Die Ukraine hat nach eigenen Angaben einen Beweis dafür, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich sei. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU teilte am Freitag mit, er habe ein Telefonat russischer Truppen mitgeschnitten. Dies belege, dass eine russische Sabotage-Truppe das Wasserkraftwerk und den Staudamm in der südukrainischen Oblast Cherson gesprengt habe.
Eineinhalb Minuten dauerndes Telefongespräch
Wegen der dadurch ausgelösten Überschwemmungen mussten Tausende Menschen aus den betroffenen Gebieten am Fluss Dnipro fliehen. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für die Zerstörung verantwortlich. Der ukrainische Geheimdienst veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal den mutmaßlichen Mitschnitt eines eineinhalb Minuten dauernden Telefongesprächs. Darin sprechen zwei Männer auf Russisch offenbar über die Folgen des geborstenen Damms.
"Sie (die Ukrainer) haben ihn nicht getroffen. Das war unsere Sabotagegruppe", sagte einer der Männer. Er wird vom SBU als russischer Soldat beschrieben. Man habe Schrecken verbreiten wollen. "Es lief nicht nach Plan, und sie haben mehr getan, als sie geplant hatten." Der Mann fügte hinzu, dass Tausende Tiere in einem Safaripark flussabwärts verendet seien. Der andere Gesprächsteilnehmer zeigte sich überrascht über die Darstellung, dass russische Truppen das Wasserkraftwerk und den Damm zerstört haben sollen.
Die Anlage ist unter Kontrolle russischer Truppen. Die Authentizität des Telefonmitschnitts konnte bisher nicht überprüft werden. Russland hat sich zunächst nicht dazu geäußert. Weitere Einzelheiten zu dem Telefonat und den beiden Gesprächspartnern veröffentlichte der SBU nicht.
Infolge der Überschwemmungen sind nach ukrainischen Angaben vier Menschen in der Region Cherson ums Leben gekommen. 13 Personen würden noch vermisst, teilte Innenminister Ihor Klymenko auf Telegram mit. 2412 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden.
Der Wasserstand im Stausee sinkt indes weiter. Seit der Katastrophe am Dienstag sei der Stand um fast fünf Meter auf 11,7 Meter Stand Freitagfrüh gesunken, teilte der staatliche Wasserkraftwerksbetreiber Ukrhydroenergo in Kiew mit. Das Wasser sinke um etwa einen Meter innerhalb von 24 Stunden. Das Staatsunternehmen wies auch darauf hin, dass die bisher nicht komplett eingestürzte Staumauer weiter berste. Ziel sei es nun, in den oberhalb der Kachowka-Station gelegenen Stauseen das Wasser des Dnipro zu stauen, um Reserven für den Sommer zu haben.
Pegel zeigte am Freitag 5,38 Meter an
In dem von der Ukraine kontrollierten Teil des Gebiets Cherson sank indes das Hochwasser um 20 Zentimeter im Vergleich zum Vortag, wie der ukrainische Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, mitteilte. Der Pegel zeigte am Freitag 5,38 Meter an. 32 Ortschaften und mehr als 3.600 Häuser stünden unter Wasser. Prokudin rief die Menschen auf, ihre überschwemmten Häuser zu verlassen.
Der Sekretär des Rats für nationale Sicherheit und Verteidigung, Olexij Danilow, verglich die Zerstörung des Staudamms angesichts der katastrophalen Folgen mit dem "Einsatz einer taktischen Atomwaffe". Er machte im ukrainischen Radio Kremlchef Wladimir Putin persönlich für das Kriegsverbrechen verantwortlich. "Solche Entscheidungen werden nur im Kreml getroffen und nur von Putin", sagte Danilow. Auch die Folgen für Russland seien katastrophal, weil das Land für die Schäden werde bezahlen müssen.