Bis kommende Woche haben die Finanzminister der Eurogruppe Zeit, neue Vorschläge zu erarbeiten, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise abzufedern. Mittlerweile gäbe es ein Verständnis dafür, dass über "Fiskal-Solidarität auf eine andere Art nachgedacht werden" müsse. Bei dem Gipfel sei noch zu wenig realisiert worden, dass es hier nicht um "Routinepolitik" gehe, sagte gestern EU-Experte Fabian Zuleeg vom Brüsseler Thinktank European Policy Center (EPC) in einer Videokonferenz.
Wenig später kam die Nachricht von einer Einigung zwischen den beiden Großen Mitgliedsländern Frankreich und Deutschland. Sie wollen am Dienstag demnach ein Drei-Säulen-Modell vorschlagen: Kredite des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen genutzt werden. Zusätzlich könnte die EU Mittel für die Sicherung der Arbeitslosenversicherung der Mitgliedstaaten bereitstellen. Frankreich hatte bisher mit einer Gruppe weiterer Mitgliedsstaaten auf die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen ("Coronabonds") gedrängt, was von nördlichen Euro-Staaten wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden abgelehnt wurde.
In einem Statement tritt Luca Jahier, Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, für "einen umfassenden Erholungsplan nach dem Vorbild des Marshallplans oder des New Deal" ein. Viele, teilweise erst angedachte Möglichkeiten würden sich anbieten: die Schaffung einer speziellen Covid-Kreditlinie des ESM, die Coronabonds, die Schaffung eines Finanzministeriums für den Euroraum und womöglich einmalige gemeinsame Aufwendungen.
Jahier: "Jetzt geht es nicht mehr um die Schaffung der Union, sondern um ihre Rettung. Wir erleben eine außerordentliche Situation, mit unsäglichen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger der EU, Unternehmen und Beschäftigte, die allen Grund dazu haben, sich um ihre Gesundheit, ihre Arbeitsplätze und die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen. Jetzt ist einvernehmliches mutiges Handeln gefragt."
Die EU habe ihre wirtschaftlichen Regeln, die bislang als unveränderbar galten, gelockert. Sie habe die allgemeine Ausweichklausel im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts aktiviert und zusätzliche Flexibilität hinsichtlich der Rahmenregelungen für staatliche Beihilfen gewährt. Sie habe die EU-Verordnung über die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen geändert und den EU-Solidaritätsfonds auf Notlagen größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit ausgeweitet. In Bezug auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Solidaritätsfonds mahnt der EWSA in seinem Positionspapier allerdings, dass die Bestimmungen über die Förderfähigkeit von spezifischen Maßnahmen zur Bewältigung der von der Pandemie ausgelösten Krise nicht konkret genug sind.
Einzelstaatliches Stückwerk führt in die Katastrophe
"Der EWSA hat dazu durch aktive Beratungstätigkeit beigetragen. Zunächst veröffentlichte er umgehend eine Erklärung, die sein Präsidium mit voller Unterstützung der drei Gruppen im schriftlichen Verfahren angenommen hatte, und dann erarbeitete er auf Anfrage des Europäischen Parlaments drei Positionspapiere für dessen außerordentliche Plenartagung am 26. März", so Jahier.
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Weltgemeinschaft nicht mehr mit einer so dramatischen Krise konfrontiert, so der Präsident weiter: "Keine Regierung in Europa oder anderswo kann eine solche Pandemie im Alleingang bewältigen. Alle Mitgliedstaaten der EU müssen an einem Strang ziehen, sich gegenseitig unterstützen und ein gemeinsames Vorgehen koordinieren. Einzelstaatliches Stückwerk ist ein Patentrezept für eine Katastrophe. Was wir jetzt falsch machen, können wir vielleicht nie wieder korrigieren."