In den hart umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine verschärft sich die Lage weiter. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, deutete nach versprochenen Munitionslieferungen am Sonntag einen Verbleib seiner Kämpfer in der seit Monaten hart umkämpften Frontstadt Bachmut an. IAEA-Chef Rafael Grossi warnte indes angesichts der Evakuierung einer Stadt nahe des von Russland besetzten AKWs Saporischschja vor der Gefahr eines "ernsten atomaren Unfalls".

In weiten Teilen des Landes – einschließlich der Hauptstadt Kiew – wurde Sonntagabend kurzzeitig Luftalarm ausgelöst. Über der Hafenstadt Odessa im Süden des Landes waren Explosionen zu hören, möglicherweise vom Einsatz der Flugabwehr, wie die Staatsagentur Ukrinform berichtete. Nach kurzer Zeit sei jedoch landesweit wieder Entwarnung gegeben worden.

Saporischschja ist Epizentrum des Krieges

Prigoschin sagte in einer von seinem Pressedienst veröffentlichten Audio-Botschaft: "Sie haben uns versprochen, uns all die Munition und Ausrüstung zu geben, die wir brauchen, um die Aktionen fortsetzen zu können. Er hatte die russischen Militärbefehlshaber zuvor wegen der Situation in Bachmut scharf kritisiert und gedroht, seine Kämpfer von dort abzuziehen und dies mit unzureichenden Munitionslieferungen begründet.

Die Stadt ist das Epizentrum des ukrainischen Kampfs gegen Moskaus Streitkräfte. Die Gruppe Wagner führt den seit Monaten andauernden russischen Angriff auf Bachmut an und hat die Stadt beinahe eingenommen.

Ein Russe bewacht das AKW Saporischschja, das für Kopfzerbrechen sorgt.
Ein Russe bewacht das AKW Saporischschja, das für Kopfzerbrechen sorgt. © (c) AP

Warnung vor Atomunfall

IAEA-Chef Grossi erklärte unterdessen, die Situation im Gebiet rund um das Kraftwerk Saporischschja werde "immer unberechenbarer und potenziell gefährlich". "Diese große Atomanlage muss geschützt werden", forderte der IAEA-Chef. Der Bürgermeister von Melitopol, Ivan Fedorow, erklärte auf Telegram, die von den russischen Behörden angekündigte "Evakuierung" der Stadt, in der die meisten Mitarbeiter des Kernkraftwerks leben, verlaufe zu schnell. Am Kontrollposten Schongar an der Straße von Melitopol zur Krim hätten sich sehr lange Warteschlangen gebildet.

Der von Russland eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, meldete am Sonntag einen Angriff auf die Hafenstadt der Krim. "Flugabwehreinheiten und Einheiten der elektronischen Kriegsführung haben einen weiteren Angriff auf die Stadt abgewehrt", erklärte Raswoschajew. Die Ukraine habe mehr als zehn Drohnen auf die Stadt abgefeuert, fügte er hinzu.

Eine zerstörte Kirche in der Region Saporischschja.
Eine zerstörte Kirche in der Region Saporischschja. © (c) AP (Kateryna Klochko)

Erwartete Gegenoffensive

Nach ukrainischer Einschätzung ist Russland derzeit nicht in der Lage, größere Offensivoperationen durchzuführen. "Heute hat Russland weder militärisch noch wirtschaftlich oder politisch das Potenzial, um einen weiteren Versuch einer ernsthaften Offensive irgendwo in der Ukraine zu starten", sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes Kyrylo Budanow in einem bei Yahoo News veröffentlichten Interview. Allerdings sei Russland weiter stark genug, um die Verteidigung der besetzten Gebiete zu organisieren.

Russische und ukrainische Streitkräfte bereiten sich derzeit auf eine erwartete Gegenoffensive der Ukraine vor. Gleichzeitig häuften sich zuletzt Drohnenangriffe, Sabotageakte und mutmaßliche Anschläge auf russischem Gebiet. In Russland wird am Dienstag der Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg gefeiert.