Großbritannien will am Montag 16 unbegleitete minderjährige Migranten aus den griechischen Lagern auf den Inseln im Osten der Ägäis aufnehmen. Im gleichen Flugzeug, das aus Athen abfliegen soll, werden auch 31 erwachsene Migranten sein.
Das ist besser als nichts und gerade von den Briten, die sich mit Beharrlichkeit von der EU verabschieden, eine feine Geste. Und doch bleibt in dieser Geschichte insgesamt viel übler Beigeschmack.
Luxemburg und Deutschland hatten Mitte April jeweils 12 bzw. 47 unbegleitete Minderjährige aufgenommen. Ein weiterer Flug mit 22 unbegleiteten Minderjährigen soll in den kommenden Wochen in die Schweiz starten. Auch Finnland will nach griechischen Angaben etwa 100 Minderjährige aufnehmen.
Ein Plan der EU sieht vor, dass rund 1.600 jugendliche Migranten aus Griechenland in andere EU-Staaten gebracht werden. Gut 90 Prozent der Minderjährigen sind männlich. In den Lagern der Inseln im Osten der Ägäis harren zurzeit knapp 38.000 Menschen aus. Mehr als ein Drittel sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) Minderjährige.
Österreich hat eine Beteiligung an der Umsiedlung strikt ausgeschlossen. Es hilft Griechenland aber bei der Unterbringung von Migranten und liefert Container.
Verhältnismäßigkeit
Wie Österreich mit dieser Frage umgeht, ist eine Sache; die griechischen Lager an sich eine ganz andere. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warf diese Woche Europa Untätigkeit in Bezug auf die Zustände in den Flüchtlingslagern vor. "Wir müssen allen Menschen in den Lagern helfen", sagte er: "Ich empfinde es als Schande, welche Zustände mitten in Europa akzeptiert werden."
Müller will nicht verstehen, dass es nicht möglich ist, zumindest kleinere Einheiten mit menschenwürdigen Bedingungen nach UN-Standards zu schaffen. Man kann es ihm nachfühlen, genau das ist der Kern des Problems: Nach all der Zeit, seit die schrecklichen Zustände bekannt sind - immerhin auf europäischem Gebiet - sind wir über das Schicken von Containern und die Verlegung einer Handvoll bedauernswerter Minderjähriger noch immer nicht hinausgekommen. Die Coronakrise hat das alles noch mehr kompliziert.
Bis es soweit ist, dass die EU eine Aslyreform umsetzt oder eine brauchbare Lösung für die Verteilung findet, werden noch Jahre vergehen, bis dahin wird es viel Flickwerk und bestenfalls humanitäre Alleingänge von Mitgliedsländern geben. Europa mit (inklusive Großbritannien) mehr als 500 Millionen Einwohnern muss doch trotzdem jetzt imstande sein, für knapp 40.000 Asylsuchende bis zur Klärung der Verfahren - also der Entscheidung, wer von ihnen bleiben kann und wer nicht - menschenwürdige Unterbringungsmöglichkeiten zu finden und gleichzeitig die Verfahren schneller zu bewerkstelligen.
Sagt der Verstand. Die Realität sagt etwas anderes.