Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich neuerlich für eine Reform der Dublin-Regeln zum Umgang mit Asylbewerbern ausgesprochen. "Wir müssen Dublin reformieren, um mehr Fairness und Lastenverteilung zu erreichen", sagte die CDU-Politikerin der "Bild"-Zeitung.
"Ich habe nie wirklich verstanden, warum Dublin mit der einfachen Gleichung begann: Wo ein Migrant zuerst europäischen Boden betritt, muss er oder sie bleiben", sagte von der Leyen. "Die Migration findet auf dem See- oder Landweg statt. Wir können nur dann stabile Außengrenzen haben, wenn wir den Mitgliedstaaten, die aufgrund ihrer Position auf der Karte dem größten Druck ausgesetzt sind, genügend Hilfe leisten."
Die Dublin-Regeln zum Umgang mit Asylbewerbern in der Europäischen Union sehen vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem EU-Land stellen müssen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten.
Experte Knaus: "Zahlen für jedes Land bewältigbar"
Der Migrationsexperte Gerald Knaus ist unterdessen optimistisch, dass die von Deutschland angeführte Gruppe von EU-Staaten eine "praktikable Lösung" im Streit um Seenotrettung auf dem Mittelmeer finden wird. Die Zahl der Migranten sei nämlich "eigentlich für jedes einzelne europäische Land bewältigbar", sagt Knaus am Freitag im Ö1-Morgenjournal.
"Letztlich geht es hier um so wenige Menschen, dass dieses Schauspiel, diese wochenlangen Dramen auf dem Meer nur Populisten wie Matteo Salvini nützen, denn sie suggerieren, dass wir es hier mit einer großen Zahl von Migranten aus Afrika zu tun haben, wenn in Wirklichkeit im gesamten ersten Halbjahr weniger als 4.000 Menschen von der libyschen Küstenwache auf dem Wasser gestoppt und zurückgebracht wurden und ungefähr 2.500 nach Italien kamen", sagte der Chef der Denkfabrik "European Stability Initiative" (ESI).
Mit Blick auf die Spaltung der EU-Staaten in der Frage der Flüchtlingsaufnahme sagte Knaus, den deutschen Verantwortlichen sei "längst klar, dass sie am Ende mit einer kleinen Gruppe von Ländern vorangehen müssen". Dies werden "die gleichen Länder sein, die auch im letzten Jahr schon immer die Leute übernommen haben", nannte Knaus unter anderem Finnland, Luxemburg, Portugal und Frankreich. "Ich bin da eigentlich optimistisch, dass am Ende eine praktikable Lösung herauskommt."
Knaus plädierte zugleich dafür, dass die Europäische Union Vereinbarungen mit Herkunftsländern zur Rücknahme von Migranten schließt. "Wir brauchen Partner, die ein Interesse haben, zu helfen." Konkret nannte der als Autor des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens geltende Experte etwa Gambia. Allerdings müsse klar sein, dass eine Regelung erst ab einem Stichtag und die danach ankommenden Migranten gelten könne.
Als das "wirkliche Versagen" der europäischen Seite sieht Knaus, dass die EU-Staaten immer noch nicht in der Lage seien, rasch zu entscheiden und Migranten zurückzuschicken. Obwohl die Zahl der in Griechenland ankommenden Migranten von einer Million auf 26.000 gesunken sei, "gelingt es heute nicht, mehr als 25 Menschen pro Monat zurückzuschicken", kritisierte er die schleppenden Asylverfahren.