Am Samstag sind die Bürger in Lettland, Malta und der Slowakei zur Abstimmung aufgerufen. In Tschechien, wo die Wahllokale bereits am Freitag geöffnet waren, haben die Wähler auch am Samstag noch Zeit, über die Zusammensetzung des Europaparlaments mitzuentscheiden.
Bereits am ersten der beiden Wahltage hat sich in Tschechien abgezeichnet, dass nur jeder Fünfte von seinem Recht Gebrauch machen dürfte. Der tschechische Präsident Milos Zeman warnte Nichtwähler bei der Stimmabgabe am Freitag, dass sie ihr Schicksal damit in fremde Hände legten. "Wenn die Menschen nicht zur Wahl gehen, riskieren sie, dass andere zur Wahl gehen und ihnen die Hölle auf Erde bereiten", sagte der 74-Jährige.
In Irland haben die Grünen einer Nachwahlbefragung zufolge erstmals seit 20 Jahren dein Einzug ins EU-Parlament geschafft. Die Partei dürfte dort auf drei der 13 erhältlichen Sitze kommen. Das zeigt eine am Samstag veröffentlichte Erhebung.
Österreich wählt am Sonntag
In den meisten Ländern, darunter Österreich, wird allerdings erst am Sonntag gewählt. Mit Spannung wird erwartet, wie dieses Mal die Beteiligung bei der Europawahl sein wird. In Tschechien, das vor fünf Jahren mit 18,2 Prozent eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen unter allen EU-Staaten hatte, zeichnete sich nach Angaben des tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens CT dieses Mal eine ähnlich niedrige Beteiligung um die 20 Prozent ab. Die Slowakei, wo die Bürger an diesem Samstag ebenfalls abstimmen können, hatte bei allen EU-Wahlen, an denen das Land bisher beteiligt war, die niedrigste Beteiligung. Dass sich daran viel geändert hat, gilt als eher unwahrscheinlich.
Einen Tag vor dem eigentlichen Wahltermin im Mutterland Frankreich am Sonntag wird außerdem in den französischen Überseegebieten abgestimmt - also in Guadeloupe, Martinique, Französisch-Guayana, Saint-Barthélemy, Saint-Martin, Saint-Pierre und Miquelon sowie Französisch-Polynesien.
Ergebnisse werden aber noch keine mitgeteilt. Die gibt es - wie bei der Europawahl üblich - erst, wenn auch die letzten Wahllokale in Italien am Sonntagabend um 23.00 Uhr geschlossen sind.
Pro-europäische Regierungsparteien voran
Am Donnerstag hatten die Wahlen in Großbritannien und den Niederlanden begonnen. Am Freitag folgten Tschechien und Irland. Europas Sozialdemokraten ließ im Endspurt der Überraschungssieg ihrer niederländischen Parteifreunde hoffen, wo es zu einem "Timmermans"-Effekt kam. Der rote EU-Spitzenkandidat Frans Timmermans will dem favorisierten Konservativen Manfred Weber den ersten Platz abjagen.
Weber wollte am Freitagnachmittag bei der Abschlusskundgebung der Europäischen Volkspartei (EVP) in München noch einmal mobilisieren. Er musste dabei ohne seinen treuesten Unterstützer im Kreise der EU-Chefs, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), auskommen. Der um seinen Verbleib im Amt kämpfende Regierungschef sagte seinen Auftritt in München kurzfristig ab.
In den Niederlanden kam die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA) laut einer Wählerbefragung auf 18 Prozent und belegte damit klar den ersten Platz vor der rechtsliberalen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte (15 Prozent) und den Christdemokraten (12,3 Prozent). Offenbar wollten viele Niederländer ihren Landsmann Timmermans im Rennen um den EU-Topjob stärken.
Die im Vorfeld favorisierte Rechtsaußenpartei "Forum für Demokratie" landete mit elf Prozent nur auf dem vierten Platz, während der FPÖ-Bündnispartner PVV von Geert Wilders mehr als zwei Drittel seiner Stimmen auf nur noch 4,1 Prozent verlor. Beobachter spekulierten umgehend darüber, dass das schwache Abschneiden der Rechtsaußenparteien mit den Enthüllungen der Ibiza-Affäre zusammenhängen könnte.
Europaweit hatten Vertreter von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen in den vergangenen Tagen versucht, die Affäre rund um Heinz-Christian Strache politisch auszuschlachten. In mehreren Ländern war sie bestimmendes Thema bei Wahlkampfkonfrontationen, in Ungarn berief die Opposition wegen möglicher Verbindungen zur Regierungspartei Fidesz am Freitag sogar den nationalen Sicherheitsrat ein.
Video mit Blick auf "Ibiza"-Affäre
Die liberale EU-Spitzenkandidatin Margrethe Vestager betonte in einem am Freitag veröffentlichten Video mit Blick auf die Ibiza-Affäre: "Nationalistische und populistische Parteien mit engen Beziehungen zu Russland sind bereit, unsere Heimat zu verkaufen. Das darf in Europa nie wieder passieren, Österreich darf hier nicht die Standards setzen."
Erdrutschsieg von Nigel Farage erwartet
Ebenfalls am Donnerstag hatte Großbritannien gewählt. Eine Prognose gab es dort nicht, doch wurde ein Erdrutschsieg der Brexit Party von EU-Gegner Nigel Farage erwartet. Im Dauerstreit zwischen Brexit-Befürwortern und -gegnern kündigte aber Premierministerin Theresa May ihren Rückzug als Parteichefin für den 7. Juni an - und als Regierende, sobald es einen Nachfolger gibt.
Bei der Europawahl in Irland haben ersten Umfragen zufolge die pro-europäischen Kräfte gesiegt. Die Kandidaten der Mitte-Rechts-Partei Fine Gael von Regierungschef Leo Varadkar lagen in zwei von drei Wahlkreisen vorn, wie eine am Freitag von zwei Fernsehsendern durchgeführte Befragung von 3000 Wählern ergab. Nur in der Hauptstadt Dublin lagen die Grünen an erster Stelle.
Angesichts des Brexits in Großbritannien und der befürchteten wirtschaftlichen Auswirkungen hatten in Irland pro-europäische Stimmen den Wahlkampf beherrscht. Ministerpräsident Varadkar hatte bei der Stimmabgabe vor einer "sehr gefährlichen" Phase nach dem Rücktritt der britischen Premierministerin Theresa May gewarnt. Es sei zu erwarten, dass Mays Nachfolger ein Euroskeptiker sei, der die EU ohne Brexit-Abkommen verlassen wolle, sagte er.
Der Wählerbefragung nach Verlassen des Wahllokals zufolge lag Fine Gael im südlichen Wahlkreis mit 16 Prozent vor der zweiten Mitte-Rechts-Partei Fianna Fail und der Mittel-Links-Partei Sinn Fein mit jeweils 13 Prozent.
Im Norden führte Varadkars Partei demnach mit 25 Prozent vor Sinn Fein mit 15 und den Grünen mit zwölf Prozent. In Dublin gaben 23 Prozent an, die Grünen gewählt zu haben und 14 Prozent Fine Gael.
Insgesamt können in den 28 EU-Staaten bis zum Sonntag mehr als 400 Millionen Wahlberechtigte mitentscheiden. Alle Infos im Live-Blog: