Von "Norden bis Süden" sei das Thema Migration nun wieder zunehmend von Bedeutung, stellte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nach den Innenministerrat in Luxemburg fest. Derzeit sei Litauen besonders betroffen; einerseits durch eine Fluchtbewegung aus Weißrussland, andererseits gebe es dort auch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder anderen Ländern. Die baltischen Staaten und die EU-Kommission äußerten laut Nehammer Vermutungen, wonach das durch Weißrussland oder Russland gefördert werden könnte. Dazu gebe es bei der "Südmigration" Tausende Anlandungen auf den Kanarischen Inseln - das sei eine der gefährlichsten Routen überhaupt.
Nehammer sieht die Europäische Union auf einem guten Weg zu einer Einigung auf eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Die Gespräche mit seinen EU-Amtskollegen zu dem Thema seien "sehr positiv" gewesen, so Nehammer am Rande des Treffens. Es bewege sich "extrem" viel in der Frage, wie Asylverfahren schneller und effizienter gestaltet werden können. Konkrete Entscheidungen fielen bei dem Rat keine.
"Da, wo es momentan noch extrem hakt, ist die Frage des EU-Außengrenzverfahrens", sagte Nehammer weiter. Das wäre für Österreich "extrem interessant und wichtig" weil dadurch die Entscheidungen schneller getroffen und die Rückführungen schneller eingeleitet werden können. Allerdings, so der Innenminister, müsse auch sichergestellt werden, dass dann "nicht nur die Außengrenzländer von Asyl und Migration betroffen sind". Da brauche es den Grenzschutz und Drittstaatenregelungen.
"Österreich besonders belastet"
Österreich sei besonders belastet, "nur Deutschland und Schweden liegen bei den Schutzgewährungen vor uns", so der Minister. Verteilung sei ebenso wie für die Visegradstaaten keine Lösung: "Wir setzen uns für die verpflichtende flexible Solidarität der Länder ein". Das war Teil des Kommissionsvorschlags, stieß aber nicht bei allen EU-Ländern auf Wohlwollen. So könnte ein Land etwa Personal für den Grenzschutz entsenden, statt Asylwerber aufzunehmen. Für heuer rechnet der Innenminister mit rund 20.000 Asylanträgen, das wäre mehr als 2019.
Dänemark sorgte zuletzt mit einem Gesetz, das Asylzentren im Ausland ermöglicht, für Diskussionen. Damit können die Behörden Asylbewerber in Drittländer fliegen, wo sie darauf warten müssen, dass ihr Antrag in Dänemark behandelt wird. Die EU-Kommission äußerte rechtliche und humanitäre Bedenken. Nehammer begrüßte den Vorstoß dagegen ausdrücklich.
Auf den Einwand, dass ähnliche Pläne bereits seit Jahren immer wieder auf dem Tisch liegen, erklärte Nehammer: Derzeit gebe es "viel ernsthaftere Bemühungen", auf Augenhöhe mit den afrikanischen Ländern zu sprechen. Dabei verwies er unter anderem auf Wirtschaftsprojekte sowie ein Projekt, bei dem Österreich Tunesien bei der Ausbildung von Grenzschützer hilft. Auch der EU-Grenzschutzagentur Frontex, die zuletzt wegen eines Rechnungshofberichtes in die Kritik geraten ist und auch in anderen Punkten schwer unter politischem Druck ist, komme eine wichtige Rolle zu. Nehammer: "Frontex ist extrem wichtig. Man muss sich nun die Problemfelder genau anschauen, Österreich hat immer signalisiert, dass wir die Kontingentvorgaben sicher erfüllen." Frontex sei immerhin der erste, eigenständige bewaffnete uniformierte Wachkörper der EU: "Das ist eigentlich eine historische Sache. Das ist ein europäisches Bekenntnis für gemeinsames Vorgehen.
Grenzkontrollen werden bleiben
Hinsichtlich einer Aussetzung der temporären Grenzkontrollen im Schengenraum zeigte sich Nehammer unterdessen zurückhaltend. Bevor darüber gesprochen werde, die Binnengrenzkontrollen wieder zurückzunehmen, müssten der Außengrenzschutz tatsächlich funktionieren und die Grenzen dicht sein, bekräftigte Nehammer.
Die EU-Kommission will die starke Zunahme von temporären Grenzkontrollen innerhalb des eigentlich grenzkontrollfreien Schengenraumes nicht länger hinnehmen. Ihr Plan sieht vor, mit den betroffenen Staaten Gespräche über die Notwendigkeit von temporär wieder eingeführten Personenkontrollen aufzunehmen. Sollte sich dabei zeigen, dass Kontrollen unverhältnismäßig verlängert werden, müssen die Länder den Angaben zufolge mit Vertragsverletzungsverfahren rechnen.
Länder wie Österreich, Deutschland, Frankreich und Dänemark haben derzeit unter Verweis auf illegale Migration oder Terrorgefahren temporäre Grenzkontrollen bei der EU-Kommission angezeigt. Zudem kontrollieren mehrere Staaten unter Verweis auf die Corona-Pandemie ihre Grenzen.