Erstmals seit knapp zwei Wochen ist die ukrainische Hauptstadt Kiew wieder Ziel russischer Luftangriffe geworden. Die Luftverteidigung habe in der Nacht auf Sonntag alle feindlichen Geschosse abwehren können, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Mehrere Häuser im Kiewer Gebiet wurden laut Militärverwaltung allerdings durch herabfallende Trümmerteile beschädigt und ein Bewohner verletzt. Auch andere Teile der Ukraine waren von den jüngsten russischen Angriffen betroffen.

Landesweit wurden offiziellen Angaben zufolge insgesamt acht Kampfdrohnen und drei Marschflugkörper von der ukrainischen Luftverteidigung zerstört. Später am Tag berichteten die ukrainischen Behörden zudem von russischem Beschuss in der südlichen Stadt Cherson. Auch dort sollen mehrere Zivilisten in einem Wohnviertel verletzt worden sein.

Russische Lufthoheit und Minenfelder

Die russische Lufthoheit und Minenfelder stellen nach Ansicht des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba die größten Probleme für die ukrainischen Truppen bei ihrer Gegenoffensive dar. Unter Einsatz ihres Lebens müssten die ukrainischen Soldaten am Tag manchmal 200 oder 300 m durch ein Minenfeld robben, um das Gelände für die vorrückenden Truppen zu räumen, sagte Kuleba in Kiew in einem Interview von "Bild", "Welt" und "Politico".

Die mit Beton, Stahl und anderen Materialien verstärkten Befestigungen der Russen seien schwer zu zerstören. Darüber hinaus würden die Streitkräfte sehr darunter leiden, "dass uns Anti-Luft-, Anti-Hubschrauber- und Anti-Flugzeug-Waffen am Boden fehlen", sagte Kuleba weiter. Mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen sei es den Russen gelungen, "unsere Gegenoffensivkräfte zu treffen".

Ärger über Kritik

Zuletzt hatte Kiew auf Kritik am langsamen Vorankommen der Gegenoffensive verärgert reagiert. Allerdings ist auch der ukrainischen Führung klar, dass sie vor dem Hintergrund der westlichen Waffenhilfe Resultate vorzeigen muss.

Kuleba sagte, die Entscheidung der westlichen Verbündeten für die Lieferung moderner westlicher Kampfjets hätte früher getroffen werden können. "Wenn die Entscheidung über die Flugzeuge vor etwa acht Monaten gefallen wäre, hätten wir sie wahrscheinlich schon jetzt." Wie seit dem ersten Tag des Krieges "bitten wir unsere Partner, die Lieferungen zu beschleunigen". Er habe aber keinen Zweifel, "dass westliche Flugzeuge im ukrainischen Luftraum kämpfen werden".

Kuleba zeigte sich auch genervt von Kritik an mangelnden Fortschritten der Gegenoffensive. "Wir fühlen uns frustriert von denen, die jetzt sagen: Oh, das läuft nicht gut." Den Kritikern rief er zu: "Kommt her und versucht, auch nur zehn Schritte auf dem Schlachtfeld zu gehen, ohne getötet zu werden." Trotz alledem zeigte er sich überzeugt vom Sieg über die russischen Truppen. "Jeden Tag sehe ich die jüngsten Erfolge unserer Streitkräfte, sehe ich die Dynamik der Schlacht. Und ich sehe keinen einzigen Grund, warum unsere Gegenoffensive nicht erfolgreich sein sollte."