Endspurt im Buwog-Prozess. Nachdem gestern die beiden Staatsanwälte im Prozess rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in ihren Schlussplädoyers dargelegt hatten, dass dieser mit Sicherheit schuldig sei, waren heute die Verteidiger von Grasser dran. Tenor der Ausführungen: Die Vorwürfe haben sich in Luft ausgelöst, Grasser sei freizusprechen.

Auch die restlichen Verteidiger hielten heute ihre Schlussplädoyers. Morgen, Donnerstag, kommen die Angeklagten ein letztes Mal zu Wort. Im Anschluss zieht sich der Senat zur Beratung zurück, ein Urteil hat Richterin Marion Hohenecker für November bzw. Anfang Dezember angekündigt. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Das war der 167. Verhandlungstag

Mit einer Viertelstunde Verspätung geht es los, Richterin Hohenecker und die Schöffen haben den Saal betreten. Alle sind da, Grasser Anwalt Ainedter hat bereits vorne im Saal Platz genommen und beginnt mit seinen Ausführungen. "Ein wahrhaft epochales Verfahren findet nun sein Ende", es handle sich "um einen Jahrhundertprozess". "Es gibt keine Superlative, um dieses Verfahren zu beschreiben." Es  habe von Beginn des Prozesses an eine massive "noch nie da gewesene mediale Vorverurteilung" gegeben.

Bei seinem Mandanten könne es nur "zu einem Freispruch kommen, und zwar in allen Anklagepunkten". Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien schwach und aus der Luft gegriffen. Für einen überraschten Gesichtsausdruck bei der Richterin sorgt Ainedter, als er ihr Lob für ihre "objektive Verfahrensführung" ausspricht. Wir erinnern uns: Grassers Anwälte haben zu Beginn des Verfahren ihre Absetzung gefordert, weil Tweets ihres Ehemannes über Grasser für Wirbel gesorgt hatten.

Richterin Marion Hohenecker
Richterin Marion Hohenecker © APA/HERBERT NEUBAUER

"Der ist ein Fall für den Psychotherapeuten"

"Es ist die verdammte Pflicht der Verteidiger", aufzuzeigen, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage konstruiere. Es handle sich dabei nicht, wie von dieser behauptet, um "Nebelgranaten". Diese habe gestern mit ihrem Schlussplädoyer für eine erneute "Märchenstunde" gesorgt. Von den 150 gehörten Zeugen haben lediglich zwei Grasser belastet - Michael Ramprecht und Willibald Berner. Diese habe die StA gestern "nicht einmal erwähnt". Der Grund dafür: "Ramprecht ist ein Fall für den Psychotherapeuten", er wollte sich aus "enttäuschter Zuneigung" lediglich wichtig machen. Und auch Berner sei unglaubwürdig. Dieser hatte Ainedter geklagt, weil er ihn einen "Lügner" genannt hatte. In seinem Schlussplädoyer dürfe er das aber sagen, so Ainedter. "Also: Herr Berner ist ein Lügner."

Schöffen wie Richter mögen "ihren gesunden Hausverstand" aktivieren, dann sei sofort klar, dass die Vorwürfe haltlos seien. "Warum sollte KHG eine so komplizierte Konstruktion wählen, um an sein angebliches Korruptionsgeld zu kommen?" Damals seien die Korruptionsbestimmungen deutlich weniger streng gewesen, er hätte diese einfach "in einem Koffer" bekommen und im Ausland anlegen können. Die Vorwürfe WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) seien also "Schall und Rauch", die Enttäuschung müsse nach 166 Verhandlungstagen groß sein, weil davon nichts übrig bleibe.

"Es kann nur einen Freispruch geben"

Die Causa Terminal Tower nehme er "nicht einmal ernst und auch nach der Beweisführung nehme ich das nicht ernst". Auch hier sei alles korrekt abgelaufen. Spannend sei aus Ainedters Sicht auch, dass die StA das Teilgeständnis Hocheggers "nur ganz kurz erwähnt hat". Zur Erinnerung: Hochegger hat damit Meischberger und Grasser bereits zu Prozessbeginn im Dezember 2017 schwer belastet. "Da is nix dran an diesem Geständnis."

Er habe Grasser vorgeschlagen, sich in die Rolle der Schöffen zu versetzen. "Du bist unschuldig, das weißt du." Aber wie komme es dort an, "wenn du in epischer Breite erklärst, dass du unschuldig bist?" Die Wahrheit sei, dass "nichts von den Vorwürfen wahr ist". Es habe hier "keinerlei strafbares Verhalten Grassers" gegeben, deshalb könne es hier nur einen Freispruch geben - und zwar nicht im Zweifel. Zudem: "Das Verfahren hat eine allfällige Strafe mehr als ersetzt." Die Schöffen mögen nun fair entscheiden.

Ainedter und Wess
Ainedter und Wess © APA/ROLAND SCHLAGER/APA-POOL

"Es fehlt die Tathandlung"

Nach einer kurzen Pause geht es weiter mit Norbert Wess, der deutlich länger reden will. Er sei gestern von den Ausführungen der StA "überrascht" gewesen. Denn: "Es fehlt die Tathandlung", daran haben auch die Ausführungen nichts geändert. Mit Blick auf die Schöffen sagt Wess: "Ohne Tathandlung ist alles hinten hinaus strafrechtlich irrelevant."

Die Forderungen der Finanzprokuratur seien ebenso unhaltbar. "Das ist juristischer Blödsinn." Auch Wess schießt sich auf Berner ein, dessen Aussagen unglaubwürdig und "absurd" seien. An die Schöffen: "Ich bitte Sie: Bleiben Sie kritisch." Auch Ramprechts Aussagen seien nicht ernst zu nehmen, dieser habe zudem auf Wess vor dessen Kanzlei gewartet und sei ihm auf der Straße nachgegangen. "Das war auch sehr unangenehm für mich."

"Enttäuschte Liebe"

Er projiziert erneut die Aussagen Ramprechts auf die Leinwand und zerpflückt sie. Mehrfach zieht Wess auch die Zurechnungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit Ramprechts in Zweifel. "Mit gutem Grund erwähnt die WKStA Ramprecht also gestern mit keinem Wort." Grund für Ramprechts Falschaussagen laut Wess: "Enttäuschte Liebe". Auch Berner sei höchst unglaubwürdig, auch der wurde nur in einem Satz im Schlussplädoyer der WKStA erwähnt.

Verweise bei den Vorwürfen zum Verkauf der Buwog-Wohnungen seien zudem "grob aktenwidrig". Die WKStA habe hier grobe Fehler gemacht. Zur berühmten zweiten Bieterrunde sei es zudem gekommen, weil Experten dazu geraten haben. Auch der Vorwurf des Geheimnisverrats sei aus der Luft gegriffen. "Warum soll Grasser so ein Trottel sein, dass er die 960 Millionen als Maximalkaufpreis versteht, wenn es eigentlich um Preis plus Finanzierungskosten geht?" Die 960 Mio. seien zudem nicht geheim gewesen.

Der Komplex Buwog ist erledigt, es geht weiter mit der Causa Terminal Tower. Hier geht es um die Einmietung der Finanz in ein Gebäude in Linz, auch hier sollen laut WKStA Provisionsgelder geflossen sein. Grasser habe immer die Interessen der Belegschaft im Fokus gehabt, alle Vorwürfe um Bestechungszahlungen seien haltlos. Auch hier haben die Belastungszeugen laut Wess keine wirklichen Erkenntnisse geliefert.

"Man kann nicht so über Menschen drüberfahren"

"Die Vorwürfe sind massiv, ja." Aber man könne nicht "einfach so über Menschen drüber fahren", das sei "rechtsstaatlich bedenklich". Vor allem, dass sich die WKStA rühmt, das "größte Verbrechen der Zweiten Republik" aufgedeckt zu haben. Und noch einmal: "Grasser war nie Empfänger irgendwelcher Zahlungen."

Zur fehlenden Tathandlung lässt sich Wess zu einem Gedankenspiel hinreißen: "Das wäre so, wenn es heißt: Es gab einen Mord in Favoriten. Und der Wess war in Wien. Und dann war ein Mord in Simmering. Und wissen Sie, was arg is? Der Wess war da wieder in Wien." So gehe die WKStA vor. Doch ohne Tathandlung könne man diese Verbindungen schlicht nicht herstellen.

Verteidiger Wess
Verteidiger Wess © APA/HELMUT FOHRINGER

Aussage von Grassers Frau verboten

Wess verriet im Gericht zudem "ein Geheimnis": Er sei der Grund dafür, dass Grassers Frau Fiona Swarovski nicht im Prozess ausgesagt hat. Er habe ihr das verboten, weil es sonst zu einem Eklat gekommen wäre. Denn die hätte sich keine Falschaussage unterstellen lassen, so Wess. Angesichts des Teilgeständnisses von Hochegger erklärte Wess, dass ihm dieser sogar etwas leid tue. "Ich bin überzeugt davon, dass Hochegger auch selbst Opfer ist." Das haben laut Wess diverse Telekom-Prozesse gezeigt.

Von der WKStA habe er sich mehr "Fähigkeit zur Selbstreflexion" gewünscht. Man hätte im Schlussplädoyer eingestehen können, dass sich große Teile der Anklage in Luft aufgelöst haben. Für die anwesenden Schöffen habe er "den höchsten Respekt", man habe ihnen viel zugemutet. "Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Sie sind heroisch." Sie hätten sich "dieses Amtes entledigen können", aber sie haben drei Jahre durchgehalten. Egal, ob er selbst ihnen sympathisch sei, oder nicht, sie mögen eine objektive Entscheidung treffen.

Bei Grasser könne man nur zu einem Schluss kommen - "Freispruch" - sagt Wess und ist damit am Ende.

"Meischberger ist freizusprechen"

Nach der Mittagspause geht es nun weiter mit Jörg Zarbl, den Verteidiger von Walter Meischberger. Die StA habe "keine Zahlen, Daten oder Fakten" liefern können, um Meischbergers Schuld zu beweisen. Dieser sei deshalb freizusprechen. Alle Indizien "haben sich in Luft aufgelöst". Auch Zarbl schießt sich auf Berner ein, es sei nur darum gegangen, Grasser zu jagen. "Einen Tatplan hat es nie gegeben." Alle Ermittlungen gegen Meischberger seien bereits eingestellt worden.

Das Teilgeständnis von Hochegger, das auch seinen Mandanten belastet, sei auf Druck der WKStA entstanden, sagt Zarbl. Der Verteidigter erneuert zudem die Meischberger-Aussage, dass der Tipp zu dem 960 Millionen von Ex-Landeshauptmann Jörg Haider gekommen sein soll. Ermittlungen habe es dazu keine gegeben - "weil nicht sein kann, was nicht sein darf". Auch bei den Causen Villa und Telekom seien die Vorwürfe nicht haltbar. Meischberger sei von allen Anklagepunkten freizusprechen.

Walter Meischberger
Walter Meischberger © APA/ROLAND SCHLAGER

"Ein so umfangreiches Geständnis erfindet keiner"

Als nächster ist Leonhard Kregcjk an der Reihe, der Verteidiger des teilgeständigen Peter Hochegger. Sein Mandant habe hier als einziger gestanden, "und ein so umfangreiches Geständnis erfindet doch keiner". Die anderen Angeklagten hätten seinen Mandanten in allen Verhandlungen zudem massiv angegriffen. Ihm werde ein Deal mit der StA unterstellt, was nicht zutreffend sei. Hochegger habe zudem bereits während den Ermittlungen gesagt, dass Grasser und Meischberger involviert gewesen seien. Sein Mandant ersucht um eine angemessene Strafe für sein Teilgeständnis, in der Causa Terminal Tower ersucht er um Freispruch.

Nun ist Otto Dietrich an der Reihe, der ebenfalls einen Freispruch für seinen Mandanten Karl Petrikovics fordert. Auch er habe sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Er habe keine Bestechungszahlungen versprochen oder bezahlt. Den Tipp habe er von Hochegger bekommen, nicht unter 960 Millionen für die Bundeswohnungen zu bieten - und das habe er getan.

"Danke für drei Jahre Aufmerksamkeit"

Dass Meischberger und Hochegger zusammengearbeitet haben sollen, habe er nicht gewusst. Sein Mandant habe Meischberger erst im Gerichtssaal kennengelernt. "Was Hochegger mit dem Honorar gemacht hat, das wusste Petrikovics bis zum Jahr 2009 nicht", er könne daher keinen Beitrag zur Untreue geleistet haben. "Ich beantrage also, dass Sie Petrikovics von allen gegen ihn erhobenen Anklagepunkten freisprechen." Auch Dietrich bedankt sich bei den Schöffen "für drei Jahre Aufmerksamkeit".

Er bleibt am Mikrofon und hält sein Plädoyer für Rudolf Fischer, der in der Causa Telekom Austria angeklagt ist. Dieser habe für einige Fälle ein Geständnis abgelegt, es sei zu Sponsoring und Zahlungen zur "politischen Landschaftspflege" gekommen. Fischer habe gestanden und das Geld zurückgezahlt und er bereue sein Handeln. "Ich bitte Sie daher um ein mildes Urteil".

Abschluss der Plädoyers

Es geht weiter mit den Verteidigern der kleineren Angeklagten. Diese dürfen alle nicht namentlich genannt werden, es geht um die Vorhalte in der Causa Terminal Tower. Bisher werden ausschließlich Freisprüche gefordert.

Geht es in dieser Geschwindigkeit mit den Plädoyers weiter, werden die Schlussplädoyers heute abgeschlossen. Sind die Verteidiger fertig, wird den Angeklagten noch ein Schlusswort eingeräumt. Grasser will von diesem Recht Gebrauch machen. Danach heißt es Warten, bis der Senat an einem Freitag im November oder Dezember das Urteil verkünden will. 

Rosen für die Richterin

Verteidiger Michael Dohr, der bekannt für extravagante Anzüge ist und einen der Terminal Tower Angeklagten vertritt, streut der Richterin zu Beginn seiner Ausführungen Rosen. Diese zieren auch seinen heutigen Anzug. Die Richterin habe sich durch hervorragende Verfahrensführung ausgezeichnet, "das ist eine Leistung". Dennoch sei ihm der Prozess manchmal wie ein Theaterstück vorgekommen. Auch in 167 Verhandlungstagen sei es der WKStA nicht gelungen, "auch nur eine ihrer Hypothesen zu verifizieren".

Die Staatsanwaltschaft habe keine der kleineren Angeklagten in ihren Plädoyers genannt, weder zu Prozessbeginn, noch bei ihren Ausführungen gestern. "Das spricht Bände." Auch er beantragt einen Freispruch.

Morgen sind die Angeklagten am Wort

Die Angeklagten haben noch etwas Zeit, sich ihre "Abschlussworte" zu überlegen. Die will sich die Richterin nämlich morgen - am somit letzten Prozesstag - anhören. Los geht's wieder gegen 9 Uhr, wir berichten wieder live. Schön, dass Sie heute dabei waren.