"Airbus wird mich kennenlernen.“ So tönte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) vor Monaten. Umgemünzt auf das Bundesheer heißt das: „Meine Soldaten werden mich kennenlernen.“ Und die empfinden das als Bedrohung. Die Ministerin aus dem niederösterreichischen Bauernbund ohne militärische Erfahrung startete einen Reformprozess ohne Einbindung der Truppe. Nicht einmal Informationen gab es. „Wir mussten vieles häppchenweise aus den Medien erfahren“, lautet daher der Grundtenor der Kritik, der sich aus praktisch allen Stellungnahmen herausfiltern lässt, die die Bundesländerzeitungen in den vergangenen Tagen in der Truppe gesammelt haben.
Kommentar
Das Heer ist zu einem Fall für den Konkursrichter verkommen. Es mangelt an allen Ecken und Enden: Das hatte der Verteidigungsminister der Expertenregierung, Thomas Starlinger, treffend aufgezeigt.
Minister Hans Peter Doskozil hatte bei vielen Interesse am Soldaten-Job geweckt. Das zeigten die Zahlen der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) in Enns. „Der Hype lässt nach. Das hatte sich aber schon abgezeichnet“, sagt HUAk-Chef Nikolaus Egger. Othmar Wohlkönig, Präsident der Unteroffiziersgesellschaft, formuliert schärfer: „Nach dem Anstieg der vergangenen Jahre haben wir schon heuer um ein Drittel weniger Anwärter als 2019.“
Loyalität ungebrochen
Ungeachtet dessen, dass es in vielen Soldaten innerlich brodelt: Die Loyalität speziell der Führungskräfte in Wien scheint ungebrochen. Die Mehrzahl der Generäle in der Zentrale in der Rossauer Kaserne übt sich im Schweigen und Erdulden einer Entwicklung, die einer Todesspirale der Landesverteidigung gleicht. Alarm schlagen dagegen hochrangige Militärs in den Ländern. So bringt etwa der Chef der 6. Gebirgsbrigade, Johann Gaiswinkler, in Absam die Stimmung in der Truppe mit einem Zitat von Alexander Puschkin auf den Punkt: „Wir, die Willigen, von den Unwissenden geführt, tun das Unmögliche für die Undankbaren. Wir haben so lange so viel mit so wenig vollbracht, dass wir inzwischen in der Lage sind, alles mit nichts zu erreichen.“
Vorarlbergs Militärkommandant Gunther Hessel vergleicht das Heer mit einer eher schiefen Holzhütte: „Teilweise regnet es rein, die Heizung fällt immer wieder aus, die Stromleitungen sind zu schwach.“ Wie marode die Infrastruktur mittlerweile ist, zeigen die Daten des Militärkommandos Salzburg deutlich auf: 70 Prozent wären hier zu sanieren.
Investitionsbedarf: 100 Millionen
Wenn nun etwa angekündigt wird, mit einem Investitionspaket die Miliz zu stärken, ist das lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Kommandant des Tiroler Jägerbataillons, Oberstleutnant Elmar Rizzoli, sagt zum Ist-Zustand: „Als Jägerbataillon haben wir derzeit nicht einmal ein Fahrzeug – das müssen wir ausleihen.“
Wer nun annimmt, die Miliz sei eben das Stiefkind, die aktive Truppe dafür zumindest passabel ausgestattet, der irrt. Für Truppenbewegungen in einem Bundesland müsste entweder Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert oder eben Fahrzeuge angemietet werden, sagt Oberösterreichs Militärkommandant Dieter Muhr. „Wenn alles gleichzeitig eingesetzt werden muss, dann wird es sehr eng.“
Österreichweit wurden seit 2016 alleine 1093 Heeresfahrzeuge „ausgeschieden“ – prozentuell waren das etwa in Salzburg 50 Prozent. „Es gibt einen großen Nachholbedarf, den wir im gesamten Heer haben. Das betrifft Fahrzeuge, Funkgeräte, bis in den Bereich der persönlichen Schutzausrüstung“, sagt Wiens Militärkommandant Kurt Wagner.
In der Steiermark streicht sein Amtskollege Heinz Zöllner die Fliegerabwehr hervor, deren Waffensysteme „am Ende der technischen Lebensdauer“ angekommen seien.
Dass Beschaffungen dringend nötig wären, ist durchaus auch im Ministerium angekommen. Aber dort fehlt es regelmäßig an Geld und alles dauert – aus Sicht der Truppe – ewig. Denn Spezialgerät ist nicht so einfach und schnell zu bekommen wie ein Privatauto. Da gibt es lange Vorlaufzeiten – nicht zuletzt bei der Auslieferung.
Und dann kommt oftmals der Sparzwang dem Militär in die Quere. Ein Beispiel: Nach der Lawinenkatastrophe in Galtür 1999 sollte das Heer mit zwölf S-70-Black-Hawk-Hubschraubern aufgerüstet werden. 2002 kamen tatsächlich die ersten, insgesamt wurden es dann aber nur neun. Erst jetzt sollen laut Wolfgang Wagner, Chef des Kommandos Luftunterstützung in Hörsching, 2021 und 2022 die fehlenden drei Großraumhubschrauber ankommen. In vielen anderen Bereichen heißt es dagegen weiter warten: warten, bis es zu spät ist.