Innenminister Wolfgang Peschorn hat seinen italienischen Amtskollegen Matteo Salvini zum kommenden Treffen der "Forum Salzburg"-Länder im Oktober in Wien eingeladen. Dabei gehe es unter anderem um einen "Austausch über Know-How zur Bekämpfung der Schlepperei", sagte Peschorn am Rande des informellen Rats der Innen- und Justizminister der EU am Donnerstag in Helsinki.
Peschorn bestätigte zudem, dass es derzeit zwei Diskussionspapiere - das eine von Deutschland und Frankreich, das andere von Malta und Italien - gebe, um eine systematische und gemeinsame Lösung der aktuellen Flüchtlingssituation auf europäischer Ebene zu finden. Peschorn meinte, eine Mehrheit der europäischen Staaten, darunter Österreich, seien sich darin einig gewesen, dass der deutsch-französische Vorschlag in punkto Maßnahmen "vor Ort", inklusive der nordafrikanischen Staaten, und hinsichtlich der Vermeidung eines "Pull-Effekts" noch "entscheidend nachgebessert" werden müsse.
Nicht genügend Länder bereit
Die EU-Innenminister haben sich bei Gesprächen in der finnischen Hauptstadt Helsinki vergeblich um eine Einigung auf eine Übergangsregelung zur Verteilung von im Mittelmeer geretteten Migranten bemüht. Es hätten sich nicht genügend Länder bereit erklärt, bei einer von Deutschland und Frankreich vorangetriebenen Initiative mitzumachen, sagte Luxemburgs Minister Jean Asselborn am Mittwochabend.
Neben Luxemburg sagten demnach bei dem Treffen lediglich Portugal und Finnland ihre grundsätzliche Unterstützung zu. Dazu kämen nach derzeitigem Stand lediglich noch drei bis vier am Abend nicht vertretene EU-Staaten, sagte Asselborn. Insgesamt sei man damit bei nicht einmal zehn Ländern. "Das ist traurig", sagte er. Die Gespräche sollen an diesem Donnerstag fortgesetzt werden.
Nach Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der einem deutschen Vorstoß zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa bereits eine klare Absage erteilt hat, hat sich auch Außenminister Alexander Schallenberg gegen neue Initiativen für Flüchtlingsquoten gewandt.
Beim informellen EU-Ministerrat der Ressortchefs für Innere Angelegenheiten in Helsinki ging es am Donnerstag um eine rasche Lösung der humanitären Krise im Mittelmeer. Mehrere Minister sprachen sich vor den gemeinsam Gesprächsrunden für einen Notfallmechanismus aus, der bei weiteren Beratungen in den kommenden Wochen und Monaten weiter ausgearbeitet werden soll.
Kampf gegen Schlepperei
Der österreichische Innenminister Wolfgang Peschorn sagte, bei dem mehrstündigen, gemeinsamen Arbeitsessen der Vertreter der EU-und Schengen-Minister am Mittwochabend seien auch "neue Vorschläge" diskutiert worden. Dem Vernehmen nach kamen diese vonseiten Maltas und Italiens. Peschorn sprach sich gleichzeitig mit der Rettung von Schiffbrüchigen auch für den Kampf gegen die "Schlepperei" aus. Dies solle verstärkt in den Herkunfts- und Ausreiseländern außerhalb der EU geschehen. Das Abendessen sei ein "offener Austausch" gewesen. Er sei optimistisch, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden könne.
Sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer, der nach dem Abendessen in der Nacht auf Donnerstag noch eine Reihe bilateraler Gespräche mit einzelnen Ländern geführt hatte, sprach von mehrstündigen, "sehr, sehr intensiven" Diskussionen. Auch Seehofer betonte, dass einerseits die "akute Frage der Seenotrettung" Priorität habe, sah aber auch eine Unterbindung des "Geschäfts der Schleuserei" für notwendig an. Deutschland und Frankreich wollten ein solidarisches, gemeinsames System. Deutschland insbesondere stünde an "vorderster Front" und jederzeit, mit gutem Beispiel voran zu gehen. "Die Arbeit mach'ma gerne", so der deutsche Innenminister.
Staaten, die sich bisher geweigert hätten, einen gemeinsamen europäischen Mechanismus zur Entlastung der EU-Mittelmeermitglieder mitzutragen, müsse man mit Argumenten überzeugen. Es gebe schließlich so etwas wie eine europäische Wertegemeinschaft. "Humanität und Ordnung" gingen Hand in Hand, so Seehofer.
Notfall-System auf Zeit
Deutschland, Frankreich, Italien, Malta und das EU-Vorsitzland Finnland beschlossen in Helsinki, einen "temporären Notfallmechanismus" für in Seenot geratene Flüchtlinge einrichten zu wollen. Ein solcher soll - auch für den Fall, dass sich nicht alle der derzeit 28 Mitgliedstaaten der EU daran beteiligen werden - spätestens im September operativ werden.
Das sagte Seehofer im Rahmen des gegenwärtigen informellen EU-Ministerrats in Helsinki. Er kündigte weitere Detailverhandlungen mit den verschiedenen EU-Ländern für kommenden Montag in Paris und einem von der finnischen Ratspräsidentschaft anberaumten Sondertreffen in der ersten Septemberwoche - noch ohne konkretes Datum - auf Malta an.
Bis dahin werde es notgedrungen so wie bisher eine umständliche Telefondiplomatie für jeden Einzelfall geben, so Seehofer. Gleichzeitig betonte er, Deutschland habe letztlich bisher immer eingewilligt, die betroffenen Flüchtlinge vorläufig zu übernehmen. Es sei für ihn klar, dass die Europäer zuallererst die Verpflichtung hätten, Menschen vor dem Ertrinken zu retten.
Polen und Ungarn auf Distanz
Weiters räumte aber Seehofer ein, er erwarte nicht, dass sich am Ende der Verhandlungen alle EU-Staaten an dem Mechanismus beteiligen werden und nannte hiefür Polen und Ungarn als Beispiele. Insgesamt sei er aber zuversichtlich, dass der Plan umgesetzt werden könne. Er halte den vereinbarten Verhandlungszeitplan für ein "verantwortliches Vorgehen". Man habe sich schließlich nicht "auf den Sankt Nimmerleinstag verständigt", so der deutsche Innenminister.
Italien auf Konfrontation
Italiens Innenminister Matteo Salvini hat die Vorschläge von Deutschland und Frankreich bereits zurückgewiesen. Nach einem gemeinsamen Abendessen schrieb Salvini auf Twitter, Deutschland und Frankreich wollten weiterhin, dass Italien eines der wenigen Ankunftsländer für Flüchtlinge sei. Italien dagegen arbeite an einer "stabilen Mittelmeer-Achse", um "die Regeln zu ändern und dem Menschenschmuggel ein Ende zu setzen". Salvini gab vor der internationalen Presse zunächst keine Stellungnahme ab. Sein maltesischer Kollege Michael Farrugia hingegen sprach von einem "guten Start" bei den Vorgesprächen vom Mittwochabend. Alle 28 Mitgliedsstaaten müssten gemeinsam handeln und Solidarität zeigen.
"Humanes Niemandsland"
Aus Kreisen der Verhandler war hingegen zu hören, dass die 28 EU-Mitglieder weiterhin zutiefst gespalten seien und etliche EU-Mitglieder nach wie vor nicht bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei fiel auch der Wortlaut, diese Länder seien "humanes Niemandsland".