Die SPÖ ist heute, Samstag, in ihren EU-Wahlkampf gestartet. Nach der scharfen Rede von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schießt auch Andreas Schieder gegen Nationalismus und Rechtsextrimismus. Er greift massiv die Bundesregierung an, fordert aufgrund der Identitären-Affäre: "Eine klare Abgrenzung der ÖVP wäre eine Beendigung dieser Koalition." Jetzt sei dafür der Zeitpunkt gekommen. Die Kritik der FPÖ am Koalitionspartner hält er für unglaubwürdig. Der ÖVP-Kandidat Othmar Karas erinnere ihn an Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter". "Gelöscht wird ein Brand mit einem Feuerlöscher. Wir brauchen einen Feuerlöscher - und der ist bekanntlich rot," so Schieder.
"Unzufriedenheit der Menschen aufgegriffen"
Bei der FPÖ habe es immer "diese Kellernazis gegeben, die aus dem Westentaschel herausgeschaut haben". Jetzt seien sie im Erdgeschoss der Gesellschaft angekommen. Die Rechten hätten das Ziel, die EU von innen zu zerstören. Was er den europäischen Rechtspopulisten, die als Wölfe im Schafspelz daherkämen, zugesteht: "Sie haben die Unzufriedenheit der Menschen aufgegriffen". Damit hätten sie Recht. Aber genau diese Unzufriedenheit habe zum Brexit geführt.Es gelte, die Wut der Bürger in die richtige Richtung zu lenken und ein Europa zu bauen, wo der Mensch im Mittelpunkt stehe. Pamela Rendi-Wagner hatte beschworen, eine gemeinsame Vision für ein neues Europa zu entwicklen.
Die ehemalige Ankerbrot-Fabrik in Wien-Favoriten ist Schauplatz des "kleinen Parteitags", bei dem auch das Wahlprogramm abgesegnet wird. Nach dem österreichischen Listenersten Andreas Schieder ist der europäische Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Frans Timmermans zu hören. Unter ihm als Kommissionspräsident zahlten Konzerne wieder Steuern, verspricht er. Er werde für einen europäischen Mindestlohn und eine europäische Mindestsicherung eintreten.
Die Veranstaltung steht unter dem Motto "Mensch statt Konzern".
Schieder kritisiert am Beispiel Starbucks Steuerungerechtigkeit. Der Konzern habe in Österreich 2017 bei einem Umsatz von 18 Millionen Euro Umsatz exakt 803 Euro und 9 Cent Steuern gezahlt. Das Floridsdorfer Gasthaus "Zum frohen Schaffen" das Zehnfache.
Nach AK-Wahl Standing Ovations für Anderl
Stimmung machte gleich zu Beginn Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda - und das, indem er die Teilergebnisse der für die Sozialdemokraten erfolgreich verlaufenen Arbeiterkammer-Wahl deklamierte, was in erstaunlich ausführlichen Standing Ovations für Kammerpräsidentin Renate Anderl endete. Die bei dem Urnengang erfolgreiche Mobilisierung möge Vorsatz für die EU-Wahl sein, warb Drozda.
"Entscheidende Wahl"
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hob in seinem Eingangsstatement hervor, dass es eine entscheidende Wahl sei, die zeigen werde, wie es in Europa weitergehe - ob mit einem Europa der Konzerne, einem Europa, das sogar Rechtsextreme einschließe, oder mit einem Europa, das den Menschen in den Mittelpunkt stelle. Ein besonderes Lob gab es für den roten Spitzenkandidaten, einst sein Kontrahent ums Bürgermeisteramt, der sich schon von Jugend an mit Europa auseinandergesetzt habe. Wenn jemand Europa- mit nationaler oder auch kommunaler Politik verbinden könne, dann habe dieser den Namen Schieder.
Die Kandidatenliste muss der Parteirat diesmal nicht absegnen, weil das schon beim Bundesparteitag in Wels vergangenen Dezember erledigt wurde. Jene Kandidaten, die hinter Schieder an wählbarer Stelle gereiht wurden, werden in Wien in Talkrunden den Delegierten vorgestellt. Als fix gilt der Wiedereinzug von Evelyn Regner, ansonsten wird das SPÖ-Team im Europaparlament ausschließlich aus Neulingen bestehen.
Gute Chancen auf ein Mandat haben als Vertreter Niederösterreichs, der Steiermark und Oberösterreichs Günther Sidl, Bettina Vollath und Hannes Heide. Die Chefin der Sozialistischen Jugend Julia Herr versucht über einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf einen Sitz zu erlangen. Ein weniger gelegt hat sich mittlerweile der Kärntner Ärger darüber, dass der eigene Spitzenkandidat Luca Kaiser an unwählbarer Stelle gereiht wurde, obwohl die Landesgruppe aktuell die erfolgreichste ist.
"Kurz ist Türöffner für Rechtsextreme"
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner attestiert der FPÖ, sich von Rechtsradikalen gar nicht distanzieren zu wollen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz bezeichnete sie als "Türöffner für Rechtsextreme".
Der Kampf gegen Rechtsextreme in Europa müsse Priorität haben. "Wie wird die Zukunft meiner Töchter aussehen?" warf sie in die Menge. "Warum sollen meine Kinder und Eure Kinder und Enkelkinder nicht nicht die gleichen Chancen in Europa haben, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten hatten."