Das österreichische Veto zur Blockade der Beitritte Bulgariens und Rumäniens in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum zieht weiter Kreise: Es habe heuer mehr als 100.000 illegale Grenzübertritte nach Österreich gegeben, davon seien 75.000 nicht registriert gewesen, argumentierte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer den Einspruch Österreichs. Das System funktioniere schlichtweg nicht.
Dieses Argument überzeugt im EU-Parlament, wo es Dienstagabend zu heftigen Wortmeldungen kam, offenbar keineswegs: Es hagelte scharfe Kritik an Österreichs Veto. Es sei eine "rein innenpolitische Entscheidung Österreichs, die der gesamten Europäischen Union schade", hieß es unter anderem. Die Entscheidung spalte die ganze Union, mahnte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson – die Sozialdemokratin wies vehement darauf hin, dass "alle bei der Abstimmung verloren" hätten – es gebe nur einen Gewinner, und der sitze im Kreml. Johansson sagte, man solle Wladimir Putin, der weiter seine Truppen die Ukraine attackieren lässt, keine Weihnachtsgeschenke machen.
Bulgarien und Rumänien erfüllten bereits heute Schengen-Kriterien besser als einige Staaten, die schon in der Schengen-Zone seien und an deren Grenzen es systematische Personengrenzkontrollen im Regelfall nicht mehr gibt, betonte Jan-Christoph Oetjen von der Freien Demokratischen Partei. Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, sprach offen von einem Fehler und sieht – wie viele andere im EU-Parlament – die völlig isolierte Rolle, die Österreichs Regierungspartei ÖVP hier einnehme. Lukas Mandl von der ÖVP entgegnete, dass nicht das Veto das "Drama" sei, sondern die sich weiter verschärfende Migrationskrise.
Bei ihrem voraussichtlich letzten Gipfel in diesem Jahr am Donnerstag in Brüssel dürfte das Thema hitzig diskutiert werden: Bulgarien scheiterte zwar mit dem Versuch, Schengen auf die Tagesordnung des Gipfels zu bringen, will es aber definitiv ansprechen, wie es aus EU-Kreisen lautet.