Wer nach der EU-Wahl in das Europäische Parlament einzieht, darüber entscheiden nicht zuletzt auch die Zahl der auf die Kandidaten entfallenden Vorzugsstimmen. Überspringt deren Anzahl eine gewisse Hürde, kann er oder sie Anspruch auf das erste Mandat der Partei erhalten.

Geregelt ist das Prozedere um Vorzugsstimmen in der Europawahlordnung. Anders als bei anderen Wahlen gibt es bei der EU-Wahl bundesweit lediglich einen Wahlkreis. Somit können Wählerinnen und Wähler auch nur eine Vorzugsstimme vergeben. Die Vorzugsstimme gilt nicht, wenn mehrere Kandidaten genannt werden oder der genannte Kandidat einer anderen Partei als der angekreuzten angehört.

Anschließend gibt es eine Grenze von fünf Prozent der auf eine Partei entfallenden Stimmen. Erhält ein Kandidat diese Menge an Vorzugsstimmen, wird er auf Platz eins gereiht. Überspringen die Vorzugsstimmen mehrerer Personen diese Hürde, richtet sich die Reihung nach der Anzahl der jeweiligen Vorzugsstimmen. Aufgrund der in der Regel niedrigeren Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl sinkt damit auch die Zahl der nötigen Vorzugsstimmen, um diese 5-Prozent-Hürde zu meistern.

Wie wirkt sich die Schilling-Affäre bei den Grünen aus?

Eine Rolle könnten die Vorzugsstimmen auch bei den Grünen spielen, deren Kampagne aufgrund von Vorwürfen gegen Spitzenkandidatin Lena Schilling einen Dämpfer erlitten hat. Wenn er sehr viele Vorzugsstimmen erhalten sollte, stehe er „selbstverständlich“ als Delegationsleiter zur Verfügung, sagte nämlich Thomas Waitz, Listenzweiter und Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen, am Sonntag in der ORF-Sendung „Hohes Haus“. Einen Vorzugsstimmenwahlkampf will er aber nicht führen, Schillings Glaubwürdigkeit nicht anzweifeln.

Ein besonderes Modell hatte sich bei der vergangenen EU-Wahl im Jahr 2019 noch die ÖVP verordnet. Bei der Wahl am 9. Juni wird es aber keine verschärften Regeln geben. Die Reihung der Kandidatinnen und Kandidaten hatte sich damals rein nach ihren Vorzugsstimmen gerichtet.

Das führte zu einem Vorzugsstimmenwahlkampf innerhalb der ÖVP. Die heutige Europaministerin und damalige Listenzweite Karoline Edtstadler kam 2019 schließlich auf ganze 115.906 Vorzugsstimmen. Nur Ursula Stenzel, vormals ZiB-Moderatorin, erreichte 1996 bei ihrem Antritt für die ÖVP mit 168.078 noch mehr. Auf etwas weniger Vorzugsstimmen als Edtstadler, die nach weniger als einem Jahr wieder nach Österreich wechselte, kam 2019 mit 103.035 der damalige Listenerste und derzeitige Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas. Damit blieb er hinter seinem eigenen Ergebnis von 2009 zurück (112.954). Damals hatte er einen Persönlichkeitswahlkampf gegen den vom damaligen Parteichef Josef Pröll an der Spitze installierten Ex-Innenminister Ernst Strasser geführt. Karas tritt nach Differenzen mit seiner Partei nun nicht mehr an.

Die meisten Vorzugsstimmen eines Kandidaten abseits der ÖVP holte 2019 Andreas Schieder, der auch heuer wieder an der Spitze der Sozialdemokraten antritt, mit 72.863. Auf etwas weniger kamen 2019 der Grüne Spitzenkandidat Werner Kogler (70.821), der sein Mandat dann gar nicht annahm, FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky (64.525) und NEOS-Spitzenkandidatin Claudia Gamon (64.350). Sie fuhren damit jeweils die besten Vorzugsstimmenergebnisse ihrer Parteien ein.