In einem Monat wird das Europäische Parlament gewählt. Höchste Zeit, den Spitzenkandidaten auf den Zahn zu fühlen. Am Freitag taten das im Saal der SN rund 200 Schülerinnen und Schüler.
In den kurzweiligen zwei Stunden der Diskussion, die von Sylvia Wörgetter, EU-Korrespondentin der SN, und Michael Jungwirth, dem Leiter des Innenpolitik-Ressorts der Kleinen Zeitung, moderiert wurde, wurde deutlich: EU-Politik in Österreich, das ist vor allem auch eine Auseinandersetzung zwischen der FPÖ, die durch Harald Vilimsky vertreten wurde, und den fünf anderen Kandidatinnen und Kandidaten, die da wären: Othmar Karas (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Claudia Gamon (Neos), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (Jetzt).
Die gesamte Aufzeichnung der Debatte sehen Sie hier:
So dauerte es nicht lang, bis sich Schieder und Vilimsky in die Haare gerieten. Schieder wies darauf hin, dass er mit der FPÖ keine Politik machen wolle, und warf den Freiheitlichen unter anderem ihre Nähe zu den rechtsextremen Identitären vor. Was Vilimsky wiederum mit dem Hinweis konterte, dass die SPÖ erst vor Kurzem den Geburtstag Lenins, der ein Massenmörder gewesen sei, gefeiert habe.
Tatsächlich hatte es ein diesbezügliches Posting der Sozialistischen Jugend in Wiener Neustadt gegeben. Voggenhuber wies wiederum darauf hin, dass generell über der EU dunkle Wolken aufzögen. In vielen Ländern der Union seien der Nationalismus und der Rassismus auf dem Vormarsch. Er erklärte Vilimsky, dass die nationalsozialistischen Gräueltaten „bei uns“ stattgefunden hätten und es deshalb eine spezielle Verantwortung dafür zu übernehmen gelte.
Die Zukunft von Europa
Auch darüber, was die Zukunft der EU betrifft, hatten die Kandidatin und die Kandidaten unterschiedliche Vorstellungen. Außer Vilimsky waren sich alle einig, dass die EU in Zukunft eine größere Rolle spielen müsse und die Nationalstaaten mehr Kompetenzen und Rechte an die EU abtreten sollten. So wies Karas darauf hin, dass die großen Probleme – Klimawandel, Flüchtlingskrise, Bekämpfung der Steueroasen – von den einzelnen Staaten nicht mehr gelöst werden könnten. Der Rückzug in den Nationalstaat sei keine Antwort.
Ähnlich argumentierten Kogler, Voggenhuber und Gamon. Schieder sagte, dass die EU in Richtung Sozialunion gehen müsse. Gamon plädiert für eine europäische Armee und eine europäische Staatsbürgerschaft. Kogler hat die Vision von einer europäischen Sozial- und Friedensgemeinschaft und Voggenhuber merkte an, dass er bereits vor Jahren für eine engere Zusammenarbeit in Europa eingetreten sei.
Zur EU bekannte sich auch Vilimsky. Allerdings sind seine Vorstellungen anders. Er will Fehlentwicklungen in der EU beheben. Und er verwies auf das Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung. Dieses habe das Ziel, Kompetenzen der EU wieder an die Nationalstaaten zurückzugeben und nur Angelegenheiten, die ein Staat wirklich nicht mehr allein regeln könne, verstärkt von der EU wahrnehmen zu lassen.
Die Vereinigten Staaten von Europa
Dementsprechend auch die Antworten auf die Frage, ob es Vereinigte Staaten von Europa geben soll. Von Vilimsky kam ein Nein, weil Österreich nicht in einem europäischen Zentralstaat aufgehen dürfe. Von Gamon kam ein klares Ja, und zwar so schnell wie möglich.
Schieder sprach sich für einen europäischen Wohlfahrtsstaat aus und vertritt die Ansicht, dass die Strukturen der EU reformiert gehörten und schlagkräftiger werden müssten. Auch eine Direktwahl der Kommission kann er sich vorstellen, ebenso wie Kogler. Im Zentrum müsse das Europäische Parlament stehen, das die Interessen der Bürger vertrete. Voggenhuber wiederum brachte das Konzept einer Republik Europa ins Spiel.
Er wolle keine Vereinigten Staaten, er wolle eine Republik. Eine Republik stehe für res publica, zu der sich die Bürgerinnen und Bürger zusammenschlössen – eine europäische Demokratie. ÖVP-Kandidat Karas wiederum sagte, es spiele keine Rolle, wie ein neues Konstrukt heiße, es müsse aber eine europäische Souveränität geben, die weit über die derzeitige Zusammenarbeit hinausgehe.
Eine kleinere Kommission
Im Zuge der Reform der EU wird auch immer wieder die Verkleinerung der EU-Kommission diskutiert. Derzeit ist jedes Land durch einen Vertreter in der Kommission vertreten. Dass eine Verkleinerung sinnvoll wäre, darüber sind sich die Spitzenkandidatin und die fünf Spitzenkandidaten einig. Wobei Karas darauf verweist, dass dies bereits derzeit rechtlich möglich sei, wenn die EU-Staaten dem zustimmten.
Ein Parlament, ein Sitz
Dass das Europäische Parlament derzeit sowohl in Straßburg (Frankreich) als auch in Brüssel (Belgien) tagt, wird immer wieder als Geldverschwendung kritisiert. Alle waren sich einig, dass ein Sitzungsort ausreicht. Karas merkte an, dass wohl beide Standorte bleiben würden, weil Frankreich auf dem Standort Straßburg beharre. Dies habe auch den Grund, dass die Stadt sowohl für Frankreich als auch für Deutschland ein Symbol für die Überwindung der jahrhundertelangen Feindschaft zwischen diesen beiden Ländern sei.
Topthema Klimaschutz
Seit Wochen demonstrieren Schülerinnen und Schüler weltweit jeden Freitag für einen besseren Klimaschutz. Ihr Argument: Die Politik unternehme zu wenig und es sei die Zukunft der Jungen, die dadurch bedroht werde. Wer könnte also gegen mehr Maßnahmen gegen die Erderwärmung sein? Es war auch niemand.
Johannes Voggenhuber erinnerte daran, dass er sich bereits als junger Stadtrat in Salzburg für die Umwelt eingesetzt habe. Auch damals habe er, als er für eine grüne Salzach eintrat, mit viel Gegenwind kämpfen müssen. Auch damals sei mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen argumentiert worden. So wie heute. Es gebe aber keine Alternative, man müsse raus aus den fossilen Brennstoffen, auch wenn dies zu Konflikten führe. Und: Auch bei diesem Thema zeige sich, wie notwendig die EU sei. Ein Staat allein könne das nicht schaffen.
Der grüne Kandidat Kogler sprach von einer Überlebensfrage. Er plädierte für eine CO2-Steuer und verwies darauf, dass etwa Kerosin für Flugzeuge oder Schweröl für die Schifffahrt derzeit überhaupt nicht besteuert würden. „Wenn Fliegen billiger ist als Zugfahren, dann stimmt etwas nicht“, sagt er.
Othmar Karas wiederum wies darauf hin, dass Steuern allein nicht ausreichten, sondern auch technische Alternativen entwickelt werden müssten. Die EU mit ihren Förderprogrammen unterstütze dies massiv. Gamon und Schieder sprachen sich ebenfalls für CO2-Steuern aus. Wobei Schieder klarmachte, dass man dabei auf einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen Rücksicht nehmen müsse und diese nicht über Gebühr belasten dürfe.
Vilimsky wiederum musste erklären, warum die FPÖ das Pariser Klimaschutzabkommen ablehnt. Dies sei, weil dadurch Atomkraftwerke als Alternative infrage kämen, was man nicht wolle, sagte er. Die EU könne zum Klimaschutz jedenfalls einiges beitragen, etwa indem sinnlose Tiertransporte durch Europa verhindert und gegen Tierfabriken vorgegangen werde. Regional zu produzieren und einzukaufen sei sehr klimaschonend..
Das Internet und die Freiheit
Was man im Internet alles darf und was nicht, wird seit der Entscheidung der EU, geistige Inhalte im Internet besser zu schützen, auch von jungen Bürgerinnen und Bürgern heiß diskutiert. Vor allem, dass Uploadfilter verwendet werden müssen, damit Inhalte nicht illegal verbreitet werden, wird kritisiert. Dies sei eine Einschränkung der Freiheit im Netz.
Die Neos-Politikerin Gamon schließt sich dieser Meinung an. Sie sagte, dass diese Regelung von Menschen gemacht sei, die nicht wüssten, wie das Netz funktioniere. Dadurch würden die Voraussetzungen für einen Überwachungsstaat geschaffen. Schieder sprach sich ebenfalls gegen Uploadfilter aus. Es gebe andere Probleme im Netz, etwa Hasspostings oder den verstärkten Handel mit Gesundheitsdaten, was verboten gehöre. Die Gegenmeinung vertrat Othmar Karas. Er sagte, es müsse auch im Digitalbereich einen Schutz des geistigen Eigentums geben. Man könne nicht einfach Geschäfte mit den Werken anderer Personen machen. Allerdings seien Uploadfilter eine „schwierige Sache“.
Die Diskussion wurde von den Salzburger Nachrichten, den Oberösterreichischen Nachrichten, der Tiroler Tageszeitung, den „Vorarlberger Nachrichten“, der Kleinen Zeitung und der "Presse" organisiert.
Am Sonntag heißt es dann: jeder gegen jeden. Auf Puls 4 treten die sechs Kandidaten gegeneinander an, 15 Duelle à sieben Minuten sind geplant, ergänzt durch kurze Journalistenrunden, unter anderm mit Kleine-Innenpolitikredakteur Georg Renner.
Alfred Pfeiffenberger