Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hat seine Zustimmung zu weiteren EU-Hilfen für die Ukraine von der Freigabe blockierter EU-Mittel für sein Land abhängig gemacht. Ungarn verlange „nicht die Hälfte, nicht ein Viertel, sondern alles“, sagte Orban am Freitag in einem Interview im ungarischen Radio mit Blick auf EU-Gelder in Höhe von zwölf Milliarden Euro, die wegen Rechtsstaatsverfehlungen nach wie vor zurückgehalten werden.
Der ungarische Regierungschef hatte beim EU-Gipfel am Donnerstag mit seinem Veto die Auszahlung weiterer EU-Hilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro blockiert. Ungarn kann laut Orban auch den EU-Beitritt der Ukraine noch immer blockieren: Am Ende des „sehr langen Prozesses“ könne das ungarische Parlament immer noch die Aufnahme der Ukraine in die EU verhindern, wenn dies notwendig sei, sagte Orban am Freitag im staatlichen Hörfunk.
Hilfe auch ohne Ungarn möglich
Mehrere Staats- und Regierungschefs betonten am Freitag, dass 26 EU-Staaten den Ukraine-Hilfen zugestimmt hätten. Es wäre aber besser, alle 27 EU-Staaten einschließlich Ungarn an Bord zu haben, sagte der Präsident von Litauen, Gitanas Nauseda. Ansonsten wäre es auch möglich die Hilfen bilateral zu 26 zu beschließen, machte Irlands Premier Leo Varadkar klar. Die Suche nach Lösungen werde nunmehr über Weihnachten fortgesetzt, und der Gipfel werde im Jänner wieder zusammenkommen. Bei den Extra-Hilfen für die Ukraine geht es um 50 Milliarden Euro, davon 33 Milliarden Kredite und 17 Milliarden an Zuschüssen.
Die EU-Kommission hatte eine Aufstockung des EU-Haushalts vorgeschlagen, um die Ukraine vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. Gefeilscht wurde zudem um eine weitere Aufstockung des EU-Haushaltsrahmens bis 2027. Im Gespräch waren zuletzt gut 20 Milliarden Euro, unter anderem für den Außengrenzschutz und für Migrationsabkommen mit Drittländern. Eine Einigung scheiterte laut Diplomaten ebenfalls an Ungarn.
Vermutet wurde ein Zusammenhang mit EU-Mitteln für Ungarn, die wegen Rechtsstaatsverfehlungen zurückgehalten werden. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch zehn Milliarden Euro dieser Mittel freigegeben, weitere zwölf Milliarden Euro bleiben eingefroren. Orban betonte jedoch zunächst, es bestehe kein Zusammenhang mit den Ukraine-Themen.
Startschuss für Beitrittsgespräche
Am Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschefs bereits den Startschuss für EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau gegeben. Auch mit Bosnien werden Beitrittsgespräche eröffnet, sobald die nötigen Bedingungen erfüllt sind. Die Kommission soll im März Bericht erstatten. Georgien erhält EU-Kandidatenstatus.
Orban nannte die am Donnerstag vom EU-Gipfel beschlossene Aufnahme von Beitrittsgesprächen für die Ukraine eine „schlechte Entscheidung“. Er habe diese nicht mittragen wollen und deshalb den Saal verlassen, sagte er am Freitag im staatlichen Hörfunk. Nur so kam die notwendige Einstimmigkeit der EU-Staats- und Regierungschefs zustande.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte „jedem, der daran gearbeitet hat, dass dies gelingt und der geholfen hat. Ich gratuliere jedem Ukrainer an diesem Tag“, so Selenskyj auf X (Twitter). Er gratulierte ebenfalls Moldau und deren Präsidentin Maia Sandu. „Geschichte wird von denen gemacht, die nicht aufhören, für Freiheit zu kämpfen.“
Es sei wichtig, diese positiven Signale zu senden, reagierte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einem schriftlichen Statement zum Entschluss, der laut ihm „größtenteils symbolischen Charakter“ habe. „Wir wollen, dass sowohl der Westbalkan als auch die Ukraine, Moldau und Georgien, eine pro-europäische Haltung haben, und sich an uns annähern.“ Nehammer begrüßte insbesondere die Entscheidung zu Bosnien. „Wir haben uns jahrelang intensiv für Bosnien eingesetzt und werden dies auch weiterhin so fortsetzen.“ Er begründete seine Haltung vor allem mit Blick auf die Sicherheit. „Nur wenn die Ukraine dem Widerstand Russland standhält und nur wenn der Westbalkan stabil bleibt, haben wir Sicherheit an unseren eigenen Grenzen.“
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am zweiten Tag des EU-Gipfels in Brüssel über die Themen Nahost, Antisemitismus und Migration beraten. In einem Brief an Ratspräsident Charles Michel vom November hatte Bundeskanzler Nehammer gefordert, dass das Thema Antisemitismus beim Gipfel angesprochen und über konkrete Maßnahmen einschließlich Sicherheitsmaßnahmen diskutiert wird.