Ein Tag, der in den Geschichtsbüchern seinen Niederschlag finden wird: Innerhalb weniger Stunden gab es eine Plenarsitzung des EU-Parlaments, ein Treffen der G20 und einen EU-Gipfel – eine Ansammlung von Treffen, die es so noch nicht gegeben hat. Die meisten davon fanden per Videokonferenz statt. Ausgenommen jenes des EU-Parlaments: Der Präsident und eine kleine Schar Abgeordneter kamen in den riesigen Plenarsaal, wo am Beginn auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine große Rede hielt. Tenor: Es ist an der Zeit, Einheit und Stärke zu demonstrieren. Die EU solle nicht mit 27 kleinen, sondern einem großen Herzen schlagen. Von der Leyen verwies auf die begonnenen Maßnahmen und übte scharfe Kritik an Ausfuhrbeschränkungen für medizinische Güter und den Grenzschließungen zwischen den Mitgliedsländern.
Das Parlament musste zusammentreten, um die Notmaßnahmen der Kommission (unter anderem den Anstoß eines 37-Milliarden-Pakets) freizugeben, die Zustimmung, hauptsächlich per komplexem E-Mail-Verfahren, erfolgte nahezu einstimmig. 687 von insgesamt 705 Abgeordneten beteiligten sich. Der österreichische EP-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP) betonte diese deutliche Übereinstimmung über alle Fraktionen hinweg und die Wichtigkeit eines europäischen Rahmens: „Manche Mitgliedsstaaten tendieren in Krisenzeiten zu nationalen Scheuklappen.“ Karas listete schon aufgesetzte europäische Maßnahmen auf: „grüne Korridore“ für den Warenverkehr, Leitlinien für das Grenzmanagement, gemeinsames Beschaffungswesen (Schutzmasken, Tests und Beatmungsgeräte im Gegenwert von rund 50 Millionen Euro), gezielte Unterstützung von Forschungsprojekten, Mittel im Ausmaß von bis zu 1100 Milliarden Euro, freigesetzt durch die EZB. Der langjährige EU-Abgeordnete wies auf einen Umstand hin, der zuletzt von vielen angezweifelt wurde: "Die europäische Demokratie lässt sich durch ein globales Virus nicht in die Knie zwingen. Die Bürgerinnen und Bürger können sich auch in dieser Krise auf die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit des Europäischen Parlaments verlassen."
Die G20-Konferenz, die mehr oder weniger parallel dazu stattfand, schloss mit der Einigung auf ein Investitionspaket in der unvorstellbaren Höhe von 4,5 Billionen Euro (5 Millionen Dollar), über Initiative der EU soll zusätzlich eine weltweite Geberkonferenz einberufen werden – zur Intensivierung der Impfstoffforschung und um die armen Länder weltweit nicht im Stich zu lassen. Für Länder wie Afrika lässt eine Ausbreitung des Coronavirus das Schlimmste befürchten.
Streit um die Corona-Bonds
Ein anderer Plan ist umstritten: Neun EU-Länder hatten sich für „Corona-Bonds“ ausgesprochen. Othmar Karas, der vor Kurzem für den „grünen Deal“ eine „Zukunftsanleihe“ vorgeschlagen hat, spricht sich klar dafür aus und geht damit einmal mehr auf Gegenkurs zu Sebastian Kurz, der gestern beim EU-Gipfel Österreichs ablehnende Haltung bekräftigte. Auch Deutschland hatte schon abgelehnt.
Der Gipfel selbst sollte eigentlich nach zwei Stunden zu Ende sein, dauerte aber bis weit in die Nacht. Hauptgrund dafür war ein Streit mit dem von den Folgen des Virus am schwersten getroffenen Italien, das die Schlusserklärung torpedierte und zunächst „innerhalb von zehn Tagen“ eine neue Lösung für Hilfsgelder haben wollte. Italien (unterstützt von Spanien) tritt für „Corona-Bonds“ ein, weist aber zurück, dass es dabei um eine Vergemeinschaftung von Schulden gehe. Von den Gegnern wird befürchtet, dass dies der erste Schritt für eine generelle Vergemeinschaftung der Außenstände sei, in diesem Fall tut sich eine Kluft zwischen "sparsamen" und "verschwenderischen" Ländern auf. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Länder der Eurozone in zwei Wochen neue, konkrete Pläne vorlegen sollen. Auch die Einbeziehung des ESM, des "Europäischen Stabilitäts Mechanismus" der als Teil des Euro-Rettungsschirms ins Leben gerufen wurde, soll bis dahin noch genauer geprüft werden.
Der Alleingang Ungarns (die befürchtete Entmachtung des Parlaments durch ein unbefristetes Not-Dekret) spielte offensichtlich keine große Rolle beim Videogipfel. Bei den Grenzschließungen gelobte man, koordinierter vorzugehen. Einig ist man, strategisch wichtige Firmen, die in Schieflage geraten, vor „feindlichen“ Übernahmen zu schützen.
Am Ende gab es keine Schlusserklärung, sondern eine Art "Schlusspapier" - wie es von seiten des Rates hieß, liege das an formalen Gründen, weil sich die Staats- und Regierungschefs diesmal ja nicht tatsächlich getroffen hätten.