Die Ukraine hat bei ihrer laufenden Gegenoffensive eigenen Angaben zufolge erneut kleinere Geländegewinne erzielt. Im östlichen Gebiet Donezk sei die ukrainische Armee an verschiedenen Stellen um 200 bis 250 Meter vorgerückt, teilte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Dienstag auf Telegram mit. In der Nähe der südlichen Hafenstadt Berdjansk habe sie eine Fläche von insgesamt drei Quadratkilometern befreit.
Russland spricht von Abwehrerfolgen
Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es unterdessen, die ukrainischen Angriffe bei Bachmut seien erfolgreich abgewehrt worden. Die Angaben beider Kriegsparteien sind oft zunächst nicht unabhängig überprüfbar. Allerdings haben auch internationale Experten der Ukraine bereits lokale Erfolge bei ihrer Gegenoffensive bescheinigt. Insbesondere die russische Seite wiederum fiel in dem bereits seit mehr als 15 Monaten andauernden Angriffskrieg immer wieder durch militärische Falschaussagen auf.
Bei einem Raketenangriff auf die südöstliche Großstadt Krywyj Rih wurde Dienstag früh ein fünfstöckiges Wohnhaus getroffen. Dabei seien mindestens elf Menschen getötet worden, wie der Militärgouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, mitteilte. Weitere 28 Menschen wurden demnach verletzt. Die Suche nach verschütteten Bewohnern sei mittlerweile abgeschlossen.
Priester in Cherson getötet
"Mein Beileid gilt allen, die ihre Liebsten verloren haben! Den Terroristen wird niemals vergeben werden und sie werden für jede Rakete, die sie abfeuern, zur Verantwortung gezogen", kommentierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram den Angriff mit Marschflugkörpern auf seine Heimatstadt.
Beim Beschuss der Ortschaft Biloserka in der südukrainischen Oblast Cherson ist nach ukrainischen Angaben ein Priester getötet worden. Artilleriefeuer habe den Innenhof einer Kirche getroffen, teilt der Leiter des Präsidialamtes, Andrij Jermak, auf Telegram mit. Der 72 Jahre alte Geistliche sei ums Leben gekommen, zudem sei eine 76-jährige Frau verletzt worden. Durch den Beschuss seien vier Wohngebäude, das Postamt, Verwaltungsgebäude, der zentrale Platz und kritische Infrastruktur beschädigt worden.
Russland dürfte "Leopard"-Panzer zerstört haben
Ein am Dienstag vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Video soll die "Erbeutung" von jeweils zwei "Leopard"-Kampfpanzern und Bradley-Schützenpanzern beweisen. "Das sind unsere Trophäen", kommentierte das Moskauer Ministerium das auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlichte Video. Das deutsche Verteidigungsministerium äußerte sich vorerst nicht zu dem Bericht.
Wann die Aufnahmen, die von einem Frontabschnitt in der Region Saporischschja stammen sollen, aufgenommen wurden, ließ sich jedoch nicht überprüfen. Die Panzer in dem Video schienen nur leicht beschädigt zu sein. Bei einem der "Leopard"-Panzer lief der Motor. In der Umgebung lagen die Leichen mehrerer mutmaßlich ukrainischer Soldaten. Bereits am Montag hatten russische Militärblogger von drei zerstörten "Leopard"-Panzern aus finnischer Produktion berichtet, was Faktenchecker einer finnischen Tageszeitung als glaubwürdig betrachteten.
Stromversorgung in Grenzregion unterbrochen
Ebenfalls bereits am Montag dämpfte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Hoffnungen auf umgehenden Ersatz für in der Ukraine zerstörte westliche Panzer. "Wir werden nicht jeden Panzer ersetzen können, der jetzt ausfällt", sagte er Montagabend in der Sendung "RTL Direkt". Er kündigte jedoch an, dass Deutschland "ab Juli weiter aufwachsend 'Leopard-1-A5'-Panzer, die instand gesetzt sind, nachliefert. Und bis zum Ende des Jahres werden das über 100 sein".
Auch aus Russland gibt es Meldungen über Angriffe der Gegenseite. So sollen Dienstag früh Dörfer in der russischen Oblast Kursk beschossen worden sein. Mehrere Häuser seien beschädigt worden, zwei hätten Feuer gefangen, teilte der Gouverneur von Kursk, Roman Starowojt, auf Telegram mit. Die Gas- und Stromversorgung sei unterbrochen worden. Betroffen seien die Dörfer Tjorkino und Gluschkowo, die nahe der Grenze zur Ukraine lägen. Über mögliche Opfer gab es zunächst keine Angaben. Die Ukraine bekennt sich so gut wie nie zu Angriffen innerhalb Russlands oder auf von Russland kontrolliertem ukrainischem Territorium.
USA befürchten nordkoreanische Einmischung
In dem russischen Oblast Krasnodar war Dienstag früh ein Feuer in einer Ölraffinerie ausgebrochen. Der Brand konnte eingedämmt und gelöscht werden, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti. Brandursache soll einmal mehr ein "technischer Fehler" gewesen sein. Ölraffinerien und Energieanlagen im an die Ukraine grenzenden südlichen Russland waren in den vergangenen Monaten häufiger Ziel von Drohnenangriffen.
Die USA äußerten unterdessen Besorgnis über mögliche Waffenlieferungen Nordkoreas an Russland. Trotz gegenteiliger Aussagen der Regierung in Pjöngjang habe Nordkorea im November 2022 eine Waffenlieferung einschließlich Infanterieraketen und Raketen an die Söldnertruppe Wagner geliefert, so ein Sprecher des US-Außenministeriums. "Wir sind besorgt, dass die DVRK plant, weitere militärische Ausrüstung an Russland zu liefern." Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) ist der offizielle Name Nordkoreas.
Wagner-Chef sendet uneindeutige Signale
Im März hatten die USA erklärt, Russland versuche, im Austausch gegen Nahrungsmittelhilfe zusätzliche Waffen von Nordkorea zu erhalten. Sie verhängten Sanktionen gegen eine Person, die versucht haben soll, nordkoreanische Waffen an Russland zu vermitteln. Nordkorea strebt engere Beziehungen zum Kreml an und verteidigt Russlands Einmarsch in der Ukraine.
Der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, hält es für ungewiss, dass seine Einheiten in der Ukraine bleiben werden. Er sei "nicht sicher", ob Wagner nach der Einnahme von Bachmut im Land bleiben werde, sagt Prigoschin. Wagner-Söldner waren in der Vergangenheit auch in Afrika und im Nahen Osten aktiv und haben dort noch immer einige Verträge. Die Wagner-Söldner haben in der monatelangen und verlustreichen Schlacht eine wichtige Rolle für das russische Militär gespielt.