Drei große Themen sind es, die noch zwischen „Deal“ und „No Deal“ liegen. Das wichtigste ist Fairness beim Wettbewerb („level playing field“), das trockenste ist die Streitschlichtung und das bizarrste ist die Fischerei. Zwischen der EU, genauer gesagt Meeresanrainern wie Frankreich, Belgien, Niederlanden und Dänemark, und Großbritannien gehen die Wogen hoch, wenn es um Fischfang geht. Das Meer und die Fische sind für die Briten gleich wie die Bergbauern für Österreich, drückte es neulich ein EU-Diplomat aus – da geht es um einen emotionalen Faktor, dem schwer mit sachlich fundierten Lösungen beizukommen ist.
Schon beim Beitritt der Briten zur EU wurde um den Fischfang gestritten. Geregelt über die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) können beide Seiten in den fischreichsten Gewässern der Union in der 200-Meilen-Zone vor der britischen Küste fischen. Die Briten möchten nun auch in diesem Bereich „die Kontrolle zurück“, was vor allem für französische Fischer existenzbedrohend wäre. Darum gilt auch Emmanuel Macron in dieser Frage als besonders hart. Bisher konnten Fischer von der Festlandseite aus bestimmte Mengen in britischen Gewässern fangen, umgekehrt war es den Briten erlaubt, ihren Fang gleich direkt in EU-Häfen zu verkaufen. Im Vergleich zu allem Übrigen handelt es sich aber um einen sehr kleinen Bereich: Die Fischerei macht rund 0,1 Prozent des britischen Bruttoinlandsproduktes aus.
Doch einzelne Regionen sind natürlich stark betroffen, etwa Nordwales: Die dortige Fischindustrie liefert rund 90 Prozent ihrer Produkte in die EU und genau in diesem Zusammenhang stößt man auf eine besondere Skurrilität. Wenn nun sogar Kanonenboote im Einsatz sind, um „EU-Fischern“ den Zutritt zu verwehren, dann ergibt das einen Widerspruch in sich. Bedingt durch die Vorlieben der Konsumenten zeigt sich nämlich, dass gerade jene Fischsorten, die die Briten in Zukunft selbst fangen wollen, ausgerechnet jene sind, für die es am heimischen Markt kein Interesse gibt, die also nur für den Festlandmarkt interessant sind – gibt es aber keinen Deal und müssen alle Waren durch den Zoll, würde das das Ende der Frischanlieferung hauptsächlich in den französischen Häfen bedeuten und damit auch das Ende der Vermarktung.
Fish & Chips
Für Jakobsmuscheln zum Beispiel interessiert sich an der Themse kaum jemand, in Paris sind sie der Renner. Je mehr Fisch die Briten fangen, desto mehr möchten sie an die EU verkaufen, die noch dazu weit mehr Verarbeitungsbetriebe hat. Frankreich fürchtet, dass im Falle einer Zugangssperre innerhalb der EU Konkurrenz erwächst, wenn etwa Iren oder Spanier auf der Suche nach Kabeljau und Scholle den Franzosen in die Quere kommen. EU-Flotten aber können jene Fischsorten fangen, die im Königreich besonders beliebt sind – etwa für „Fish & Chips“.
Der Vorschlag, jährlich für mehr als 100 Sorten die Fangquoten neu zu verhandeln, wird als nicht durchführbar abgelehnt; wer einmal dabei gewesen sei, auch nur für einige wenige Fischprodukte Verträge auszuhandeln, wisse, wie kompliziert das sei, sagt ein EU-Diplomat. Britische Kanonenboote und französische Fischer, die sich für Blockaden rüsten – kaum zu glauben, dass der gesamte „Deal“ von Hummer, Scholle und Kabeljau abhängen soll.