Immer wieder erschallten in der ÖVP-Zentrale "Kanzler Kurz"-Sprechchöre. Die Volkspartei sei im Team angetreten, so ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. Spitzenkandidat Othmar Karas und Listenzweite Karoline Edtstadler hätten Großartiges geleistet. Kurz habe sich dann in den letzten zwei Wochen intensiv in den Wahlkampf eingebracht, reklamierte Nehammer den Erfolg auch für den Parteichef.
Auch Familienministern Juliane Bogner-Strauß, die Nehammer nach Erscheinen der Trendprognose umarmt hatte, bezeichnete den sich abzeichnenden Erfolg als "Belohnung für die Arbeit, die wir geleistet haben". "Es zeigt, dass wir gut gearbeitet haben."
Die ÖVP legt bei der EU-Wahl deutlich mehr zu als alle Umfragen vor dem FPÖ-"Ibizagate" erwarten ließen. Laut APA/ORF/ATV-Trendprognose kann die ÖVP mit dem größten Plus und dem höchsten Stimmenanteil aller Parteien bei den nunmehr sechs EU-Wahlen rechnen.
Somit hat die ÖVP der SPÖ nicht nur nachhaltig - zum dritten Mal in Serie - Platz 1 abgenommen, sondern auch den EU-Rekord. Der lag bisher bei den 33,33 Prozent, die die SPÖ im Jahr 2004 holte. Damals gab es ebenfalls schwere Turbulenzen der schwarz-blauen Regierung - aber die SPÖ profitierte davon mit einem leichten Plus und der klaren Verteidigung von Platz 1 gegenüber der ÖVP.
Die ÖVP wertet das Ergebnis erwartungsgemäß als "starkes Vertrauensvotum für Kanzler Sebastian Kurz, der für Stabilität und Handlungsfähigkeit" gewertet, sagte Generalsekretär Karl Nehammer im ORF in Anspielung auf das bevorstehende Misstrauensvotum gegen Kurz im Nationalrat. Er sprach in einer ersten Reaktion von einem "guten Tag für Österreich und Europa".
Der heutige Triumph ist wohl nicht wirklich der Europapolitik der ÖVP und auch nicht dem Spitzenkandidaten Othmar Karas gedankt - sondern der Tatsache, dass Kurz und die Volkspartei innenpolitisch den Regierungscrash zu ihrem Vorteil nutzten. Laut der Prognose kann die ÖVP - die 2014 auf 26,98 Prozent kam - heute mit einem Plus von 7,5 Prozentpunkten auf 34,5 Prozent rechnen. Das ist sehr viel mehr als die Umfragen vor Auftauchen des Ibiza-Videos zeigten: Da lag die ÖVP meist knapp unter, selten über 30 Prozent; 31 Prozent waren das höchste, was der ÖVP prognostiziert wurde.