Ab Montag muss sich die neue EU-Kommission der bereits vom Europaparlament gewählten Präsidentin Ursula von der Leyen einem Stresstest stellen. Insgesamt 24 Kommissare werden den Fachausschüssen des EU-Parlaments Rede und Antwort stehen. Großbritannien hat wegen dem Brexit keinen Kommissar nominiert.

Und die Kandidaten aus Rumänien und Ungarn, Rovana Plumb und Laszlo Trocsanyi, sind bereits vorher wegen Interessenskonflikten gestoppt worden, was die Auseinandersetzungen umso schärfer machen dürfte. Die künftige Kommissionspräsidenten ist von den Hearings ausgenommen.

Sonderanhörung

Die rumänische Sozialdemokratin Plumb und der Fidesz-nahe Trocsanyi konnten den Rechtsausschuss in einer Sonderanhörung nicht von ihren integren Vermögensverhältnissen überzeugen: Dem früheren Justizminister Trocsanyi, der für das Erweiterungsressort vorgesehen war, wird laut dem Magazin "Politico" eine mittlerweile zurückgefahrene Beteiligung an einer Anwaltsfirma angelastet, außerdem enge Kontakte zu Russland, seine Rolle beim Bau des AKW Paks II, überdies gibt es politische Vorbehalte gegen ihn wegen seiner Rolle bei den umstrittenen ungarischen Justizreformen. Die als Verkehrskommissarin nominierte Plumb konnte vor dem Rechtsausschuss nicht einen ungeklärten Privatkredit zur Finanzierung ihres Wahlkampfes und einen nicht angegebenen Bankkredit in Höhe von 800.000 Euro aufklären.

Hoch politische Angelegenheit

Die Hearings sind aber alles andere als eine rein technische Überprüfung, sondern ein hoch politische Angelegenheit, bei der die Fraktionen tunlichst drauf achten, ihren Einfluss in der EU-Kommission durchzusetzen. Den Anfang macht am Montag der slowakische Kommissionsvize Maros Sefcovic, bisher Vizepräsident für die Energieunion und nunmehr für die Beziehungen zu den andere EU-Institutionen zuständig. Den Abschluss bilden am 8. Oktober die Anhörungen der schwergewichtigen Exekutiv-Vizepräsidenten, des lettischen Konservativen Valdis Dombrovskis (Finanzdienstleistungen), der für Digitalisierung und Wettbewerb zuständigen dänischen Liberalen Margrethe Vestager und des für Klimaschutz zuständigen niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans.

Wackelkandidaten

Mögliche weitere Wackelkandidaten sind der für das Agrarressort vorgesehene Pole Janusz Wojciechowski von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen während seiner Zeit im Europaparlament ermittelt die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf gegen ihn. Die EU-Anti-Betrugsbehörde ermittelt auch gegen die französische Kandidatin für die EU-Kommission, die Liberale Sylvie Goulard. Olaf untersuche Vorwürfe zur angeblichen Scheinbeschäftigung eines Assistenten der Französin auf Kosten des Europaparlaments.

Im Visier der Behören

Der belgische Kandidat für den Posten des künftigen EU-Justizkommissars, der Liberale Didier Reynders, ist ins Visier der Behörden seines Landes geraten. Wie die Brüsseler Staatsanwaltschaft mitteilte, ist der bisherige Außenminister mit einer Untersuchung zu Vorwürfen der Geldwäsche in der Demokratischen Republik Kongo konfrontiert. Fragen zu Interessenskonflikten gibt es auch zu der portugiesischen Sozialdemokratin Elisa Ferreira, die das Ressort Kohäsion und Reformen führen soll. Sie müsste laut Transparency International künftig kontrollieren, ob ihr Gatte Fernando Freire de Sousa, Leiter der portugiesischen Behörde CCDR-N, in Nord-Portugal EU-Regionalfonds richtig zuteilt, was Interessenskonflikte nach sich ziehen könnte.

Rede und Antwort

Der von Österreich nominierte EU-Kommissar Johannes Hahn, der in der nächsten Kommission die Budgetplanung übernehmen soll, wird am 3. Oktober voraussichtlich zu den schwierigen Verhandlungen über den Finanzrahmen Rede und Antwort stehen müssen. Der für die Prüfung von Interessenskonflikten zuständige Rechtsausschuss hatte beschlossen, dem designierten Haushaltskommissar Johannes Hahn zu empfehlen, gehaltene Aktien zu verkaufen.

Plumb und Trocsanyi sind nicht zu den Hearings zugelassen, für sie ist das Verfahren suspendiert. Politisch gilt es jedoch als nahezu ausgeschlossen, dass von der Leyen beide noch halten kann. Rumäniens Präsident Klaus Iohannis hat die Regierung in Bukarest aufgefordert, einen neuen Kandidaten für die künftige EU-Kommission zu benennen.

In der Vergangenheit hat das EU-Parlament immer wieder Kommissarsanwärter abgelehnt. Formal kann das EU-Parlament keine einzelnen EU-Kommissarsanwärter verhindern, die Ausschüsse geben nur Empfehlungen ab. De facto kommt ein negatives Urteil aber einem Hinauswurf gleich. Denn dann wäre die Mehrheit für die gesamte EU-Kommission fraglich, die vor ihrer Amtsübernahme vom EU-Parlament gebilligt werden muss. Das Votum findet planmäßig am 23. Oktober statt. Am 1. November soll von der Leyens Team die Amtsgeschäfte von der Juncker-Kommission übernehmen.