Die EU-Staaten kündigten die Anerkennung des bisher nur selbst ernannten Interimspräsidenten von Venezuela, Juan Guaidó, bereits an. Österreich war einer der ersten Staaten, der der Ankündigung eine offizielle Erklärung folgen ließ.  Spanien und Großbritannien hatten kurz zuvor die Ankennung verlautbart, Frankreich und Deutschland folgten.

Guaidó fordert jetzt Italien auf, ihn ebenfalls anzuerkennen.  "Bei uns gibt es viele Italo-Venezolaner mit italienischem Pass, oder die das Recht haben, diesen zu erhalten", erklärte Guaidó. Rom sollte dies berücksichtigen und sich ihnen gegenüber verantwortungsbewusst zeigen, forderte er. "Die Regierung sollte uns unterstützen, weil wir Freiheit und Demokratie verteidigen", so der oppositionelle Parlamentspräsident, der sich vor fast zwei Wochen selbst zum Staatsoberhaupt ernannt und damit den amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro herausgefordert hatte.

Zwist innerhalb Italiens

Italiens Staatschef Sergio Mattarella hat der Regierung in Rom auf die Finger geklopft, die im Gegensatz zur österreichischen Bundesregierung und mehreren anderen EU-Staaten den venezolanischen Oppositionspolitiker Juan Guaidó bisher nicht als Interimspräsidenten anerkannt hat. Mattarella rief am Montag in Bezug auf die Haltung Italiens gegenüber der Venezuela-Krise zu "Klarheit" auf.

"Es darf keine Ungewissheit bei der Wahl zwischen dem Willen des Volkes und der Forderung nach authentischer Demokratie einerseits und Gewalt andererseits geben", so Mattarella in einer Stellungnahme. Er rügte somit die italienische Regierung, die in Sachen Anerkennung Guaidós gespalten ist.

EU kritisiert Italien

Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kritisiert, dass sich die EU-Mandatare der Fünf-Sterne-Bewegung, der Lega und viele aus den Reihen des PD bei der Abstimmung enthalten haben, bei der das EU-Parlament vergangene Woche mit großer Mehrheit Oppositionsführer Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten Venezuelas anerkannte.

Berlin stellt nach der Anerkennung von Oppositionsführer Juan Guaidós als Übergangspräsidenten Venezuela humanitäre Hilfe in Aussicht. Die Sorge der Bundesregierung gelte weiterhin den Menschen in Venezuela, die unter der dramatischen Versorgungslage litten, erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag.

Um der Bevölkerung zu helfen, die unter der dramatischen Versorgungslage leide, werde die Regierung fünf Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung stellen, sobald die politischen Rahmenbedingungen in Venezuela dies zuließen, so Maas.

Tweets von Kurz

"Das #Maduro Regime hat sich bis jetzt geweigert, freien und fairen Präsidentschaftswahlen zuzustimmen", twitterte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag. "Daher betrachten wir von nun an Präsident @jguaido als legitimen Übergangspräsidenten in Einklang mit der venezolanischen Verfassung."

Kurz twittert das übrigens auch auf Spanisch.

Guaido hatte Europa zuvor zu Geschlossenheit aufgerufen. Gegenüber der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montagsausgabe) schloss der Parlamentspräsident aus, dass im Dialog mit dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro eine Lösung für die Krise erzielt werden könne.

Wenn die europäischen Regierungen dazu beitragen wollten, die Gewalt, Kriminalität, Repression und Verletzung der Menschenrechte in dem südamerikanischen Land zu stoppen, "müssen sie sich en bloc bewegen, damit die Kräfte, die Maduro noch unterstützen, das ganze Gewicht des diplomatischen und politischen Drucks aus Europa spüren", sagte Guaidó.

Ultimatum verstrichen

Montag früh war ein Ultimatum von acht EU-Mitgliedsländern verstrichen: Sie hatten den umstrittenen Staatschef Nicolas Maduro aufgefordert, bis zum Wochenende eine Neuwahl anzusetzen. Maduro wies das Ultimatum als "Frechheit" zurück. Die nächste Präsidentenwahl werde erst 2024 stattfinden. "Wir akzeptieren keine Ultimaten von niemandem. Uns interessiert nicht, was Europa sagt", so Maduro im Interview mit dem Sender "Antena 3".

Auch im Interview mit dem spanischen Sender "La Sexta", das am Sonntag ausgestrahlt wurde, machte Maduro klar, dass er angesichts des Drucks des Westens nicht nachgeben werde. Am Samstag stellte er lediglich vorgezogene Wahlen des von der Opposition dominierten Parlaments - noch in diesem Jahr - in Aussicht.

Nach dem Ablauf des Ultimatums hat sich die französische Regierung hinter Juan Guaido als Übergangspräsident gestellt. Guaido habe die "Legitimität", um Präsidentschaftswahlen zu organisieren, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Montag. Zuvor hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Guaido seine "volle Unterstützung" zugesichert. Österreich habe bereits die Nationalversammlung, deren Präsident Guaido ist, als legitime gewählte Vertretung Venezuelas anerkannt.

Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande und Belgien hatten dieses Ultimatum an Maduro gestellt. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und weltweit haben Guaido bereits anerkannt. Hinter Maduro stehen unter anderem Russland, China und die Türkei. Innenpolitisch stützt er sich vor allem auf das Militär.

Venezuela wird seit langem von einer schweren Wirtschaftskrise geplagt - und ist politisch tief gespalten. Am Samstag untermauerten Maduro und Guaido mit zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Caracas ihren Machtanspruch. "Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt", sagte der selbsternannte Interimspräsident Guaido unter dem Jubel der Menge. Maduro antwortete vor seinen Anhängern, er denke gar nicht ans Aufgeben. "Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren", rief er. Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu ihm - auch wenn ein General am Wochenende überlief.

Venezuela destabilisiert

Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen inzwischen Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker werden inhaftiert, Korruption ist weit verbreitet, Gewaltkriminalität grassiert. Die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.

US-Präsident Donald Trump bekräftigte erneut, ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela sei nicht auszuschließen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die USA in Venezuela militärisch aktiv würden, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Senders CBS: "Ich möchte das nicht sagen. Aber es ist sicherlich etwas, das auf dem - es ist eine Option." Trump und Mitglieder seiner Regierung hatten zuvor mehrfach erklärt, "alle Optionen" lägen auf dem Tisch.

Madura warnt vor "Vietnam-Szenario"

Maduro warnte vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Zuvor hatte er mit Blick auf die USA auch von einem möglichen "Vietnam"-Szenario in Südamerika gesprochen. "Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens und von dessen westlichen Verbündeten ab", sagte er in einem Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta.

Guaido ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro entmachteten Parlaments. Er erklärte sich am 23. Jänner zum Übergangsstaatschef und argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Mai habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser Meinung sind auch europäische Regierungen. An dem europäischen Ultimatum beteiligten sich neben Deutschland auch Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Österreich. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und aus anderen Weltregionen haben Guaido bereits anerkannt.

Die EU hat bisher keine einheitliche Linie zu Venezuela. Doch wurde die Gründung einer Kontaktgruppe angekündigt. Diese soll helfen, die Krise durch freie Wahlen zu beenden. Kommenden Donnerstag werde die Gruppe erstmals in Uruguay mit lateinamerikanischen Ländern beraten, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit.