Bei den jungen Republikanern ist die Stimmung großartig. Die New Yorker Parteiorganisation trifft sich am Wahlabend im „Downtown Social“ im East Village. Hunderte von Gästen drängen sich zwischen vier bis fünf Bars und, wie es scheint, hunderten von Bildschirmen, auf denen drei bis vier Nachrichtensender Statistiken im Minutentakt auf den Bildschirm spucken. Alle Bundesstaaten werden nach und nach ausgezählt und minütlich wachsen die roten und blauen Balken. Bei jedem kleinen Sieg jubeln die Besucher auf, egal, ob der zu erwarten war oder nicht. Florida für Trump? Jubel Utah für Trump! Jubel! Kentucky für Trump? Wieder Jubel!
Die erste Schnellanalyse als Podcast
Die meisten Besucher sind begeisterte Trump-Anhänger. Trump-Servietten liegen herum, US-Fähnchen, viele tragen die roten MAGA-Hüte, Make Amerika Great Again. Ein Mann hat Trumps Mugshot, sein Polizeifoto, auf dem T-Shirt, mit der Zeile: „Never Surrender“. Auch die Demokraten gewinnen ab und zu, aber nur die sicheren und kleineren Staaten: Vermont, Rhode Island, Connecticut.
New York City, die demokratische Stadt, summt seit Tagen. Viele haben ihre Stimme schon vorher abgegeben; und am Montag hatten die Wahllokale für frühe Wähler geöffnet. Vor dem American Museum of Natural History am Central Park staute sich eine lange Schlange. Auch das „Shed“, ein neues Kunstmuseum am Hudson River, wurde zum Wahllokal umfunktioniert. 4000 Wähler seien heute gekommen, sagen die Wahlhelfer. Gute Wahlbeteiligung. New York hat „Paper Ballots“, Wahlscheine aus Papier, das macht es einfacher, das Ergebnis nachzuprüfen.
Während im Shed noch gewählt wird, laufen am Times Square bereits die Ergebnisse aus ganz Amerika über die Bildschirme, Wahlkreis für Wahlkreis. Auf dem Platz steht Anthony Smith aus New Jersey mit seinem „Friedenszug“ aus bunten Plastik. Er ist für Trump, denn sei für den Frieden. Die Medien würden alle nur lügen. „Aber wir haben das bessere Team“, sagt er. „Wir haben Elon Musk und Robert Kennedy Jr.“
Derweil sitzen im East Village, bei den jungen Republikanern, drei junge Mädchen in schwarzen Spitzenkleidern und herausgeputzt um einen Tisch und freuen sich über jede einzelne Erfolgsmeldung. Warum sind sie für Trump? „Wegen dem Krieg in Gaza und Libanon“, sagt Nicole, die in Miami lebt und halb libanesisch, halb kubanisch ist, „aber amerikanische Staatsbürgerin“. Sie hat Freunde in Michigan und kann nicht verstehen, dass dort überhaupt jemand für Harris stimmt, zumindest bei den Arabern. „Für die Demokraten sind wir nur Verschiebemasse. Die interessieren sich nicht für uns“. Trump hatte in Dearborn, Michigan, einen seiner letzten Wahlkampfauftritte, in einem arabischen Restaurant. Außerdem seien sie alle drei Businessfrauen, und für Business sei Trump besser.
In einem anderen Raum steht ein älteres schwarzes Paar vor den TV-Schirmen; sie im Kostüm, er mit glitzernden Trump-Hut. Warum ist er für Trump? „Ich habe damals, bei Corona, einen Kredit für Kleinunternehmen beantragt, und der Staat New York hat mir den verweigert. Dann hat Trump davon erfahren und sich persönlich darum gekümmert, dass das Gesetz geändert wird.“ Nun wählt er den früheren New Yorker Baulöwen nicht nur, er organisiert auch eine Kundgebung in der Süd Bronx für ihn.
Als es sich abzeichnet, dass Trump Georgia gewinnt, jubeln wieder alle. Ich stoße auf Stefan Keuter, ein Bundestagsabgeordneter für die deutsche AfD, der mit einer FPÖ-Kollegin nach Amerika gekommen ist. Er ist Teil einer etwa fünfzigköpfigen Delegation der OSZE, die auf Einladung der Amerikaner Wahlbeobachtung macht. Die AfD und die Jungen Republikaner hätten eine informelle Partnerschaft.
Was beobachten sie denn so? „Ob korrekt gewählt wird, ob Wähler nicht weggeschickt werden und so fort“. Er hat nichts zu beanstanden, außer, dass Wahlhelfer gelegentlich Wählern geholfen hätten, die Ballots zu scannen. Da könnten die womöglich erkennen, wie der Betreffende abgestimmt hat. „Aber das war nicht böse gemeint. Die wollten hilfreich sein.“
Trump selbst verbringt den Wahlabend im „Winter White House“, in Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, aber er hat noch seine Wohnung im Trump Tower an der Fifth Avenue. Dort steht Polizei, aber eigentlich ist das nicht nötig; nicht nur ist Trump fort, es stehen auch mehr Journalisten vor dem 55-stöckigen Gebäude als Protestler.
Einer davon ist Michael Gonzales, ebenfalls aus der Bronx. Er erklärt einem französischen TV-Team, warum er für Trump ist: Illegale Immigration. Wegen den Illegalen sei die Stadt so gefährlich geworden, sagte er. Seine Schwägerin lebe in der Upper East Side, eigentlich ein sicheres Viertel, aber sie sei neulich überfallen wurden. „Damit wird Trump aufräumen. Der ist ein starker Mann. Kamala packt es nicht.“ Gonzales stammt aus Nicaragua, ist aber inzwischen Amerikaner. Aber einige seiner Verwandten seien illegal gekommen. „Die hatten am Anfang echt Probleme.
Im Theatersaal von St. Luke‘s, eine Kirche am Times Square, feiern eine Handvoll Demokraten. Hier ist die Stimmung gedrückt. Ein paar Gäste regen sich über Robert Kennedy Jr. auf, der sich Trump angeschlossen hat. „Der Mann mit dem Wurm im Gehirn“, sagt Pfarrer Arden Strasser fassungslos. Er wird gefragt, warum Trump so viele Erfolge bei den Latinos hat. „Viele sind verärgert, weil die Flüchtlinge aus Südamerika so viele Hilfen bekommen und sie bekamen damals nichts.“
Ein Besucherpaar aus New Mexico, Ben und Beverly Larzelere verbringen die Wahlnacht bei St. Luke‘s. Erleichtert sehen sie, dass Harris New Mexiko gewonnen hat. Auch New Mexico ist, wie ganz Amerika, ein gespaltenes Land. „Im Süden gibt es viele Ranchers, die Trump wählen, im Norden aber, in Albuquerque, wo die Universitäten sind, wird Harris bevorzugt“, meint Ben Larzelere. Auch die meisten Indianer, die Navajo, die Apachen, wählten Harris. Hingegen seien viele Latinos für Trump, weil sie als Katholiken gegen Abtreibung seien.
Um Mitternacht erfahren wir, dass die Republikaner die Mehrheit im Senat haben. Nun brechen alle auf. Draußen, auf der Straße sitzen zwei Wahrsagerinnen, die mir gerne die Zukunft voraussagen möchten. Nein danke, aber ob sie wissen, wer Präsident wird? „Trump“, sagt die eine. Und warum? „Das flüstern mir meine Kräfte ein.“ Weit nach Mitternacht zuhause angekommen, erfahre ich, dass Trump wohl die wichtigen Staaten Michigan und Pennsylvania gewonnen hat.