Das TV-Duell mit Ingrid Thurnher Donnerstagabend war für Alexander van der Bellen und Norbert Hofer die allerletzte Möglichkeit, vor Hunderttausendenden Österreichern aufzutreten und die letzten Unentschlossenen von sich zu überzeugen. Und angesichts des abermals knappen Rennens zwischen den beiden ging es nicht nur sprichwörtlich um jede Stimme. Die beiden Kontrahenten schenkten sich nichts.
Das TV-Duell in Zitaten:
Zu Beginn bot Thurnher beiden Kandidaten eineinhalb Minuten Zeit, um ein persönliches Resümee über diesen Wahlkampf zu ziehen. Für beide war es eine unglaubliche Zeit, mit unglaublichem Einsatz, "bis zu 18 Stunden am Tag", so Hofer. Weh tue es, wenn in der Hektik manches oft falsch verstanden werde, etwa seine jüngsten Aussagen zur Todesstrafe, die als Sympathien dafür interpretiert wurden: "Ich habe schließlich mein ganzes Leben lang etwas anderes vertreten."
Für Van der Bellen war es eine "glückbringende Sache, wie viele private Initiativen sich gebildet haben, Junge wie Alte, die verstanden haben, dass es um mehr geht als die Wahl eines Präsidenten, eine echte Richtungsentscheidung, ob wir uns abschotten oder ein verlässliches Mitglied der EU bleiben". Aber auch für Hofer bedeutet ein Wahlsieg, Verantwortung für Österreich zu übernehmen: Ich werde gut zuhören, viel arbeiten."
Van der Bellen und Hofer krachten im letzten TV-Duell zusammen
Nazi oder nicht Nazi?
Dann ging es richtig zur Sache: Thurnher stellte eine harmlose Frage: Ob es gut sei, dass es kein Fairnessabkommen in diesem Wahlkampf gegeben habe. Und plötzlich ging es wieder darum, wessen Vater Nazi war oder nicht. Wer welche Parteimitgliedschaft habe, oder nicht. Van der Bellen eröffnete das Match, indem er Hofer vorwarf, sich nie dafür entschuldigt zu haben, dass Hofer-Mitstreiterin Ursula Stenzel seinen Vater fortgesetzt als Nazi bezeichne. "Ich habe ein Bild mit. Mein Vater war ein Mensch. Das tut man nicht, so einen Menschen, der seit 50 Jahren tot ist, so zu diffamieren."
Hofer revanchierte sich prompt: Auch sein Vater, auch er selbst werde von Mitstreitern der Grünen ständig als Nazi bezeichnet. Und dann zählte er eine Reihe anderer angriffiger Postings angeblicher Van der Bellen-Unterstützer auf.
KPÖ oder nicht KPÖ?
Schließlich ging auch Hofer noch einmal in die Offensive und strapazierte die angebliche kommunistische Vergangenheit Van der Bellens. Als Kronzeugen rief er die KPÖ auf, die zur Wahl Van der Bellens aufgerufen habe. Da wusste sein Kontrahent eine rasche Antwort: "Dann bin ich auch Mitglied der ÖVP, weil Reinhold Mitterlehner dazu aufgerufen hat, mich zu wählen. Und ich bin Mitglied der SPÖ, weil Christian Kern dazu aufgerufen hat, mich zu wählen. Und ich bin natürlich auch Grüner, weil Eva Glawischnig dazu aufgerufen hat, mich zu wählen."
Ungeachtet des Versuchs, Van der Bellen als kommunistisch zu diskreditieren, wiederholte Hofer seine Freundschaftsbekundungen gegenüber Russlands Vladimir Putin. Alles im Sinne der Öffnung eines riesigen Marktes für österreichische Produkte, wie er betonte.
Thema Sicherheit
Eine Reihe von Fragestellungen arbeitete Moderatorin in Zusammenhang mit dem Thema Sicherheit ab.
Hofer würde IS-Rückkehrern die Staatsbürgerschaft aberkennen und sie nicht mehr zurücklassen nach Österreich, Van der Bellen nicht: "Für mich ist die Staatsbürgerschaft etwas so Wichtiges, dass man sie niemanden aberkennen kann."
Hofer warf Van der Bellen vor, in der Vergangenheit für die Abschaffung von Wehrpflicht und Zivildienst eingetreten zu sein. Van der Bellen konterte, die österreichische Bevölkerung habe gesprochen, und das nehme er zur Kenntnis. Die Tätigkeit der Zivildiener - wer immer diese verrichte - sei für ihn immer schon wichtig gewesen.
Für Hofer ist trotz Neutralität ein Unterstellen Österreichs unter einen gemeinsamen europäischen Oberbefehl denkbar, wenn der "Ernstfall" eintritt - auf Nachfrage nannte er nicht-militärische Ernstfälle, wie Erdbeben. Für Van der 'Bellen ist die Vorstellung, dass Österreich einem fremden Oberbefehl untersteht, generell nicht mit der Neutralität vereinbar.
Den Abzug der österreichischen Soldaten vom Golan hält Hofer für richtig. Van der Bellen hält die damalige Vorgangsweise für zu überhastet: "Der Eindruck war, dass wir Hals über Kopf davonlaufen, wenn es brenzlig wird, das war nicht gut für Österreich."
Thema Europa
Hofer und Van der Bellen gerieten sich praktisch bei jedem Thema in die Haare. Als Van der Bellen dafür eintrat, die Kommission zu stärken und den Rat zu schwächen, die Runde der Ministerpräsidenten, die durch das Einstimmigkeitsprinzip alles blockiere, reagierte Hofer demonstrativ emotional: "Unfassbar! Wollen Sie der Präsident eines Bundeslandes Österreich werden?" Mit dem Beitritt sei das Versprechen verbunden gewesen, dass die Rechte Österreichs gewahrt bleiben.
Da wurde auch Van der Bellen emotional: Hofer gehe nicht auf die Sache ein, greife nur einzelne Worte heraus. "Der Unterschied zwischen uns ist, dass Sie an der EU nichts Positives sehen, Sie wollen, dass wir austreten!" Man warf einander wie schon zuvor wechselseitig Zitate an den Kopf, um das Gegenüber der Lüge zu zeihen. Moderatorin Thurnher gelang es nur mit Mühe, das Heft des Handelns wieder an sich zu ziehen.
Van der Bellen hatte einen ganzen "Kalender" mit Zitaten und Fotos mit, unter anderem eines von Hofer mit Frankreichs Marine Le Pen: "Kennen Sie die? Die will die EU zerstören!" Darauf Hofer: "Und Sie pflegten Beziehungen mit Fidel Castro!"
Und dann kam die Rede noch auf die Todesstrafe. Van der Bellen: "Sie wollen sogar darüber eine Volksbefragung durchführen lassen. Das war nicht vor Monaten oder Jahren, das war gestern." Hofer: "Lüge!".
Österreich und die Welt
Ein paar Dinge gab es dann doch, wo sich die beiden potenziellen Bundespräsidenten zumindest annähernd einig waren. Beide würden mit der Türkei im Gespräch bleiben, auch um auf eine Zeit nach dem Erdogan-Regime vorbereitet zu sein. Beide würden die Sanktionen gegen Russland lockern, wenn auch nur, so Van der Bellen, "step bei step", also im Gegenzug zu entsprechenden Maßnahmen auf russischer Seite.
In Sachen USA ist Hofer gelassen, geht davon aus, dass die Vereinigten Staaten sich positiv weiterentwickeln, trotz Donald Trump. Van der Bellen steht zu seiner Kritik an Trump wegen dessen sexistischen Verhaltens und wartet ebenfalls ab. "Wir werden sehen, auch welche Regierung Trump ernennt. Europa wird USA immer zutiefst verpflichtet bleiben wegen des Eintritts in den Krieg gegen Hitler-Deutschland. Im Zweifel sollten wir Europäer aber selbstbewusst unsere Interessenvertreten."
Claudia Gigler