Ukrainische Truppen haben nach Angaben der russischen Verwaltung des besetzten Teils der südukrainischen Oblast Cherson eine wichtige Brücke angegriffen, die das Festland mit der 2014 annektierten Halbinsel Krim verbindet. Die Brücke sei mit Raketen vom Typ Storm Shadow beschossen worden, teilte der von Russland eingesetzte Gouverneur, Wladimir Saldo, am Donnerstag mit. Die Straße sei beschädigt worden, der Verkehr werde umgeleitet. Opfer habe es nicht gegeben.
Durchfahrt soll bald repariert werden
"Die Terroristen in Kiew wollen die Bewohner von Cherson einschüchtern und Panik unter der Bevölkerung verbreiten, aber das wird ihnen nicht gelingen. Wir wissen, wie man Brücken schnell repariert: Die Durchfahrt für Fahrzeuge wird in naher Zukunft wiederhergestellt sein", sagte Saldo. Es gebe weiterhin eine Verbindung zwischen der Region Cherson und der Krim, eine Ersatzstrecke für Fahrzeuge sei eingerichtet worden.
Von der ukrainischen Regierung war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, wieder die Kontrolle über die Krim zu erlangen und alle russischen Truppen von ihrem Staatsgebiet zu vertreiben.
Strategisch wichtiges Gebiet beim Dnipro
Die Tschonhar-Brücke - auf Russisch Tschongar-Brücke - ist eine von drei Anfahrtsrouten von der Krim ins nördlicher gelegene und ebenfalls zu Teilen okkupierte Gebiet Cherson. Die Brücke, auch Tor zur Krim genannt, ist Teil einer Straße, die vom russischen Militär genutzt wird, um sich zwischen der Krim und anderen von Russland besetzten Teilen der Ukraine zu bewegen.
Für Moskau ist es strategisch wichtig, das Gebiet vom Westen des Asowschen Meeres bis zum Ostufer des Flusses Dnipro (Russisch Dnjepr) zu kontrollieren, sodass die Krim nicht abgeschnitten vom direkten Zugang zu Russland ist. Würde die Ukraine diese Verbindungen zerstören, könnte das für sie von Vorteil sein, um die Halbinsel zurückzuerobern oder dies als Druckmittel für mögliche Verhandlungen nutzen.
Gegenoffensive verzeichnet Fortschritte
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat unterdessen zwei Wochen nach Beginn der ukrainischen Offensive Fortschritte an der Front gelobt. "Im Süden sind wir in der Vorwärtsbewegung", sagte er am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache. Er räumte zwar schwere Kämpfe ein, doch überall - auch im Osten, wo die ukrainischen Truppen in der Defensive seien - werde der Feind vernichtet, meinte er. Zuvor hatte Selenskyj die Erwartungen der Öffentlichkeit an die ukrainische Offensive noch gedämpft.
So räumte er in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview der BBC ein, dass die Offensive "langsamer als gewünscht" vorankomme. Die geringen Geländegewinne führte Selenskyj auch auf die weiträumige Verminung des Geländes durch russische Truppen zurück. Daher sei ein vorsichtiges Vorgehen notwendig, um das Leben der Soldaten nicht unnötig zu gefährden.
EU-Sanktionspaket gelobt
In seiner abendlichen Videobotschaft verkündete Selenskyj hingegen vor allem positive Nachrichten. Neben den nicht näher benannten Fortschritten an der Front ging der Präsident auch auf die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in London und das neue Sanktionspaket der EU gegen Russland ein. Bei der Konferenz habe die Ukraine nicht nur staatliche Hilfe bekommen, sondern zugleich auch Zusagen der Privatwirtschaft, sich an einem nachhaltigen Aufbau des Landes zu beteiligen.
Das Sanktionspaket der EU lobte Selenskyj als wichtig, um Russland weiter zu isolieren, "so lange das Hauptexportgut Russlands Bosheit und Tod sind". Es gehe nun vor allem darum, Wege zur Umgehung der bisherigen Sanktionen abzuschneiden, so der ukrainische Staatschef.