Als "klare Fehlentscheidung" kritisiert der Verfassungsrechtler Heinz Mayer jetzt im "Falter" die Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof. Der Gerichtshof habe "den Boden der Verfassung verlassen".
Der VfGH irre in einem zentralen Punkt, so Mayer laut einer Vorab-Aussendung: Es komme nicht auf die Möglichkeit eines Einflusses von Unregelmäßigkeiten auf das Wahlergebnis an, sondern darauf, ob es wahrscheinlich war, dass so ein Einfluss gegeben war. Statistische Untersuchungen würden aber zeigen, dass die Möglichkeit eines Einflusses kleiner als ein Promille war.
Keine Relevanz fürs Ergebnis
Aus Mayers Sicht hätte der VfGH allenfalls die Neuauszählung der Briefwahl in den beanstandeten Bezirken anordnen können - aber das sei wohl nicht möglich gewesen, weil der VfGH selbst "das Gebot der 'Reinheit' von Wahlen" erfunden habe, angesichts der Tatsache, dass Teilergebnisse an bestimmte Stellen weitergegeben wurden.
Unmittelbar nach der Aufhebung der Stichwahl hatte Mayer - er war Mitglied des Personenkomitees von Alexander Van der Bellen - noch gemeint, es gebe "nichts zu meckern" über die Begründung. Anfang Juli hielt er es nicht für problematisch, dass für eine Aufhebung keine konkreten Manipulationen nachgewiesen werden müssen. "Ich denke, es geht nicht anders und ist deshalb seit 90 Jahren auch ständige Rechtsprechung." Den zweiten Grund, die Weitergabe von Ergebnissen an Medien, hielt er schon damals für nicht überzeugend.