1 Wie hat die EU auf den Ausgang der Wahl in Großbritannien reagiert?
Erleichtert, aber auch kühl. Beim EU-Gipfel in Brüssel war man über das klare Votum überrascht und wohl auch enttäuscht, gleichzeitig sind alle froh, dass das Tauziehen um den Ausstieg nun ein Ende hat.
2 Der Brexit am 31. Jänner ist nun also fix?
Das britische Unterhaus muss die letzte Version des Ausstiegsvertrags ratifizieren – was dank der satten Tory-Mehrheit nun kein Problem sein sollte – und das EU-Parlament hat seine Zustimmung für die Jänner-Sitzung bereits angekündigt. Geht beides durch, ist das Vereinigte Königreich am 1. Februar 2020 kein EU-Mitglied mehr.
Kommentar
3 Und was geschieht dann?
Dann wird es erst richtig kompliziert. Der „harte Brexit“ ist damit zwar verhindert, aber die eigentliche Arbeit kann erst am 1. Februar losgehen. Elf Monate, bis Ende des Jahres, haben die EU und Großbritannien dann Zeit, alle Details der künftigen Zusammenarbeit auszuarbeiten. Das betrifft alle Lebensbereiche von der Bildung über die Polizei-Zusammenarbeit bis zur Fischerei. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Gipfel, Ziel sei ein Abkommen „ohne Zölle, ohne Quoten und ohne Dumping“.
4 Aber steht das nicht schon alles im ewig umstrittenen Vertrag?
Nein, der Vertrag, die berühmten 585 Seiten, ist eine Art gemeinsam erstellter Wunschliste für die Zukunft. Alle nötigen Übereinkommen können erst ab dem Austrittstag erarbeitet werden, das ist komplexe Expertenarbeit.
5 Das soll sich in einem Jahr ausgehen?
Tatsächlich ist das kaum möglich. Boris Johnson kann bis zum Juli die EU aber um eine Verlängerung der Übergangsfrist bis Ende 2022 bitten. Das wirft zwar neue Probleme auf, etwa beim langfristigen Finanzrahmen, der 2021 beginnt, Ratspräsident Charles Michel sagte aber, die EU verhandle „nicht um jeden Preis“, sondern wolle ausgewogene Ergebnisse mit Großbritannien erzielen. In der Übergangszeit müssen die Briten weiterhin ihren (Zahlungs-)Verpflichtungen voll nachkommen, haben aber keinerlei Mitspracherecht mehr in der EU.
6 Was ist jetzt mit dem „Backstop“ in Irland, über den so lange gestritten wurde?
Boris Johnson hat zuletzt mit der EU eine Lösung ohne den Backstop ausverhandelt, die eigentlich seinerzeit von der EU vorgeschlagen, von Theresa May aber abgelehnt worden war. Der Plan sieht vor, dass Nordirland stark an die Republik Irland (und damit an die EU) angebunden bleibt und der Warenverkehr zwischen Großbritannien und der irischen Insel von den Briten selbst kontrolliert würde. Irlands Regierungschef Leo Varadkar sah gestern das klare Votum positiv, der „Deal“ kann so stattfinden.
7 Wie werden die künftigen Beziehungen mit den Briten ausschauen?
Das Vereinigte Königreich wird mit dem Austritt aus der EU zum Drittland, allerdings bemüht man sich auf beiden Seiten, auf die Besonderheit der Situation und die auch weiterhin engen Verbindungen hinzuweisen. Viele reden von einem Modell „Norwegen plus“ – die Norweger gehören nicht zur EU, haben sich aber vertraglich stark an die Union gebunden. Das Problem dabei: Norwegen zahlt (ebenso wie die Schweiz, mit der es aber rund 150 Einzelverträge gibt) jedes Jahr Milliardenbeträge an die EU und hat dennoch kein Mitspracherecht. Warum London erst aussteigen und dann gerade so eine Lösung anstreben sollte, ist schwer erklärbar.
8 Wird Großbritannien außerhalb der EU einen Aufschwung erleben?
Zumindest in den ersten Jahren sicher nicht. Es dauert Jahre, bis neue Verträge abgeschlossen werden können. Johnson muss sich entscheiden, ob sich sein Land weiterhin der EU oder lieber den USA (oder anderen Blöcken) zuwendet.