Das gab EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag in Brüssel bekannt. Österreich und weitere Länder sollen weiter Rabatte auf ihre EU-Beiträge bekommen. Mit seinem Budget-Vorschlag liegt er damit knapp unter der Vorstellung der EU-Kommission.
"Es ist Zeit zu handeln, Zeit zu entscheiden", sagte Michel. Er hielt auch daran fest, 500 der 750 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds als Zuschüsse auszuzahlen, die von den Empfängerländern nicht zurückgezahlt werden müssen. Dagegen stemmen sich bisher eine Reihe EU-Länder wie die Niederlande und Österreich, die vor allem auf die Vergabe von Krediten setzen wollen.
Ihnen kam Michel mit einer stärkeren Mitsprache des Rates der Mitgliedstaaten bei der Vergabe der Gelder entgegen. Nationale Pläne, um die Gelder zu bekommen, müssten nun zunächst mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten beschlossen werden. Erst danach könnte die EU-Kommission die Freigabe veranlassen.
Zudem passte Michel die Kriterien für die Vergabe der Mittel an. Gut zwei Drittel der Zuschüsse sollen zwar weiter vor allem gemäß den Arbeitslosenzahlen in den Jahren vor der Corona-Krise vergeben werden. Bei knapp einem Drittel soll allerdings der Rückgang der Wirtschaftsleistung vor allem 2020 und 2021 zugrunde gelegt werden.
Wie von einigen Ländern gefordert, soll nun bereits 2027 und nicht 2028 mit der Rückzahlung der durch die EU-Kommission als gemeinsame Schulden aufgenommenen Corona-Hilfsgelder begonnen werden. Sie sollen dann bis 2058 getilgt sein.
Neue EU-Steuern und Abgaben kommen
Die Rückzahlung will Michel durch neue EU-Steuern und Abgaben finanzieren. Er schlug dabei die Nutzung einer Abgabe auf Plastikmüll, die Ausweitung des Emissionshandels etwa auf Luft- und Schifffahrt sowie eine Steuer auf Produkte aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen vor. Damit soll verhindert werden, dass für die Rückzahlung der Corona-Schulden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt erhöht werden müssen.
Der Corona-Hilfsplan ist eng verknüpft mit dem nächsten Sieben-Jahres-Budget der EU für die Zeit von 2021 bis 2027. Für ihn schlug Michel nun ein Volumen von 1.074 Milliarden Euro vor. Dies sind 13 Mrd. Euro weniger als er vor dem im Februar gescheiterten Budgetgipfel vorgeschlagen hatte. Ein Ende Mai von der EU-Kommission vorgelegter neuer Vorschlag sah ein Volumen von 1.100 Mrd. Euro vor.
237 Millionen Euro Rabatt für Österreich
Um den Widerstand von Nettozahlerländern zu überwinden, will Michel Rabatte bei den Beitragszahlungen anders als von der EU-Kommission gefordert beibehalten. Nach seinen Plänen sollen Österreich, Dänemark, Deutschland, die Niederlande und Schweden pauschale Abschläge auf ihre Zahlungen in den EU-Haushalt bekommen.
Konkret soll Österreich in den kommenden sieben Jahren einen jährlichen Rabatt von 237 Millionen Euro auf seinen EU-Beitrag erhalten. Deutschland soll künftig 3,671 Mrd. Euro weniger in das EU-Budget einzahlen, als es auf Grundlage der Wirtschaftsleistung berechnen müsste. Die Niederlande sollen einen Nachlass von 1,576 Mrd. Euro bekommen, in Schweden sind es 798 Mio. Euro und für Dänemark wird ein Rabatt von 197 Mio. Euro von Michel vorgesehen.
Neu in Michels Vorschlag ist eine Anhebung des Anteils der Budgetmittel, die für den Klimaschutz eingesetzt werden. Er soll von bisher anvisierten 25 auf 30 Prozent steigen.
Auch eine "Reserve" von fünf Mrd. Euro, um den Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt Ende des Jahres abzufedern, war in bisherigen Vorschlägen nicht enthalten. Das Geld soll demnach für "unvorhergesehene Folgen" in den "am stärksten getroffenen Mitgliedstaaten und Branchen" dienen.
Bei der Frage, wie EU-Mittel künftig bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können, blieb Michel bei einer relativ hohen Hürde. Solchen von der Kommission empfohlenen Kürzungen müsste der Rat der Mitgliedstaaten demnach mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.
"Wir werden während des Gipfels schwierige Gespräche haben", sagte Michel voraus und verwies darauf, dass die Vorhaben durch die 27 Mitgliedstaaten einstimmig gebilligt werden müssten. Er setze aber "auf den politischen Mut" der Staats- und Regierungschefs.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will den Vorschlag Michels erst einmal begutachten. "Wir haben den neuen Vorschlag von Ratspräsident Michel zur Kenntnis genommen, werden diesen nun genau prüfen und uns dabei weiterhin eng mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden abstimmen", heißt es in einer der APA übermittelten Aussendung. "Diskussionsbedarf" ortete er beim Corona-Wiederaufbaufonds, dort würden die Positionen unter den EU-Ländern "weiterhin sehr weit" auseinanderliegen.
Ähnlich äußerte sich auch Europaministerin Karoline Edtstadler. Für sie ist es wichtig, dass "die Mittel für den Wiederaufbau rasch wirken und es zu einer klaren zeitlichen Befristung kommt".
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn sieht in den Vorschlägen Michels eine Basis für den kommenden Gipfel. "Auf den ersten Blick scheint er mir eine akzeptable und realistische Grundlage für die Verhandlung der Mitgliedstaaten beim Europäischen Rat kommende Woche zu sein", sagte Hahn in einer Stellungnahme vom Freitag. Kritisch seien die Kürzungen von Programmen im mehrjährigen Finanzrahmen wie Erasmus (Studentenaustausch), Horizon (Forschung) und Migration anzumerken.
Forderungen kamen umgehend aus Ungarn und Tschechien. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban knüpft seine Zustimmung an die Bedingung, dass die Empfängerländer über diese Gelder frei verfügen dürfen. Sein tschechischer Amtskollege forderte erneut Änderungen bei den Vergabekriterien. Es sei ungerecht gegenüber Tschechien, die Arbeitslosenquote der letzten fünf Jahre als Kriterium heranzuziehen, kritisierte der 65-Jährige. Tschechien hatte nach den letzten Zahlen von Eurostat die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU.