"Österreich ist gut, kann aber noch besser werden", fasst Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater der Vertretung der EU-Kommission in Wien, den aktuellen Länderbericht der Kommission über Österreich zusammen. Schwachstellen seien allerdings das Pensions- und das Gesundheitssystem sowie der Pflegebereich. "Wir sehen in allen drei Systemen ein Problem der mittelfristigen Nachhaltigkeit."
Österreichs wirtschaftliche Eckdaten sind sehr solide: Die Wirtschaftsleistung dürfte im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent gewachsen sein, vor allem durch den privaten Konsum. "Es gibt einen deutlichen Zuwachs bei der Beschäftigung um 1,5 Prozent und es gibt eine positive Lohnentwicklung", sagte Fähndrich. Man sehe auch ein solides Wachstum der Investitionen und ein kräftiges Exportwachstum. Die Arbeitslosigkeit in Österreich sei stark gesunken, der durchschnittliche Nominallohn um 2,5 Prozent gestiegen und das Reallohnwachstum habe sich von 0,2 Prozent im Jahr 2017 auf 0,8 Prozent im Jahr 2018 beschleunigt.
Empfehlungen der EU umgesetzt
Die österreichische Politik setze die früheren Empfehlungen der EU um, "allerdings ist es auch ein Weg der kleinen Schritte", aber bei großen Systemen wie dem Pension- und dem Gesundheitssystem könnten auch kleine Reformen zum Ziel führen, sagte Fähndrich.
Das Pensions-, das Gesundheits- und das Langzeitpflegesystem sind nach Einschätzung der EU-Ökonomen die großen Problemfelder in Österreich. "Hier sehen wir insgesamt nur begrenzte Fortschritte." Österreich habe zwar Anstrengungen zur Steigerung der Effizienz im Gesundheitswesen unternommen, "aber die grundlegenden Herausforderungen bleiben bestehen". Die öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege werden sich bis 2070 verdoppeln, so die Schätzung.
Die steigende Lebenserwartung wirke sich nicht nur auf die Pensionsausgaben, sondern auch auf die Gesundheitsausgaben aus. "Hier sehen wir, dass Österreich hat ein sehr teures System hat." Pro Kopf würden dafür in Österreich 4.033 Euro ausgegeben, während der EU-Durchschnitt bei 3.305 Euro liege. Kostentreiber sei dabei der Krankenhaussektor, der in Österreich stärker ausgeprägt sei als in den meisten anderen EU-Ländern. Krankenhäuser seien nicht überall im Land nur aus gesundheitspolitischen Überlegungen heraus entstanden, sondern auch aus strukturpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen - es sei jedoch "nicht sinnvoll, Menschen zu behandeln, um Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist sinnvoll, Menschen zu behandeln, wenn sie krank sind."
Die Krankenkassen-Reform sei ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer Effizienzsteigerung im Gesundheitsbereich, sagte Fähndrich. "Wir sehen das erst am Ende des Prozesses, ob das wirklich Einsparungen bringt - erst wird es Anlaufkosten verursachen. Der große Kostentreiber ist der Spitalssektor in Österreich." Hier könnte durch eine Verbesserung der Effizienz mehr eingespart werden als durch die Krankenkassen-Reform allein. Die durchschnittliche Krankenhaus-Aufenthaltsdauer liege in Österreich mit 8,5 Tagen deutlich über dem EU-Durchschnitt von 7,6 Tagen. Empfohlen wird von der EU daher eine Stärkung der Vorsorge und der Prävention.
Auch die öffentlichen Ausgaben für die Pensionen zählten in Österreich mit 13,8 Prozent des BIP zu den höchsten innerhalb der EU. Eine Koppelung des gesetzlichen Pensionsalters an die Lebenserwartung wäre sinnvoll, sagte Fähndrich. Die Angleichung des Pensionsalters von Frauen an jenes der Männer sollte beschleunigt werden. "Frauen sind im Alter von 60 bei besserer Gesundheit als die Männer, aber sie gehen fünf Jahre früher in Pension und leben auch noch fünf Jahre länger - da passt irgendetwas nicht zusammen." Das habe auch Konsequenzen für die Altersarmut von Frauen.
Geringverdiener schonen
Bei der Steuerpolitik empfiehlt die EU-Kommission, die Belastung von Arbeit grundsätzlich zu reduzieren, und zwar insbesondere bei den Geringverdienern. "Vielleicht würden mehr Leute arbeiten gehen, Arbeit aktiv nachfragen, wenn man nicht als Durchschnittsverdiener 47,4 Prozent abgeben müsste."
Der Familienbonus werde sich auf die Erwerbstätigkeit positiv auswirken, sagte Jozef Vasak von der Vertretung der EU-Kommission. Die Beschäftigung von Frauen werde um 0,5 Prozent steigen und jene der Männer um 0,3 Prozent, das seien aber nur geringfügige Verbesserungen. Man empfehle daher, mehr Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, um mehr Frauen in Vollzeitjobs zu bringen. Zwar sei die Erwerbstätigkeit von Frauen in den letzten zehn Jahren auf 71 Prozent gestiegen und liege damit deutlich über dem EU-Durchschnitt, allerdings sei die Teilzeitquote von Frauen in Österreich mit 47 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt von 31 Prozent.
Mehr Geld für Integration
Für das Schulwesen wird empfohlen, mehr Geld für Schüler mit Migrationshintergrund bereitzustellen. Die letzten Pisa-Ergebnisse hätten gezeigt, dass der Anteil der leistungsschwachen Schüler in den Kernbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften gestiegen sei, wobei im Inland geborene Schüler im Durchschnitt einen Vorsprung von drei Schuljahren hätten.