Die ungarische Regierung schließt die umstrittenen Transitzonen an der Südgrenze des Landes. Damit folge man dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Unterbringung von Asylbewerbern, teilte Kanzleiminister Gergely Gulyas am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Budapest mit. Ein Asylantrag könne ab sofort nur mehr bei ausländischen Vertretungen im EU-Ausland gestellt werden.
Die Transitzone sei "eine Lösung gewesen, die Ungarns Grenzen geschützt hat", betonte Gulyas. Die Regierung sei zwar nicht einverstanden mit dem EuGH-Urteil, das der Minister als "bedauerlich" bezeichnete. Doch als EU-Mitgliedstaat sei Ungarn verpflichtet, das Urteil umzusetzen. Wer künftig einen Asylantrag für Ungarn stellen wolle, der könne das ab sofort nur noch außerhalb Ungarns - in ungarischen Botschaften oder Konsulaten in Nicht-EU-Ländern - machen, erklärte Gulyas.
Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs verstößt die Unterbringung von Asylwerbern in den Containerlagern an der ungarisch-serbischen Grenze ohne Einzelfallprüfung gegen EU-Recht. Die Bedingungen in dem Lager glichen einer Inhaftierung, befanden die Luxemburger Richter in ihrem Urteil von vergangener Woche.
Die durch die Schließung aktuell betroffenen 280 Personen in den betroffenen Lagern Röszke und Tompa werden in ein Auffanglager gebracht, so Gulyas. Die beiden Camps wurden nach Angaben des Ungarischen Helsinki-Komitees (HCC) bereits in der Früh geräumt. Dabei wurden rund 300 Personen, zum Großteil Familien mit Kleinkindern, in "offene oder halb offene" Einrichtungen gebracht, berichtete die Nichtregierungsorganisation (NGO).
Ein Jahr lang festgesessen
Das HCC hatte die vier klagenden Asylwerber aus dem Iran und aus Afghanistan, die seit mehr als einem Jahr in der Transitzone festsaßen, bei ihrer Klage vor dem EuGH vertreten. Sie waren über die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Ungarn gekommen. Die ungarischen Behörden wiesen ihre Asylanträge mit der Begründung ab, die Menschen seien über ein Land - den Nicht-EU-Staat Serbien - eingereist, in dem ihnen weder Verfolgung noch ernsthafter Schaden drohten. Zudem sei in den Ländern, über die sie nach Ungarn gekommen seien, ein angemessenes Schutzniveau gegeben. Klagen gegen diese Entscheidung wies das zuständige ungarische Gericht ohne Prüfung ab.
Das nunmehrige Ende der einjährigen "rechtswidrigen Haft" begrüßte das Helsinki Komitee. Die Aufgabe der Organisation bestünde nun darin, den nun freien Menschen rechtliche Informationen darüber zu geben, was sie in den neuen Zentren erwartet und welche Verhaltensregeln eingehalten werden müssen. Auch soll auch dabei geholfen werden, die Bearbeitung ihres Asylantrages voranzutreiben, teilte die Organisation mit.
Ungarns harte Flüchtlingspolitik ist seit Jahren heftig umstritten und beschäftigt auch immer wieder die EU-Behörden. Anfang April entschied der Europäische Gerichtshof, dass Ungarn, Polen und Tschechien während der Flüchtlingskrise EU-Recht verletzt hätten, weil sie die Übernahme von Asylbewerbern aus Italien und Griechenland abgelehnt hatten.
Auch die im Rahmen der Coronakrise beschlossenen Sonderbefugnisse für die ungarische Regierung sorgten EU-weit für heftige Kritik. Wie Gulyas am Donnerstag im Rahmen der Pressekonferenz mitteilte, werde die Regierung kommenden Dienstag im Parlament den Regelentwurf über die Abschaffung der umstrittenen Notstandsbefugnis einreichen. Der Krisenstab werde seine Tätigkeit jedoch weiter fortsetzen.
Mit dem am 30. März verabschiedeten Notstandsgesetz hatte sich das von Orbans rechtsnationaler Regierungspartei Fidesz kontrollierte ungarische Parlament selbst entmachtet. Das Gesetz ermöglichte der Regierung, unbegrenzt auf dem Verordnungsweg per Dekret zu regieren.