Ein „Supertrilog“ im Anschluss an den Agrarrat sollte Ende März die Weichen stellen: in einer Marathonverhandlung in Brüssel ging es um die entscheidenden Eckpfeiler der künftigen EU-Agrarpolitik. Das sei „für die weitere Planung des Verhandlungsprozesses entscheidend“, sagte die portugiesische Landwirtschaftsministerin Maria do Céu Antunes als Vertreterin des aktuellen Ratsvorsitzes; für die Portugiesen ist der Abschluss der Verhandlungen eines der Hauptziele.
Doch viel Zeit bleibt nicht mehr und in einigen Punkten ist man bis heute noch weit auseinander. Beim Supertrilog wurde nicht nur über einzelne Aspekte verhandelt, es ging gleich um alle drei Reform-Entwürfe: um die Verordnungen zu den Strategien, die Marktordnung und Verwaltungsmaßnahmen. Zwar habe es, so das Resumee von Antunes, erkennbare Annäherungen gegeben, aber weitere Verhandlungen sind nötig. Unter anderem zur Frage, welchen Raum die neuen Öko-Regeln (Eco Schemes) bei den Direktzahlungen einnehmen werden. Für den Agrarbereich stehen im mehrjährigen Finanzrahmen 345 Milliarden Euro bereit, ein riesiger Brocken, und natürlich soll sich die Reform an den Zielen des „Green Deal“ orientieren. Das EU-Parlament hätte gerne 30 Prozent dafür, die Mitgliedsländer denken an 20 Prozent. Schließlich geht es dabei auch um Fragen, was einen Landwirt eigentlich ausmacht – und ob etwa riesige industrielle Betriebe weiterhin am großen Förderkuchen mitnaschen können.
Die Verwendung der EU-Gelder als Lenkungsmittel führen aber auch an anderer Stelle zu Debatten, unter reger österreichischer Beteiligung. Es geht um die Verknüpfung der Mittel mit der Einhaltung von Sozialstandards für die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft. Einfach ausgedrückt: wer seine Erntehelfer schlecht behandelt, soll auch kein Geld aus Brüssel bekommen. Die Portugiesen machten einen entsprechenden Vorschlag, der aber von Österreich (und einer Reihe anderer Länder) abgelehnt wurde. Die Folge war Empörung bei Interessensvertretungen sowie den Grünen und Sozialdemokraten im EU-Parlament. „Die Ausbeutung von Arbeitern und Arbeiterinnen im Agrarsektor ist in Europa gang und gebe“, kritisierte etwa der Grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz. Mitarbeiter „zu schlecht zu behandeln oder sogar illegal zu beschäftigen, darf kein Wettbewerbsvorteil sein“, sagte SPÖ-EU-Abgeordneten Günther Sidl. Und fährt schwere verbale Geschütze auf: „Dass Ministerin Köstinger europaweit Arbeitsrechte für Erntehelfer verhindern will, zeigt, wie zynisch und unsozial die ÖVP ist. Es ist ein generelles Armutszeugnis, dass gerade die türkis-grüne Bundesregierung diese Angriffe auf eine grundlegende soziale Absicherung anführt.“ Der Vorschlag sei eine der zentralen Errungenschaften, die die Sozialdemokraten im EU-Parlament in die GAP hineinverhandeln konnten. Arbeiterkammer-Agrarexpertin Maria Burgstaller meint zur Causa, mit der Konditionalität hätten Steuerzahler „Gewissheit, dass von den jährlichen 55 Milliarden an EU-Agrarförderungen nicht auch Betriebe profitieren, die ihre Erntearbeiter ausbeuten“.
Köstinger kontert: Kompromissvorschlag
So einfach sei die Sache aber nicht, heißt es dazu aus dem Landwirtschaftsministerium. Das EU-Parlament fordere keine Mindeststandards in allen Ländern, es gehe vielmehr um die Einhaltung der nationalen Standards und deren Koppelung an die Agrarförderungen. „Die Verletzung bzw. Nichteinhaltung von nationalen Standards in einem Mitgliedsstaat ist schon jetzt ein Vergehen, das auf nationaler Ebene sanktioniert werden muss. Es liegt an den Mitgliedstaaten, umfassende Standards vorzugeben und diese dann schlussendlich auch zu kontrollieren. Wenn das nicht passiert wird auch der Vorschlag des Europäischen Parlaments nichts an der Situation ändern“, argumentiert Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Österreich habe einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der die Unterstützung von bisher 15 Ländern gefunden habe.
Der Kompromissvorschlag sieht vor, dass die Beratung der Betriebe stärker gefördert und ausgebaut wird, damit Betriebe Arbeits- und Sozialstandards einhalten. Eine Evaluierung der Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten innerhalb der ersten zwei Jahre mit einer Berichtspflicht an die Kommission, um weitere Handlungen abzuleiten, ist der zweite Teil des Vorschlages. Köstinger: „Ich weise den Vorwurf, dass Österreich bei diesem Thema blockiert, auf das Schärfste zurück. Unser Ziel ist die Angleichung von Arbeits- und Sozialstandards auf österreichisches Niveau. Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass alle Mitgliedsstaaten gleichziehen. Aber das ist noch ein weiter Weg.“
Österreich gehöre zu den Ländern mit den höchsten Arbeits- und Sozialstandards in der EU, sie seien in Gesetzen, Verordnungen und Kollektivverträgen verankert. Im Ministerium verweist man dazu auf das neue Landarbeitergesetz, das vor Ostern im Nationalrat beschlossen wurde und mit 1. Juli in Kraft treten soll. Dabei geht es unter anderem um bessere und einheitliche Arbeitsbedingungen in ganz Österreich, auch, was die Unterbringung betrifft. Man habe „im Sinne der fairen Wettbewerbsbedingungen ein Interesse daran, dass die Standards im EU-Binnenmarkt auf das österreichische Niveau angehoben werden“.
Nicht Sache der EU
In Ministeriumskreisen wird betont, dass Arbeits- und Sozialrechte nicht EU-Sache seien, und fürchtet weitere Wettbewerbsverzerrung. So wie es auch in Österreich durchaus schon zu Sanktionen oder gar Betriebssperren gekommen sei, sollte das auch in anderen Mitgliedsstaaten der Fall sein – wo man es aber nicht immer so genau nehme, obwohl die Standards ohnehin schon viel geringer seien. Zuletzt habe sich der Unterschied bei Vorfällen in der Fleischverarbeitung gezeigt, wo etwa die Lohnkosten in Österreich bereits 60 Prozent über jenen in Deutschland liegen. In der Gemüseproduktion sei es nicht anders; die Standards müsste man zunächst einmal woanders anheben und das auch kontrollieren.
Die Verhandlungen gehen also weiter, derzeit laufen wieder „normale“ Triloge. Köstinger dreht den Spieß um: „Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist gegen diese Koppelung der Sozialstandards, damit werden gleichzeitig die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission zur gesamten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik blockiert.“ Österreich wolle dazu beitragen, zu einer Lösung zu kommen.