Er ist ein Meister seines Fachs: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban beherrscht es wie kaum ein anderer, auf Gegenkurs zu Brüssel zu gehen. Ob bei Migration, beim Impfen, beim Budget, bei der Rechtsstaatlichkeit – Orban scheut keinen Konflikt mit der EU und stärkt mit seinen Provokationen auch noch die eigene Position. Zumal Ungarn zu den größten Netto-Empfängern der EU zählt, wirkt diese Strategie umso kräftiger.
Orban beherrscht die Kunst, die EU, ihre Institutionen und ihre Führungskräfte, regelmäßig vorzuführen.
Längst schon läuft ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn, nicht erst wegen des nun so heftig kritisierten Gesetzes. Aber die scheinbar stärkste Waffe der EU ist zahnlos – die Verträge wurden in einer Zeit geschrieben, als niemand ernsthaft damit rechnete, dass ein Mitgliedsland so aus dem allgemeinen Kanon ausscheren würde. Der neue Rechtsstaatsmechanismus könnte hier weit stärker sein, als zu erwarten war.
Die Fußball-EM hat den Weg der Ungarn aber in der Wahrnehmung auf das nächste Level gebracht. Der Sport, zu dessen Grundideen gehört, Trennendes zu vereinen und Wettstreit auf dem Spielfeld statt dem Schlachtfeld zu führen, wirkt hier wie ein gigantisches Vergrößerungsglas. Ob Orban auch dieses Match gewinnt oder am Ende doch der Regenbogen – dieses Spiel ist offen.