Die USA wählen am Dienstag die Nachfolge von US-Präsident Joe Biden. Gut drei Monate vor der Wahl entschied er aus dem Rennen auszusteigen: „Das Beste sei, die Fackel an eine neue Generation weiterzugeben“, sagte Biden im Ende Juli, als er sich an die US-amerikanische Bevölkerung wendete. Im ZIB2-Interview sprach Moderator Armin Wolf mit Monika Rosen, Börsenexpertin sowie Vizepräsidentin der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft, und USA-Expertin Cathryn Clüver Ashbrook. Sie zogen Bilanz zu vier Jahren Biden.

Vor US-Wahl: Bye Bye, Biden

US-Präsident Joe Biden hat ein halbes Jahrhundert amerikanische Geschichte miterlebt. 1942 geboren, wurde er 1972 als jüngster Senator in den Kongress gewählt und strebte damals an, auch der jüngste Präsident der USA zu werden – ein Ziel, das er zunächst nicht erreichte. Erst als Barack Obama ihn zum Vizepräsidenten ernannte, zog er ins Weiße Haus ein. Doch bevor Biden selbst kandidierte, war es Hillary Clinton, die 2016 erfolglos gegen Donald Trump antrat. Vier Jahre nach der Amtseinführung von Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten ziehen die beiden Expertinnen Bilanz – welche gemischt ausfällt.

Bidens innenpolitische Erfolge und Misserfolge

Als Joe Biden am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der USA vereidigt wurde, versprach er, ein Präsident für alle Amerikaner zu sein. Doch es war kein leichter Job, der ihn erwartete: Die Corona-Pandemie war noch nicht überwunden, die Arbeitslosigkeit war hoch, und die amerikanische Wirtschaft war angeschlagen. Nach der Pandemie waren vor allem die wirtschaftlichen Folgen noch zu spüren, die Inflation stieg zwischenzeitlich auf 9 Prozent. Biden stabilisierte die Lage mit milliardenschweren Hilfspaketen und schaffte es unter anderem, die Inflation auf 2,4 Prozent zu senken. „Biden hat das Land aus der Pandemie geführt und die Wirtschaft wieder auf den Weg gebracht“, erklärt Börsenexpertin Rosner. Dennoch habe „das subjektive Gefühl einer wirtschaftlichen Belastung bei vielen Amerikanern Spuren hinterlassen.“

Neben den Wirtschaftsprogrammen setzte Biden auch Klimaschutzmaßnahmen und eine moderate Verschärfung der Waffengesetze durch. Doch die gesellschaftlichen Spaltungen blieben groß. Der Präsident wollte ein Land vereinen, das tief gespalten ist, beschreibt USA-Expertin Ashbrook.

Außenpolitische Herausforderungen

Auch in der Außenpolitik sah sich Biden mit großen Krisen konfrontiert. Der überhastete Abzug der US-Truppen aus Afghanistan hinterließ tiefe Spuren. Die Bilder verzweifelter Afghanen, die sich an Flugzeuge klammerten, gingen um die Welt und prägten das Image der USA negativ. „Er hat aber auch einiges geleistet, um die Partner wieder näher zusammenzuziehen“, erklärt Ashbrook. „Er war der einende Charakter für seine Partei und die NATO.“

Ein Argument, womit Trump-Anhänger gerne argumentieren, sei, dass es unter Trump keine Kriege gab. Das stimmt so nicht, erklärt Ashbrook. Es gab Sonderoperationen in Syrien und auch die Krim und Teile der Ostukraine waren während Trumps Zeit besetzt.

Harris vs. Trump: Wie könnten sich die Amtszeiten unterscheiden?

Man geht davon aus, dass Harris im Großen und Ganzen die Linie von Biden weiterfährt. Harris möchte den Mindestlohn anheben, Trump hingegen will die Steuererleichterung für alle, die kommendes Jahr auslaufen soll, permanent machen. Harris möchte diese Steuererleichterung nur für untere Einkommensschichten einführen. Bei den Zöllen dürfte Trump den radikaleren Weg einschlagen: Auf Importe aus China sollen 60 Prozent aufgeschlagen werden, aus anderen Ländern sind es 10 bis 20 Prozent. Unter Trump wird ein rauerer Wind zu erwarten sein als unter Harris, beschreibt Rosen.

Joe Biden blickt auf vier Jahre zurück, die von Krisen und Herausforderungen geprägt waren, aber auch von bedeutenden Erfolgen in der Wirtschaft und Infrastruktur sowie in der internationalen Zusammenarbeit. Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger wird jedoch zweifellos auf den Fundamenten seiner Politik aufbauen – ob zur Weiterführung oder zum Umbruch.