Die ukrainische Gegenoffensive setzt nach Einschätzung britischer Geheimdienste die russischen Besatzungstruppen im Süden der Ukraine unter Druck. "Zu den allgemeinen Problemen der russischen Kommandeure im Süden dürften knappe Bestände an Artilleriemunition, ein Mangel an Reserven und Probleme bei der Sicherung der Flanken der verteidigenden Einheiten gehören", teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag mit.
Fortschritte im Süden
Die Kämpfe konzentrieren sich demnach vor allem auf zwei Abschnitte. Südlich der Stadt Orichiw stehe den ukrainischen Angreifern die 58. Armee gegenüber. Diese Truppe habe höchstwahrscheinlich mit Kampfmüdigkeit und Abnutzung in vorgeschobenen Regimentern zu kämpfen, die sich seit mehr als acht Wochen in intensiven Gefechten befänden.
Weiter östlich bei Welyka Nowosilka setzten sich die russischen Truppen aus Einheiten des östlichen und des südlichen Militärbezirks zusammen, was zu Abstimmungsproblemen führe. "Teile der 5. Armee dürften besonders unter Druck stehen und wahrscheinlich auch das Gefühl haben, dass eine Rotation aus der Frontlinie längst überfällig sei", hieß es in London weiter.
Bundesheer-Experte sieht Ukraine vor Herausforderungen
Oberst Bernhard Gruber vom österreichischen Bundesheer meint, dass nun auf die Ukraine die besonders schwierige Situation zukommt, die befestigten Frontabschnitte der Russen zu durchstoßen. "Das ist letztlich wie beim Bruch eines Staudamms, wenn es gelingt, einen kleinen Riss in die Frontlinie zu bekommen, kann schnell das ganze System reißen und ein großer Durchbruch ist möglich", sagt Gruber.
Einfach wird die Aufgabe jedoch nicht, so müssen nun ukrainische Panzer das Gebiet entminen. Gruber spricht von einer besonders schwierigen Situation, da ein derartiges Manöver auch vielen Soldaten das Leben kostet wird. "So hart wie es klingt, aber viele Männer werden nur sterben, um dieses Loch aufzureißen", sagt Gruber.
Strategisch ist dieses "Loch" deshalb wichtig, weil es dafür sorgen könnte, dass die Ukraine dann durchstoßen könnte und Russland dazu zwingt, Reserven zu reaktivieren oder Einheiten zu verschieben. Wenn Russland gezwungen ist, weitere Truppen an eine Frontlinie zu versetzen, fehlen diese logischerweise woanders, dann könnte hier ein ähnlicher Effekt einsetzen.