - die Geister zurückgewiesen, die sich bedrohlich auf dem Kontinent ausgebreitet haben. Ein Trend zur Wahlabstinenz hat sich umgekehrt. Mehr als die Hälfte der 430 Millionen Wahlberechtigten ist an die Urnen gegangen. Viele Junge waren darunter. Wenn Europa heute gerettet ist, ist das auch und vor allem deren Verdienst.""de Volkskrant" (Amsterdam):

"Ein Schlag gegen das proeuropäische Lager ist die Niederlage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er präsentierte sich als Fahnenträger im Kampf gegen Nationalismus und Populismus. Macron gegen (Matteo) Salvini (und seine rechte Lega in Italien), aber er wird von (der Rechtspopulistin Marine) Le Pen besiegt. Die vom französischen Präsidenten so stark propagierte "Wiedergeburt" Europas scheint in seinem eigenen Land die schwierigste Geburt zu werden. Das, was von Macron als nationalistisches Gespenst betrachtet wird, ist noch lange nicht besiegt. Schon allein deshalb, weil Gegner Salvini der große Gewinner in Italien ist, einem anderen großen EU-Land."

09:29 Uhr: Strache beklagt "miese kriminelle Intrige"

Für den ehemaligen FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist das Abschneiden der FPÖ bei der EU-Wahl "angesichts des niederträchtigen Dirty-Campaignings ein mehr als respektables Ergebnis".

"Wir bleiben weiterhin an der Klärung dieses Kriminalfalles dran! Jeder Mittäter und die Auftraggeber werden hoffentlich auffliegen und ihre gerechte Strafe bekommen!", heißt es in dem Posting in bezug auf die Ibiza-Affäre weiter. Zur Erinnerung: Das Ibiza-Video: "Drei, vier Leute, die müssen abserviert werden"

08:59: Salvini ist der neue starke Mann

War die Lega bisher mit 17 Prozent die zweitstärkste Regierungspartei, so kann der bereits bisher dominierende Matteo Salvini mit jetzt fast 35 Prozent der Stimmen beinahe in Alleinregie die Agenda in Rom diktieren. Eine Analyse zum Aufstieg des Innenministers lesen Sie hier.

08:44: Kaczynski-Partei noch stärker als erwartet

In Polen ist die rechtsnationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgegangen. Wie die Behörden in Warschau am Montagmorgen nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen mitteilten, bekam die Partei von Jaroslaw Kaczynski 46 Prozent der Stimmen. Nachwahlbefragungen hatten sie noch bei gut 42 Prozent gesehen.

Das pro-europäische Bündnis aus mehreren Oppositionsparteien kam den Teilergebnissen zufolge auf fast 38 Prozent. Die neu gegründete progressive Frühlingspartei bekam demnach sechs Prozent der Stimmen.

Ein Bündnis aus mehreren rechtsextremen Parteien scheiterte mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde

08:39: SPD-Linke fordert "Kapitalismusdebatte" für Fortsetzung der Koalition

Der linke Flügel der SPD knüpft nach der Europawahl die Fortsetzung der Koalition mit der CDU/CSU in Deutschland an Bedingungen. "Wir können bei zentralen Themen keine Blockaden durch CDU und CSU mehr dulden", zitiert der "Spiegel"  aus einem gemeinsamen Positionspapier von Parteivize Ralf Stegner, Fraktionsvize Matthias Miersch und Juso-Chef Kevin Kühnert.

07:44: Rumäniens regierende Sozialdemokraten verlieren

In Rumänien haben die regierenden Sozialdemokraten (PSD) die Europawahl verloren. Die Partei unter dem Vorsitz des vorbestraften Liviu Dragnea kam auf 23,39 Prozent der Stimmen, wie die zentrale Wahlbehörde in Bukarest am Montag nach Auszählung fast aller Stimmzettel mitteilte. Drei miteinander konkurrierende Oppositionsparteien erreichten zusammen 54,8 Prozent.

Die bürgerliche Partei PNL liegt mit 26,8 Prozent vorne, gefolgt vom öko-bürgerlichen Bündnis USR-Plus mit 21,39 Prozent. Die linke Oppositionspartei Pro Romania des früheren Ministerpräsidenten Victor Ponta kam auf 6,61 Prozent.

Beobachter rechnen nun damit, dass Dragnea von eigenen Parteifreunden gestürzt wird. Auf Dragneas Betreiben hat Rumänien Justizgesetze geändert, die nach Ansicht von Kritikern - darunter die EU - korruptionsverdächtigen Politikern helfen. Dragnea selbst steht wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch vor Gericht.

07:35 Mehr als die Hälfte der FPÖ-Wähler bei Nationalratswahl wählte gestern nicht

07: 30 SPÖ misstraut auch neuen Expertenministern

SPÖ-Chefin Pamela-Rendi Wagner droht im Morgenjournal abermals, einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung einzubringen, statt nur den Jetzt-Antrag gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur unterstützen. Auch die erst vergangene Woche ernannten Expertenminister sind von dem SPÖ-Antrag umfasst.

07:11 Uhr: Erstmals kein Kärntner im EU-Parlament

Der "Erdrutschsieg der ÖVP auch in Kärnten" (Parteichef Martin Gruber) mit dem satten Plus von 9,35 Prozent bedeutet dennoch kein Mandat für die Kärntner Spitzenkandidatin Claudia Wolf-Schöffmann. Sie ist auf Platz zehn der Bundesliste gereiht. Die ÖVP erlangte sieben Mandate (plus zwei).

Auch die anderen Kärntner Spitzenkandidaten, nämlich Luca Kaiser (SPÖ), Elisabeth Dieringer-Granza (FPÖ), Olga Voglauer (Grüne) und Christian Pirker (Neos) gehen wegen ihrer Reihungen auf den Bundeslisten leer aus - ganz unabhängig vom Wahlergebnis. Die KPÖ mit Cristina Tamas schafften auch diesmal den Einzug ins EU-Parlament nicht.

Für Kärnten ist es damit die erste Periode seit dem EU-Beitritt Österreichs, dass kein Mandatar im EP vertreten ist.

Gleich Montag Vormittag tagt der Kärntner SPÖ-Parteivorstand mit Landesparteichef Peter Kaiser. Er war bei der nächtlichen Präsidiumsitzung der Bundespartei nicht dabei, sondern nur via Videokonferenz von Klagenfurt aus zugeschaltet. Die Analyse des Wahlergebnisses steht im Zentrum der Parteisitzung in Klagenfurt. Das Minus von 2,8 Prozent fiel höher als auf Bundesebene aus. Fraglich ist, ob die Kärntner Spitzenkandidatur von Luca Kaiser, dem Sohn des Landeshauptmannes, für Nachwehen bzw.  Nachbesprechungen sorgen wird. Die Kärntner Roten hatten sich nach dem Ibiza-Video jedenfalls erwartet, dass sie bei der EU-Wahl profitieren und nicht zum Verlierer werden. Das war bereits am Wahlabend in der Parteizentrale in Klagenfurt zu hören.

Kämpferisch gibt sich ob des Wahlergebnisses der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann. "Wir haben uns auf gutem Niveau gefestigt, von dem aus wir angreifen können." Mit dem designierten Bundesparteichef und Nationalratswahl-Spitzenkandidaten Norbert Hofer werde man  eine  "bodenständige Politik mit Hausverstand und Visionen für Österreich leben", kündigt Darmann an. Der Kärntner Parteivorstand wird am 3. Juni tagen, nach den Bundesgremien. Über die Kärntner Spitzenkandidatur werde aber erst "zeitnah vor der Nationalratswahl entschieden".

Bereits diesen Mittwoch tagen die Parteigremien der Kärntner ÖVP, kündigt Parteichef Martin Gruber an. Die Analyse des Wahltages ist angesagt. Über die Spitzenkandidatur und Liste für die Natioalratswahl werde erst nach der Bezirkstour Mitte Juli entschieden.

Diesen Dienstag sind auch bei den Kärntner Grünen Parteisitzungen angesagt. Interims-Parteichefin Margit Motschiunig sieht die Partei mit  dem EU-Ergebnis  und der wiedererlangten Landtagsstärke im Aufwind. "Wir konnten unsere Leute voll motivieren, zu laufen. Es war ein sehr erfolgreicher Wahlkampf. Jetzt müssen wir auf diesem Hype bleiben."  Bereits Ende Juni soll es nun die Landesversammlung der Kärntner Grünen mit einer Neuaufstellung geben. Auch der Vorstand der Klagenfurter Grünen soll Ende Juni neu gewählt werden.

07:00 Uhr: Wahlbeteiligung extrem angestiegen 

Die innenpolitischen Turbulenzen nach dem "Ibizagate" der FPÖ haben eine erstaunliche Wirkung gezeigt: Die Wahlbeteiligung ist in Österreich extrem gestiegen. Schon im vorläufigen Endergebnis (also der Urnenwahl) kam sie auf 50,6 Prozent. Mit rund 572.000 Briefwahlstimmen, die erst heute Montag ausgezählt werden, wird sie laut Hochrechnung der ARGE Wahlen fast 59 Prozent erreichen. Das sind um 13,4 Punkte mehr als 2014.

06:57 Uhr: Tsipras ruft nach Europawahl-Schlappe Neuwahlen in Griechenland aus

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat nach Stimmenverlusten seiner linken Partei SYRIZA bei der Europawahl vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Tsipras sagte am Sonntagabend, Neuwahlen könnten bereits Ende Juni stattfinden. Er zog mit dem Schritt die Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden seiner Regierungspartei bei der Europawahl am Sonntag. Planmäßig hätte die Parlamentswahl in Griechenland erst im Oktober stattgefunden.

06:55 Uhr: Lega in Italien mit 34,9 Prozent auf Rekordhoch

Für die rechte Regierungspartei Lega zeichnet sich in Italien ein Rekordhoch ab. Die Partei von Innenminister Matteo Salvini erreichte nach fast kompletter Stimmenzählung 34,9 Prozent. Damit verdoppelte die Lega ihre Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen im März 2018. Bei den EU-Wahlen 2014 hatte die Lega lediglich sechs Prozent der Stimmen erhalten. Innenminister Salvini: "Heute ist ein neues Europa entstanden, wir werden eine neue europäische Renaissance erleben, die auf Beschäftigung, Rechten und Sicherheit basiert", meinte Salvini in Anspielung auf den Erfolg von Marine Le Pens "Rassemblement National" (RN) in Frankreich und von Nigel Farages Brexit-Party in Großbritannien. Er berichtete, dass er mit Le Pen und mit Ungarns Premier Viktor Orban telefoniert habe. "Mit ihnen will ich ein neues Europa aufbauen", sagte Salvini bei einer Pressekonferenz in Mailand in der Nacht auf Montag.

06:42 Uhr: "Manfred Weber hat kaum Chancen"

Zahlreiche Tageszeitungen kommentieren heute die Europawahl:

"Tages-Anzeiger" (Zürich, Online-Ausgabe):

"Die Fragmentierung wird es schwieriger machen, in Zukunft Mehrheiten zu finden. Das wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen, wenn es um das Schicksal der Spitzenkandidaten bei der Europawahl geht. (...)

Die Konservativen bleiben zwar trotz Verlusten Nummer eins. (EVP-Spitzenkandidat) Manfred Weber hat aber kaum Chancen, im neuen EU-Parlament eine Mehrheit zu bekommen und den Anspruch auch gegenüber den Staats- und Regierungschefs durchsetzen zu können."

"New York Times":

"Die größten Auswirkungen werden wohl viel mehr genau dort zu spüren sein, wo es den Rechtsaußen- und Populisten-Führern am liebsten ist: in ihren Heimatländern, vor allem in Frankreich und Italien, wo sie damit drohen, das traditionelle Parteiensysteme weiter zu stören und Macht zu erringen. Seit Monaten haben sie diese Wahlen als Lackmustest ihrer Beliebtheit beworben."

"Le Figaro" (Paris):

"Für Marine Le Pen ist es ein symbolischer Sieg (...), der vor allem ihre erniedrigende Niederlage gegen Emmanuel Macron (bei der französischen Präsidentenwahl) vor zwei Jahren ausgleicht. Für den Staatschef ist das Wichtige aber woanders. Die vom ihm vorhergesagte, gewollte und organisierte politische Neuaufstellung hat einen (...) entscheidenden Erfolg verzeichnet. (...) Zwischen Macron und Marine Le Pen gibt es nichts mehr (...)."

06:30 Uhr: Wie geht es jetzt weiter?

Der erste Härtetest für das Parlament steht schon in dieser Woche bei der Besetzung des EU-Kommissionschefpostens an. Schon am Dienstag kommen die Staats- und Regierungschefs  zu einem informellen Gipfel zusammen, das Rennen um die Kommissionsspitze wird spannend. Die viertägige EU-Wahl brachte nämlich etliche Überraschungen mit sich:

  • Die ehemaligen Volksparteien - die Christdemokraten und die Sozialdemokraten - sind die großen Verlierer, ihre inoffizielle Große Koalition in Europa ist zu Ende.
  • Rechte und rechtsradikale Parteien legten zu. Die von ihnen erhoffte "Zeitenwende" bleibt aber aus.
  • Die "kleineren" Parteien sind klarer Wahlsieger, Liberale und Grüne legten deutlich zu.

Innenpolitisch dreht sich heute alles um die Sondersitzung im Parlament. Lesen Sie dazu den Leitartikel von Hubert Patterer: Auf die Wahlpleite der SPÖ folgte die nächtliche Verzweiflungstat

06:13 Uhr: Brexit Party größte Einzelpartei im EU-Parlament

Ausgerechnet die Brexit Party des EU-Gegners Nigel Farage wird die größte Einzelpartei im neuen Europaparlament. Sie erhielt bei der Europawahl in Großbritanniens mindestens 28 Mandate, geht aus in der Nacht auf Montag von der BBC veröffentlichten Ergebnissen hervor. Die Zahl könnte noch steigen, weil noch neun Mandate in Schottland und Nordirland zu vergeben waren.

Demnach kam die Brexit Party auf 31,6 Prozent der Stimmen oder 28 Sitze, gleich viel wie die Lega des italienischen Vizepremiers Matteo Salvini und um fünf mehr als die CDU der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.

06:10 Uhr: Grüne erstmals in Deutschland auf Platz zwei

Die Union ist bei der Europawahl in Deutschland nach dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters trotz Verlusten stärkste Kraft geworden. CDU und CSU erzielten gemeinsam 28,9 Prozent, wie am frühen Montagmorgen aus der Auszählung aller Wahlkreise hervorging. Das sind mehr als sechs Prozentpunkte weniger als bei der Europawahl 2014.

Die Grünen kamen mit 20,5 Prozent erstmals bei einer bundesweiten Wahl auf den zweiten Platz. Die SPD verlor stark und landete bei 15,8 Prozent (2014: 27,3 Prozent). Die AfD erzielte 11,0 Prozent (2014: 7,1 Prozent). Die Linkspartei kam auf 5,5 Prozent (2014: 7,4 Prozent), die FDP auf 5,4 Prozent (2014: 3,4 Prozent). Außenpolitik-Redakteur Ingo Hasewend hat die Situation in Deutschland skizziert: Große Koalition in Berlin bricht massiv ein - Weber stellt trotzdem Machtanspruch

05:45 Uhr: Der Regierung droht die Abwahl 

Nur einen Tag nach dem Triumph der ÖVP bei der EU-Wahl könnte Sebastian Kurz seinen Kanzlersessel verlieren. Weil der ÖVP-Chef seit der Aufkündigung der Koalition mit der FPÖ ohne Parlamentsmehrheit da steht, droht ihm bei der Sondersitzung des Nationalrats am heutigen Montag ein Misstrauensantrag. Die SPÖ will die gesamte ÖVP-Minderheitsregierung abwählen. Ob der Antrag durchgeht, liegt nun an der FPÖ.

Dass die Freiheitlichen Kurz nicht mehr vertrauen, haben sie bereits klar gemacht. Die Unterstützung der von SPÖ und Liste JETZT angekündigten Misstrauensanträge ließ Parteichef Norbert Hofer am jedoch Abend offen. "Ich habe eine klare Tendenz", sagte der designierte FP-Obmann, verwies aber auf die Beratungen in der blauen Klubsitzung am Montagvormittag.

05:40 Uhr: Aus dem Inneren der EU

Wie unser Europa-Korrespondent Andreas Lieb den spannenden Wahltag erlebt hat, lesen Sie hier

5.30 Uhr: Eine Analyse

Die Kleine Zeitung-Innenpolitik-Redakteure Claudia Gigler, Michael Jungwirth und Georg Renner haben noch in der Nacht den Wahlausgang analysiert:

05:25 Uhr: SPÖ verlor massiv an Grüne

Die SPÖ verlorlaut Wählerstromanalyse von ORF/SORAjede 10. Stimme der Wahl 2017 an die Grünen (130.000 Wähler) - und auch der Abfluss in Richtung ÖVP war groß: 7 Prozent bzw. 96.000 Wähler wanderten an die Türkisen von Sebastian Kurz.

05:15 Uhr: ÖVP mobilisierte am stärksten

Im Vergleich mit der EU-Wahl 2014 zeigte die ÖVP die beste Mobilisierung ihrer damaligen Wähler: 90 Prozent davon entschieden sich erneut für die Volkspartei. Die SPÖ konnte 85 Prozent ihrer Wähler der letzten EU-Wahl wieder gewinnen, die FPÖ hingegen nur 69 Prozent. Die Grünen mobilisierten 75 Prozent ihrer Wähler von 2014 und die NEOS 61 Prozent.

05:00 Uhr: ÖVP holte SPÖ- und FPÖ-Stimmen

Das gute Abschneiden der ÖVP bei der EU-Wahl 2019 spiegelt sich auch in der Wählerstromanalyse von ORF/SORA wider (Hier gibt's die Details zu den Wählerströmen). Im Vergleich mit der Nationalratswahl 2017 konnte die Volkspartei 69 Prozent ihrer Wähler halten. Zusätzlich holte sie rund 96.000 Stimmen von der SPÖ und 62.000 von der FPÖ.