Die Außenminister der 27 EU-Länder haben bei ihrem Ratstreffen in Brüssel ein umfangreiches Sanktionspaket beschlossen. Erstmals seit 30 Jahren wurden wegen der Menschenrechtsverletzung gegen die Uiguren Sanktionen gegen China verhängt. Betroffen davon sind mehrere Personen, die als Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit in der Region Xinjiang verantwortlich gemacht werden. Die Reaktion aus Peking kam umgehend: Die EU müsse „aufhören, anderen Lektionen in Sachen Menschenrechte zu erteilen und sich in innere Angelegenheiten einzumischen“, der Beschluss beruhe nur auf „Lügen und Desinformation“. Das Außenministerium in Peking belegte fünf EU-Abgeordnete und mehrere Abgeordnete aus EU-Ländern ebenfalls mit Sanktionen.
„Der Einsatz für Menschenrechte kann keinen Lockdown kennen“, sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) beim Treffen, bei dem weitere Sanktionen gegen elf hochrangige Vertreter des Militärregimes in Myanmar beschlossen wurden sowie gegen Tschetschenen wegen der Verfolgung Homosexueller. Später wurden auch noch Sanktionen gegen Eritrea verhängt, auch in diesem Fall geht es um Verletzungen der Menschenrechte
Die EU war in letzter Zeit von der Möglichkeit wirtschaftlicher Sanktionen abgegangen, weil sie oft nur die Bevölkerung treffen. Im Fall Myanmar hatten die USA auch Geschäftsverbindungen gekappt, die EU strich die Entwicklungshilfe. Nun werden, wie zuletzt auch in Russland, einzelne Personen unter einen Bann gestellt; sie dürfen nicht einreisen, wo vorhanden, werden Konten gesperrt.
Grundsätzlich kann die EU restriktive Maßnahmen auf eigene Initiative oder zur Umsetzung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verhängen. Sie kann diese auch noch verschärfen. Sanktionen können grundsätzlich aus mehreren Gründen verhängt werden:
- Terrorismus
- proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten
- Menschenrechtsverletzungen
- die Annektierung fremder Hoheitsgebiete
- die bewusste Destabilisierung eines souveränen Landes
Der Europäische Rat listet detailliert auf, welche Möglichkeiten sonst noch zur Anwendung kommen können
- Waffenembargos
- Einreisebeschränkungen für gelistete Personen (Reiseverbot): die Betroffenen dürfen nicht in die EU einreisen oder – wenn sie Unionsbürger sind – den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht verlassen
- Einfrieren der Vermögenswerte von gelisteten Personen oder Organisationen: alle ihre Vermögenswerte in der EU werden eingefroren, und Personen und Einrichtungen in der EU dürfen ihnen keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen
- Wirtschaftssanktionen oder Einschränkungen für bestimmte Wirtschaftszweige, u. a. Einfuhr- oder Ausfuhrverbote für bestimmte Güter, Investitionsverbote, Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen usw.
Die am Montag beschlossenen Strafmaßnahmen wurden mit einem erst im vergangenen Jahr geschaffenen Sanktionsinstrument zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverletzungen verhängt. Mit der neuen Sanktionsregelung hatte die EU Ende 2020 ihre Möglichkeiten erweitert, ausländische Verantwortliche für schweres Unrecht zu bestrafen. Erstmals angewendet wurde sie im Fall Nawalny gegen Russland, das noch während eines Besuchs des Hohen Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, mit der Ausweisung mehrerer EU-Diplomaten reagierte.
Zwar werden Maßnahmen mitunter von der Öffentlichkeit belächelt, nicht selten bleiben sie auf den ersten Blick wirkungslos. Langfristig können sie aber doch zu ständigen Ärgernissen werden. Werden hochrangige Personen oder Organisationen getroffen, ist das ein empfindlicher Schlag – erkennbar oft an den heftigen Reaktionen. Möglich ist auch der demonstrative Abzug von Diplomaten aus einem Land bis hin zum völligen Abbruch der diplomatischen Beziehungen - der Weg zur politischen Isolation.
Im Fall der Türkei werden sich die Maßnahmen aber doch eher um die Wirtschaftsverbindungen drehen. Eines der Druckmittel ist die Zollunion; diskutiert wird darüber am EU-Gipfel am Ende dieser Woche, Konkretes ist vor dem Juni-Gipfel nicht zu erwarten.