Positiv bis zurückhaltend haben europäische Sozialdemokraten auf die Ankündigung von SPÖ-Chef Christian Kern reagiert, bei der EU-Wahl im Mai 2019 auch als europaweiter Spitzenkandidat der S&D-Fraktion antreten zu wollen. "Ich freue mich, weil das zeigt, wie intensiv in unseren sozialdemokratischen Parteien verfolgt wird, was auf dem Spiel steht", meinte S&D-Fraktionschef Udo Bullmann in Salzburg.
Kern sei ein "profilierter" Kandidat, man müsse nun aber das Bewerbungs- und Auswahlprozedere abwarten. Von 1. bis 18. Oktober sind Bewerbungen möglich, Ende November stehen Hearings vor der S&D-Fraktion im EU-Parlament auf dem Programm, die endgültige Entscheidung fällt dann am 6. und 7. Dezember bei einem S&D-Kongress in Lissabon.
"Die Sozialdemokratie lebt"
"Die Sozialdemokratie lebt", sagte der luxemburgische Außenminister und Sozialdemokrat Jean Asselborn beim Treffen der Europäischen Sozialdemokraten am Rande des Salzburger EU-Gipfels. Es gebe zwei sehr gute Kandidaten, und weitere dürften folgen. "Je mehr desto besser", so Asselborn. Maltas Premierminister Joseph Muscat nannte Kern einen "sehr guten Kandidaten", es gehe nun aber nicht nur um Kandidaten, sondern auch um Inhalte und die Zukunft der Sozialdemokratie.
Der Chef der italienischen Demokraten (PD), Maurizio Martina, sprach sich in Salzburg dafür aus, dass mit Blick auf die Europawahlen "an einer großen Allianz von Alexis Tsipras bis Emmanuel Macron, klarerweise auch mit der Partei der Europäischen Sozialdemokraten, gearbeitet wird". Tsipras - in Salzburg mit von der Partie - nimmt regelmäßig an Vorbereitungstreffen der sozialdemokratischen EU-Regierungschefs teil, seine Partei gehört aber im Europaparlament der Linksfraktion an.
Neben Kern und SPE-Präsident Sergej Stanischew nahmen an dem Treffen in Salzburg die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der spanische Regierungschef Pedro Sanchez (PSOE), der griechische Regierungschef Tsipras (Syriza), der portugiesische Premier Antonio Costa (PS), Maltas Premier Muscat (LP), Schwedens Regierungschef Stefan Löfven (SAP), Luxemburgs Außenminister Asselborn (LSAP), aus Italien PD-Chef Martina, der stv. Bundesgeschäftsführer der deutschen SPD Achim Post, S&D-Fraktionsvorsitzender Bullmann sowie der Präsident des Ausschusses der Regionen Karl-Heinz Lambertz teil.
Vier mögliche Kandidaten bisher im Spiel
Neben Kern hat bisher der slowakische Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic seine Bewerbung als Spitzenkandidat angekündigt. EU-Außenkommissarin Federica Mogherini dürfte nicht kandidieren, weil ihr dafür der Rückhalt der italienischen Sozialdemokraten sowie der rechtspopulistischen Regierung fehlt. Ins Rennen könnten hingegen noch der niederländische Kommissionsvize Frans Timmermans und der französische Währungskommissar Pierre Moscovici einsteigen. Allerdings wurden deren Parteien bei den vergangenen Wahlen in ihren Ländern mehr oder weniger aufgerieben.
Abseits der eigenen Parteifamilie soll Kern dem Vernehmen nach auch das Wohlwollen von Frankreichs liberalem und ehemals sozialdemokratischem Staatspräsidenten Emmanuel Macron haben. Macron hat sich mit seiner Bewegung bisher keiner EU-Parteienfamilie angeschlossen, ist aber mit den Liberalen in Gesprächen über eine Kooperation.
"Ne Frau wär nicht schlecht"
Die Ko-Chefin der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, trat indes dem automatischen Anspruch der mandatsstärksten Fraktion auf den Posten des Kommissionspräsidenten entgegen. Laut derzeitigen Prognosen wäre das die konservative EVP, bei der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber derzeit als aussichtsreichster Bewerber für die Spitzenkandidatur gilt. "Es zählt, ob du ne Mehrheit zusammen bekommst. Nicht, ob deine Fraktion die größte ist", schrieb Keller dazu auf Twitter. Auf die Frage, ob die Grünen den Sozialdemokraten Kern als Kommissionspräsidenten unterstützen würden, antwortete sie: "Wir werden uns ganz genau anschauen, wer am Ende übrig bleibt und wer das beste Programm hat. Und ne Frau wär auch mal nicht schlecht."