Das britische Unterhaus darf kein drittes Mal über denselben Brexit-Deal abstimmen. Das machte Parlamentspräsident John Bercow am Montag im Unterhaus deutlich. Ohne Änderungen an dem Abkommen verstoße dies gegen eine Regel aus dem frühen 17. Jahrhundert, wonach dieselbe Vorlage nicht beliebig oft zur Abstimmung gestellt werden darf.

Damit machte Bercow der Regierung einen Strich durch die Brexit-Pläne. Ursprünglich hatte Premierministerin Theresa May angekündigt, ihr mit Brüssel ausgehandeltes Abkommen bis Mittwoch erneut den Abgeordneten vorzulegen. Allerdings zeichnete sich bis zuletzt immer noch keine Mehrheit für den Vertrag im völlig zerstrittenen Unterhaus ab.

Die Regierung hatte noch bis zuletzt versucht, in langen Gesprächen mit der nordirischen DUP den Widerstand zu überwinden. Die Unterstützung der Partei, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, gilt als Schlüssel für den Erfolg des Deals. Sollte die DUP ihre Haltung ändern - so war die Hoffnung - könnten auch etliche Gegner aus Mays Konservativer Partei einknicken.

Zeitplan verlangt

Hochrangige Parteikollegen von May verlangen einer Zeitung zufolge von der Premierministerin einen Zeitplan für ihren Rücktritt als Bedingungen für die Zustimmung zu ihrem Brexit-Plan. May habe dies von ihrem Chief Whip Julian Smith erfahren, berichtete die "Financial Times" am Montag. Dieser ist für die Mehrheitsbeschaffung bei den Konservativen zuständig.

Einige Abgeordnete wollten sicher gehen, dass May nicht eine zweite Runde von Verhandlungen mit der EU leitet, hieß es weiter. Die Regierungschefin hat zwei Abstimmungen über ihren mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag verloren.

Ein Jahr Fristverlängerung

Nach jüngsten Meldungen will die britische Regierungschefin die EU mit einem Brief von einer Brexit-Verschiebung überzeugen. May werde in dem Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Fristverlängerung beantragen, sagte ihr Sprecher am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in London. Der Brief solle noch im Laufe des Tages, spätestens aber am Mittwoch versandt werden.

Berichten zufolge will May erreichen, dass der geplante EU-Austritt um ein Jahr verschoben wird. Ihr Sprecher machte dazu keine Angaben.

Backstop

Knackpunkt des Brexit-Streits ist der sogenannte Backstop. Dabei handelt es sich um eine in dem Austrittsabkommen festgeschriebene Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist.

Brexit-Hardliner befürchten, dies könnte das Land dauerhaft an die Europäische Union fesseln und eine eigenständige Handelspolitik unterbinden. Sie hatten daher eine Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop gefordert.

29. März nicht zu halten

Eigentlich wollte Großbritannien am 29. März aus der EU austreten. Der Termin ist aber nicht mehr zu halten. Falls es doch noch eine dritte Abstimmung geben sollte, wird unabhängig vom Ergebnis mit einem Antrag auf Verschiebung des Austrittsdatums gerechnet.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas zeigte sich für eine "Ehrenrunde" offen, um einen ungeregelten Brexit und seine vielen Nachteile zu vermeiden. Der SPD-Politiker forderte in Brüssel aber Klarheit von Großbritannien: "Wie lange? Was soll der Grund sein? Wie soll das ablaufen? Was ist eigentlich das Ziel der Verlängerung? Darüber wird man jetzt sprechen." Der belgische Außenminister Didier Reynders meinte ebenfalls: "Wir sind nicht gegen eine Verlängerung, aber wir wollen wissen, welche Absichten London damit verfolgt."

Der Vorsitzende des EU-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum, äußerte sich jedoch kritisch. "Es mangelt der britischen Politik an Konzeptionen", so der CDU-Politiker in der ARD. "Wenn ich mit 200 Kilometern pro Stunde auf einen Abgrund zurase, dann ist es vielleicht nicht die richtige Strategie zu sagen: Ich brauche mehr Zeit."

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in Berlin, er verstehe oft nicht recht, was in Großbritannien vor sich gehe. In der jetzigen Lage würde man in Deutschland oder auch anderen Ländern versuchen, sich über Parteigrenzen hinweg zu einigen. "Das wäre auch für das Vereinigte Königreich nicht die schlechteste Idee."

In Großbritannien setzt Oppositionsführer Jeremy Corbyn jedoch auf eine Neuwahl. Für den Fall einer erneuten Niederlage hatte der Labour-Chef May mit einem neuen Misstrauensantrag gedroht.