Der ganze Prozess, der erst im Februar letztes Jahr begonnen hat, kann erst dann abgeschlossen sein, wenn auch das EU-Parlament zugestimmt hat, sagte Michel Barnier in Brüssel bei einem Gespräch mit Journalisten, an dem auch die Kleine Zeitung teilgenommen hat. Nach dem „Weihnachtsdeal“ ist der Brexit ja mit Jahreswechsel tatsächlich vollzogen, doch neuerlich befinden sich die Vertragspartner in einer Übergangszeit – der Deal wurde zwar in London in Windeseile abgesegnet, das EU-Parlament, dessen Zustimmung ebenfalls erforderlich ist, will sich das Vertragswerk mit 1246 Seiten Grundtext aber genauer ansehen und braucht dafür mehr Zeit. Bis Ende Februar soll auch dieser finale Schritt abgewickelt sein.
Er habe immer gefunden, der Brexit sei eine Scheidung, die man nur bedauern könne, sagte Barnier: „Das ist eine lose-lose-Situation, da gibt es nur Verlierer.“ Aber: Er habe die Verhandlungen auf respektvolle Weise geführt, es sei nie um Rache oder Bestrafung gegangen. Es sei in den letzten viereinhalb Jahren auch nicht bloß um Wirtschaft und Handel gegangen: „Es ging um die Menschen und um Frieden, besonders in Irland.“
Während all der Verhandlungen war der Binnenmarkt die Trumpfkarte, so Barnier, damit sei die EU auch global wettbewerbsfähig. Der Brexit würde niemals zur Folge haben können, dass das europäische „Ökosystem“, das aus gleichen Rechten, Normen, sozialen Standards und vielem mehr bestehe, aus dem Gleichgewicht gebracht werden könnte. Auf Seite der Briten habe man das durchaus in Betracht gezogen, Brexit-Party-Anführer Nigel Farage habe ihm selbst einmal gesagt, man rechne mit einer europäischen Destabilisierung.
Das Problem: Neue Hindernisse statt Erleichterungen
Warum die Verhandlungen derart zäh gelaufen sind, erklärt sich Barnier damit, dass es zum ersten Mal darum gegangen sei, Hindernisse aufzubauen statt aus dem Weg zu räumen – ein Verhandlungsziel, mit dem die Teams erst einmal klarkommen mussten. Der Austritt der Briten habe bewirkt, dass man Hemmnisse in den wirtschaftlichen Beziehungen einbauen musste, die es davor nicht gegeben habe.
Und jetzt gebe es die Probleme, die zu erwarten waren: „Ich habe immer gesagt, es wird signifikante Konsequenzen geben.“ Dieser Realität müsse man sich nun stellen: „Wir haben die Basis für eine Kooperation gelegt, auf nachhaltige Weise. Dieses Übereinkommen wird nicht mehr neu verhandelt.“ Es könnten aber noch Zusatzvereinbarungen getroffen werden, etwa bei der Außenverteidigung oder beim Engagement Europas in Afrika.
Das ausführliche Interview mit Michel Barnier, in dem er über die Dramatik der Verhandlungen erzählt und einen Einblick in seine Zukunftspläne gibt, lesen Sie in der Freitag-Ausgabe (Print und online).