Der französische Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben sich offen für eine Änderung der EU-Verträge gezeigt. "Ich befürworte eine institutionelle Reform", sagte Macron am Montag bei einer Zeremonie im Europaparlament in Straßburg. Bereits beim EU-Gipfel am 23. und 24. Juni solle darüber diskutiert werden. Frankreich hat noch bis Ende Juni den Ratsvorsitz inne.
Von der Leyen sagte, "wenn nötig" sollten die EU-Verträge geändert werden. Macron und von der Leyen reagierten damit auf die Abschlusserklärung der sogenannten Zukunftskonferenz für Europa. Bürgervertreter hatten den EU-Spitzen mehr als 300 Vorschläge für ein besseres und demokratischeres Europa übergeben. Sie würden teils Vertragsänderungen nötig machen.
Dies gilt etwa für die Forderungen nach erweiterten Kompetenzen der EU im Gesundheitsbereich oder einem Vorschlagsrecht des Europäischen Parlaments für Gesetze. Vertragsänderungen gelten aber als äußerst kompliziert und langwierig.
Kritik am Verfahren und Hintergrund
An der Art der Erhebung und an einigen der Schlussfolgerungen gibt es aber mittlerweile auch Kritik, vor allem von rechten Parteien. "Ein abgehobenes Utopie-Programm für Zentralisten", wetterte etwa FPÖ-Europasprecherin NAbg. Petra Steger. Eine Gruppe von zuletzt zehn EU-Ländern (Dänemark, Estland, Litauen, Lettland, Finnland, Slowenien, Schweden, Bulgarien, Tschechien und Malta) arbeitete aber am Montag bereits an einem "non-paper", in dem vor einer Kompetenzüberschreitung des EU-Parlaments gewarnt wird.
Von der Leyen befürwortet nach eigenen Worten eine Ausweitung der Mehrheitsbeschlüsse zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Entscheidungen mit dem Einstimmigkeitsprinzip machten "in einigen wichtigen Bereichen einfach keinen Sinn mehr, wenn wir schneller vorankommen wollen", sagte von der Leyen. Macron sagte, einstimmige Entscheidungen in Schlüsselfragen machten keinen Sinn mehr, wenn die EU sich schneller entwickeln wolle.
Auch die deutsche Ampel-Koalition will Mehrheitsbeschlüsse in der EU voranbringen. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte sich zuletzt offen für mehr Mehrheitsentscheidungen gezeigt. Edtstadler räumte am Montag ein, dass sich nicht alle Vorschläge werden umsetzen lassen, und verwies diesbezüglich auf das Einstimmigkeitserfordernis. Sie betonte, dass das Ende der Zukunftskonferenz "erst der Anfang" sei, und nun umgesetzt werden müsse.
Mehr Bürgerbeteiligung bei EU-Gesetzesvorschlägen
Von der Leyen will Bürgerinnen und Bürger bei Gesetzesvorhaben künftig stärker einbinden. Sie werde vorschlagen, Bürgerforen Zeit und Mittel zu geben, damit diese Empfehlungen abgeben könnten, bevor wichtige Gesetzesvorschläge vorgelegt würden, sagte sie. "Denn Demokratie endet nicht mit Wahlen, Konferenzen oder Übereinkommen." Sie müsse jeden Tag weiterentwickelt, gepflegt und verbessert werden. "Stillstand ist Rückschritt", so von der Leyen.
Die Ankündigung machte die Politikerin bei der Abschlussfeier der Konferenz zur Zukunft Europas. In dem Rahmen hatte es rund ein Jahr regionale und nationale Diskussionen gegeben, online und offline, mit Spitzen- und Lokalpolitikern. Mehrmals trafen sich Abgeordnete des Europaparlaments und der nationalen Parlamente, Vertreter der EU-Regierungen sowie der EU-Kommission mit zufällig ausgewählten Bürgern.
Nach den Wünschen der Teilnehmer soll die Politik etwa Mindeststandards für die Qualität von Nahrungsmitteln setzen, schnelle Internetverbindungen sicherstellen und die Herabsetzung des Wahlalters bei EU-Wahlen von 18 auf 16 Jahren prüfen. Zudem wird vorgeschlagen, in fast allen Politikbereichen das Einstimmigkeitsprinzip aufzugeben. Für einige dieser Vorhaben müssten aber die EU-Verträge geändert werden, wogegen sich bereits mehrere EU-Länder ausgesprochen haben.