Von vornherein stand fest, dass es keine Schlusserklärung geben würde, sondern bloß ein Papier des Ratspräsidenten Charles Michel – den 27 Staats- und Regierungschefs sowie den Präsidenten der Institutionen wurde damit der Druck genommen, in dem mittlerweile vierten EU-Gipfel innerhalb weniger Wochen zwanghaft zu einem Ergebnis zu kommen. Wie zu erwarten bestätigen sie zumindest, was davor schon ausgehandelt war: das Drei-Säulen-Paket aus Rettungsschirm ESM, Investitionsbank EIB und Kurzarbeit-Förderung „Sure“ im Wert von 540 Milliarden Euro wurde final angenommen, es kann bereits mit 1. Juni starten.
Schwieriger gestaltet sich jedoch die Struktur des für die folgenden Jahre nötigen „Wiederaufbau-Fonds“. Italien, von Corona schwer betroffen und von der EU schwer enttäuscht, hatte an „Coronabonds“ festgehalten. Gegner dieser Bonds, darunter Österreich, wollen sich auf keinen Fall auf eine Vergemeinschaftung von (alten) Schulden einlassen. Doch mit einem Einlenken der Italiener ist der Weg frei für Plan B: Die Kommission wurde beauftragt, die Details eines Aufbauplanes auszuarbeiten, in den die individuelle Situation jedes Landes eingewoben ist. Kanzler Sebastian Kurz sagte nach dem Gipfel, es müsse „klar sein, dass die Mittel des Wiederaufbauplans von den jeweiligen Mitgliedsländern zurückgezahlt werden“.
Die unterschiedliche Ausgangslage in den Ländern wirft jedoch ein Problem auf, das auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte: die wirtschaftliche Erholung dürfe nicht asymmetrisch erfolgen. „Die Wirtschaftsleistung wird zurückgehen, aber das darf nicht unterschiedlich stark sein.“ Schon bisher seien an staatlichen Beihilfen 1,8 Billionen Euro geflossen, es gäbe aber enorme Unterschiede innerhalb der Union. Die Debatte über den Unterschied zwischen rückzahlpflichtigen Krediten und Beihilfen ohne Rückfluss wird also anhalten. Allerdings hofft man wohl auf besonders ausgeklügelte neue Vorschläge. Spanien etwa brachte die Idee von „ewigen Anleihen“ auf – Schulden, für die Zinsen fällig werden, die aber keinen Rückzahlungstermin haben.
Wirtschaftsmotor Deutschland kommt einmal mehr eine bedeutende Rolle zu, Angela Merkel hat sich in der Krise überraschend stark wieder auf der EU-Bühne gezeigt. Auch sie ist gegen Bonds, zeigt allerdings Bereitschaft, in Zukunft mehr ins EU-Budget einzuzahlen. Das langjährige EU-Budget ist der Dreh- und Angelpunkt für die Wiederaufbaupläne, deren genauen Umfang noch niemand benennen kann. Von der Leyen nannte gestern erstmals eine neue Zahl: Man müsse durch Garantien die „Eigenmittel-Deckelung“ von derzeit 1,2 auf 2 Prozent erhöhen, damit ließe sich die Budget-Obergrenze verdoppeln.
Es steht also ein neuer Kraftakt an Solidarität bevor. Dabei scheint es, als sei an diesem Gipfel trotz der Unterschiede doch eine Annäherung der Länder gelungen. Am Rande diskutierte man sogar über Tourismus und offene Grenzen – die Kommission soll Koordinationsarbeit für den Sommer leisten.